Fachbeiträge
Qualität zahlt sich aus
von Leonhard Fromm
Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse nachhaltig optimieren sowie Produkte und Dienstleistungen qualitativ verbessern – ohne dabei die materiellen, finanziellen und zeitlichen Kapazitäten aus dem Blick zu verlieren. Das sind die Ziele des Qualitätsmanagements. Wer sich dieser Herausforderung annimmt, wird mit zufriedeneren Kunden und motivierteren Mitarbeitern belohnt. Kontinuierlicher Erfahrungsaustausch und offene Kommunikationsstrukturen helfen, diesen Prozess erfolgreich umzusetzen.
Von Leonhard Fromm
Inhaltsübersicht:
- Qualitätsmanagement als Wettbewerbsfaktor
- Qualitätskultur leben
- Regressrisiken minimieren
- Erfolg in Zahlen
Wie ein Arzt durchleuchtet Markus Köhler den schwäbischen Mittelständler Carl Stahl. Statt Röntgenbildern hantiert der Qualitätsbeauftragte des Seil- und Hebetechnikspezialisten jedoch mit hoch komplexen Schaubildern. Wie kein Zweiter im Unternehmen hat er Kennziffern im Kopf und kennt die Schwachstellen. Sein Sparringspartner im Unternehmen ist Andreas Urbez. Der Betriebswirt verantwortet in der fünfköpfigen Geschäftsleitung die Querschnittsaufgabe Qualität und bringt sie mit den kaufmännischen Aspekten von Kosten und bürokratischem Aufwand zusammen. „Qualitätsmanagement ist eine philosophische Aufgabe, weil sie nie endet,“ sagt Urbez.
Qualitätsmanagement als Wettbewerbsfakto
Tatsächlich orientiert sich das Qualitätsmanagement-System an konkreten Realitäten: Kundenaudits, Berufsgenossenschaft, Bauaufsicht, Versicherungen gegen Rückruf und Produkthaftung, firmeninternes Controlling oder die ISO 9000 erfordern die Erhebung tausender Kennziffern und Messzahlen. Allein für die 60.000 Artikel im Carl-Stahl-Sortiment gibt es etwa 2.250 Prüfkriterien, bei denen gemessen, gewogen und gezählt wird.
Mitte der 80er-Jahre, als das Unternehmen im Zuge der Branchenbündelung und Globalisierung jährlich um 20 Prozent wuchs, gewann die Frage der Qualitätsüberwachung an Bedeutung. Einerseits brauchte das Unternehmen Standards, um sein Markenprofil mit wachsender Größe und Dezentralität nicht zu verwässern; andererseits forderte dies der Markt, weil die Feinseile der Carl Stahl GmbH zunehmend in Konzernstrukturen zum Einsatz kamen, die von der Automobil- bis zur Medizintechnik hohe Lieferantensicherheiten erwarteten. In dieser Zeit schuf das Unternehmen die Stabsstelle eines Qualitätsmanagementbeauftragten, der die Organisationsprozesse soweit normierte, dass der Seil- und Hebetechnikspezialist im Juli 1996 die erste ISO-Zertifizierung erhielt. Diese war wichtig, um als einer der Marktführer weiter im Geschäft zu bleiben. Denn die elektrohydraulischen Lastaufnahmemittel und sensorgestützten Coilgreifer sind in Baukränen, Umschlagshallen, Fabriken und Häfen im Einsatz.
Heute umfasst das Unternehmen weltweit 25 Mitarbeiter, die ganz oder teilweise mit dem Qualitätsmanagement befasst sind. Seit 2005 ist die Carl Stahl GmbH auch ISO 14000-zertifiziert. Zusammen mit der Ressourcenthematik macht der Ãœberwachungsbereich nun drei Prozent der Personalquote aus. „Die Zertifikate zu haben, ist das eine. Diese Qualitätskultur zu leben, das andere“, sagt Geschäftsführer Urbez, der sich monatlich mit seinem beauftragten Köhler für drei Stunden bespricht. Hinzu kommen unzählige Mails, kurzer Austausch auf dem Flur oder im Büro sowie das Gespräch über die Jahreszielplanung.
Die Begehrlichkeiten von Köhlers Qualtitätsmanagement-Abteilung nach weiteren Mitarbeiterschulungen, Prüfgeräten oder Kennziffernerhebungen ist groß. Schließlich hat er vorrangig die Qualitätsverbesserung und die Absicherung gegenüber