Fachbeiträge
Die Evolution des multimedialen Lernens
von Markus Fischer
Was ist dran am Lehren und Lernen mit neuen Medien? Markus Fischer hat sich mit den Entwicklungstendenzen multimedialer Lernformen von CBT bis WBT beschäftigt und nennt aktuelle Trends in der Aus- und Weiterbildung. Eine angestrebte Folge des Medieneinsatzes: Learning on Demand soll das Wissen auf Vorrat ersetzen.
Inhaltsübersicht:
- Trends in der Aus- und Weiterbildung
- Make your Cost Center a Profit Center!
- Erfolgreicher Einsatz moderner Lernmethoden
- Facetten des Lernens mit neuen Medien
- Abgrenzung und Evolution der Lernformen
- Web Based Training – eine weite Definition
- Vorteile von Web Based Training
- Ausblick
Multimediale Lernprogramme, Computer Based Training (CBT), Web Based
Training (WBT), Business TV, Knowledge Management, Corporate Universities
zweifellos steht der gesamte Bereich der Aus- und Weiterbildung
vor neuen Herausforderungen! Im Zuge der Entwicklung zur Informationsgesellschaft
muss sich der gesamte Bildungssektor einem tiefgreifenden Wandel
unterziehen.
Trends in der Aus- und Weiterbildung
All diese einleitend
genannten Schlagworte, die man heutzutage immer öfter hört,
stehen für aktuelle Trends im Bildungsbereich. Mehr noch als
der traditionelle Bereich der akademischen Ausbildung wird sich
die unternehmensinterne Aus- und Weiterbildung verändern
bedenkt man, dass derzeit bereits 60 bis 80% der Gesamtwertschöpfung
eines Unternehmens auf dem Produktionsfaktor Wissen basieren. Nur
Unternehmen, die die Bedeutung des Wissens ihrer Mitarbeiter als
Produktionsfaktors erkennen und fördern, werden eine dauerhafte
Sicherung ihrer Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit erzielen;
allerdings beträgt die Halbwertszeit von Fachwissen gerade
noch 5 Jahre.
Die dynamischen
Veränderungen in der Arbeitswelt erfordern effiziente Strategien
der Wissensvermittlung. Es ist nicht mehr ausreichend, das einmal
erworbene Wissen nur noch sukzessive weiterzuentwickeln. Lernen
wird für jeden Einzelnen zum kontinuierlichen Prozess und ist
keine abgeschlossene Lebensphase mehr (Stichwort lebenslanges
Lernen). Drei Viertel aller deutschen Unternehmen stellen
einen steigenden Bedarf an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
fest.
Die Bewältigung
des Tagesgeschäfts lässt im Unternehmensalltag kaum mehr
Zeit für Weiterbildung; immer seltener ist eine längere
Abwesenheit vom Arbeitzplatz möglich. Klassische Schulungsangebote
bieten keinen Ausweg aus diesem Dilemma. So werden Computernetze
eingesetzt, um räumliche Entfernungen zwischen Lernenden, Lehrenden
und Ressourcen zu überbrücken. Das World Wide Web oder
firmeneigene Intranets bieten die Möglichkeit, trotz dezentraler
Organisation weltweit zusammenzuarbeiten, Inhalte zu verteilen und
abzurufen. Mit dem einheitlichen Standardprotokoll TCP/IP und der
Internet-Technik stellen Intranets ein ideales Medium dar, auch
Aktivitäten des Aus- und Weiterbildungsbereiches zu unterstützen.
Neue Wege des
Lernens sind erforderlich: Traditionelle Lernformen werden zukünftig
um webbasiertes Lernen erweitert. Branchenkenner sagen voraus, dass
computerunterstütztes Lernen bis zum Jahr 2005 bei einem
jährlichen Wachstum des gesamten Weiterbildungsmarktes von
ca. 15% in Deutschland einen Marktanteil von rund 20% und
in den USA von rund 40% erreichen wird. Die geschätzte jährliche
Wachstumsrate der Trainingsmethode Internet wird laut IDC zwischen
1996 und 2001 241,5% betragen; für die Trainingsmethode Intranet
werden 80,5 Prozent prognostiziert.
Einige weitere
Entwicklungstendenzen in der Aus- und Weiterbildung: Virtuelle Lerngruppen
können kollaborativ zusammenwirken; sie nutzen Application
Sharing und Whiteboards, um gemeinsam Dokumente zu bearbeiten, oder
kommunizieren per Videokonferenz. Das klassische Funktionsbild des
Trainers wandelt sich hin zum Teletutor, welcher als Coach die Lernenden
betreut. Und Learning on Demand, also Wissen auf Abruf, wird das
Wissen auf Vorrat ersetzen.
Make your Cost Center a Profit Center!
Stets spielt
bei solchen Entwicklungen die monetäre Komponente eine wichtige
Rolle: Aus- und Weiterbildungsverantwortliche, Trainingsbeauftragte
und Personalentwickler werden sich zunehmend mit der Aufgabe auseinandersetzen
müssen, ihren Kosten verursachenden Bereich in einen gewinnorientierten
Bereich umzuwandeln. In der Herausforderung, mit knappen Mitteln
immer mehr Trainingsmaßnahmen anbieten zu müssen, wird
die Notwendigkeit von effektiveren Methoden des Lernens deutlich.
Computer- und
netzgestützte Lernmethoden helfen tatsächlich, Kosten
zu reduzieren:
- Die Reisekosten für externe Schulungsmaßnahmen entfallen; die Mitarbeiter lernen am Arbeitsplatz oder in eigens dafür vorgesehenen Räumlichkeiten des Unternehmens.
- Die Ausfallzeit der Mitarbeiter kann in erheblichem Maße reduziert werden. (Studien zufolge verursacht sie bislang annähernd 50% der gesamten Aus- und Weiterbildungskosten.)
- Durch gezieltes, eigenverantwortliches und termingerechtes (“on Demand”) Lernen können Zeitvorsprünge geschaffen werden.
- Die administrativen Prozessabläufe innerhalb eines Aus- und Weiterbildungsbereiches (Kurs- und Teilnehmerverwaltung etc.) werden durch den Einsatz der Internet-Technik erheblich beschleunigt und verbessert.
- Auf existierende Lernprogramme und Trainingsunterlagen können viele Mitarbeiter zur gleichen Zeit zugreifen – unabhängig davon, ob dies am Arbeitsplatz, von zu Hause oder unterwegs geschieht.
- Trainer und Autoren erhalten Hilfsmittel, um Trainingsinhalte auf einfachste Weise selbst aufbereiten, erstellen und ändern zu können, welche dann von vielen Lernenden wiederverwendet werden können.
- Eine Web-Based-Training-Plattform eignet sich außerdem hervorragend zur konzernweiten Distribution und Verwaltung von Wissen und stellt somit eine wesentliche Grundlage für Wissensmanagement dar.
Erfolgreicher Einsatz moderner Lernmethoden
In vielen Unternehmen
haben Untersuchungen die möglichen Einsparpotentiale und Effektivitätssteigerungen
nachweisen können. So erzielte die DaimlerChrysler AG nach
eigenen Angaben durch den Einsatz von multimedialen Lernprogrammen
Einsparungen von über 120 Millionen DM. Der Computerriese Hewlett-Packard
konnte die Kosten für die Führungskräfte-Weiterbildung
um 33% reduzieren. Bei der Deutschen Post AG wurden mit Hilfe multimedialer
CBT-Lernprogramme im Zeitraum von 1991 bis 1994 Einsparungen in
Höhe von 100 Millionen DM erzielt. Und die Investitionsbank
Berlin, eine Anstalt der Landesbank Berlin, konnte Seminarzeiten
durch den Einsatz von CBTs um 50% verkürzen.
Laut dem Return-on-Investment
and Multimedia Training Report von Dr. Brandon Hall konnte
der weltgrößte Mikroprozessor-Hersteller INTEL seine
Aus- und Weiterbildungskosten durch Web Based Training erheblich
senken. INTEL ersetzte Teile von Präsenzschulungen durch modulare
Lernprogramme. Dabei kann das Unternehmen nicht nur von erheblichen
Zeiteinsparungspotentialen berichten, sondern darüber hinaus
von einer 20-prozentigen Zunahme der Arbeitsgenauigkeit und produktivität
nach dem Absolvieren der weniger zeitintensiven Lernprogramme!
Facetten des Lernens mit neuen Medien
Da keine allgemeingültigen
Begriffsbestimmungen existieren, sei im folgenden versucht, die
unterschiedlichen Lernformen zu definieren und voneinander abzugrenzen.
Einteilung der traditionellen und modernen Lernformen
Beim
Lernen mittels traditioneller Präsenzschulungen, wie es die
Menschen seit mehr als 3.000 Jahren gewohnt sind, sind Wissensvermittler
und Wissensaufnehmer zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Anders
beim Lernen mit neuen Medien, dem Teletraining, bei dem sich drei
Formen unterscheiden lassen:
- Distance Learning bezeichnet ein Lernen auf Distanz, d.h. es besteht eine räumliche Entfernung zwischen Lehrer und Lerner und/oder ein zeitlicher Abstand zwischen Wissensvermittlung und aufnahme. Dies kann also sowohl synchron geschehen, etwa mittels Videokonferenz oder Chat, als auch asynchron, etwa mittels CBT oder E-Mail. In Deutschland ist dafür das Synonym Telelearning gebräuchlicher.
- Im Gegensatz dazu wird der Lernprozess beim Teleteaching (bzw. Distance Education) sehr stark durch einen Lehrer gesteuert. Der Trainer ist hier stets beteiligt, was gleichzeitig bedeutet, dass nur Medien wie beispielsweise Videokonferenz (Business TV) oder Chat in Frage kommen und CD-ROMs außer Acht gelassen werden.
- Eine Weiterentwicklung des klassischen Fernunterrichts stellt das Teletutoring dar. Ausgangspunkt ist die selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit einer Lernsoftware in Verbindung mit der Möglichkeit, bei Bedarf auf die Unterstützung durch einen Tutor oder durch andere Lernende im Rahmen einer virtuellen Gemeinschaft zurückgreifen zu können.
Abgrenzung und Evolution der Lernformen
Bezieht man
die eingesetzten Medien ein, so lassen sich die oben aufgeführten
Lernformen noch weiter unterteilen:
- Das CBT (Computer Based Training) verwendet als Werkzeug der Wissensvermittlung den Computer und CD-ROMs oder DVDs.
- Die Hybrid-CD verbindet die Online- mit der Offline-Welt, indem beispielsweise voluminöse Grafiken oder Anwendungen auf CD-ROM oder DVD vorliegen, variable Daten allerdings per Online-Verbindung abgerufen oder aktualisiert werden. Hybrid-CDs haben sich in der Lernpraxis jedoch kaum durchgesetzt; sie können als Zwischenstadium auf dem Weg zum WBT betrachtet werden.
- Das netzbasierte WBT (Web Based Training) nutzt zusätzlich die heute verfügbaren technischen Möglichkeiten der Vernetzung. Dadurch können Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten etwa durch E-Mail, Chat oder Newsgroups geschaffen werden. Außerdem können Videokonferenzen per Internet-Technik einbezogen werden.
Von CBT zu WBT
Während
mit CBTs offline im Selbststudium gelernt wird, bietet eine Hybrid-CD
schon Online-Möglichkeiten; beide Medien sind jedoch asynchron,
d.h. Informationen werden nicht zeitgleich produziert und aufgenommen.
Allein das Web Based Training bietet darüber hinaus die Möglichkeit,
sich zu virtuellen Lerngruppen zusammenzuschließen und synchrone
Kommunikations- und Lernszenarien zu nutzen.
Die Evolution der Lernformen
Based Training eine weite Definition
Web Based Training
ist eine Intranet/Internet-Applikation, welche eine Vielzahl von
Hilfsmitteln zur Optimierung der Aus- und Weiterbildungsaktivitäten
unter Nutzung der Internet-Technik bietet: WBT beinhaltet den gesamten
Prozess beginnend mit der Information über das Kursangebot
und der Kursanmeldung und registrierung über das eigentliche
interaktive, multimediale Online-Training mit Zwischen- und Abschlusstests
bis hin zur Zertifizierung sowie einer unterstützenden Kurs-
und Teilnehmerverwaltung.
Dennoch besteht
nach wie vor die Notwendigkeit von klassischen Präsenzkursen,
da die Einsatzgebiete von Web Based Training aus pädagogisch-didaktischen
Gründen auf bestimmte Inhalte beschränkt sind. Web Based
Training ist also als Lernform zu betrachten, die die klassischen
Methoden erweitert und ergänzt. Zweifellos wird das Internet
jedoch wie in so vielen anderen Bereichen auch in der Aus- und Weiterbildung
zu einem Paradigmenwechsel führen.
Vorteile von Web Based Training
Während
CBTs auf CD-ROM durch ihre Unflexibilität und ihre hohen Produktionskosten
gekennzeichnet sind, bietet Web Based Training enorme Vorteile:
Es bietet weitaus bessere Kommunikationsmöglichkeiten, ermöglicht
wirkliches Training on Demand und just in time, stellt ein modulares
Bildungsangebot zur Verfügung und lässt die Integration
vorhandener (Roh-) Materialien zu. Nahezu unbegrenzt viele Teilnehmer
können nicht nur aktuelle Inhalte abrufen, sondern es ist auch
möglich, eine innerbetriebliche Kostenabrechnung für abgerufene
Inhalte durchzuführen. Neben den Lernenden werden auch Trainer,
Autoren und Administratoren durch die Vielzahl von Funktionalitäten,
die eine WBT-Plattform bietet, unterstützt. So können
zahlreiche Prozessabläufe des Aus- und Weiterbildungsbereiches
vereinfacht und optimiert werden.
Ein weiterer
entscheidender Vorzug des Web Based Trainings ist die gebotene Aktualität:
In den Zeiten der Informationsgesellschaft ändern sich Trainingsinhalte
äußerst schnell. Die ständige Anpassung und Optimierung
eines WBTs ist relativ problemlos möglich. Selbst die Produktion
neuer WBTs ist mit erheblich weniger Aufwand verbunden als die vergleichbarer
CBTs auf CD-ROM. Während zur CD-ROM-Produktion Spezialfirmen
benötigt werden, können hier die Autoren selbständig
komplette Kurse entwickeln und den Lernenden zur Verfügung
stellen.
Der Trainer
wird zum Tutor. Die Anzahl der Gruppenmitglieder, die ein Tutor
betreut, kann erheblich größer sein als bei einem Classroom-Training.
Der Tutor betreut seine Online-Lernenden, kann Hilfestellung geben
und den Kurs jederzeit auf deren Bedürfnisse ausrichten.
Intelligente
WBT-Plattformen sind sogar in der Lage, Kurse selbständig an
die Bedürfnisse und Voraussetzungen der Lernenden anzupassen.
So kann zum Beispiel jeder einzelne Lernende seinen maßgeschneiderten
Kurs erhalten. Dies geht weit über die Betreuungsmöglichkeiten
des Classroom-Trainings hinaus.
Den Möglichkeiten
von Web Based Training und anderen innovativen Lernformen sind eigentlich
kaum Grenzen gesetzt, dennoch steckt diese Entwicklung noch immer
in den Kinderschuhen.
Das Fraunhofer
Institut Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) stellte in
der jüngst erstellten Studie Multimedia in der unternehmensinternen
Weiterbildung fest: Es existiert bereits eine breite
Fülle von Multimedia-Anwendungen, die auch in der Theorie in
allen Details diskutiert werden. In der Praxis hat sich jedoch bis
jetzt nur CBT in der breiten Masse durchgesetzt. Deutschland hinkt
hier nach Meinung der meisten Unternehmen der internationalen Entwicklung
hinterher. Es zeichnet sich aber ab, dass die anderen Telelearning-Anwendungen
in schnellen Schritten aufholen werden. Der Trend weg von Stand-Alone-Lösungen
hin zur Integration von technologischen Anwendungen jeglicher Art
und das nachhaltige Voranschreiten der Digitalisierung unterstützen
und forcieren diese Entwicklung.
Die Frage ist
und bleibt jedoch, mit welcher Geschwindigkeit diese Entwicklung
voranschreitet. Man darf gespannt sein!
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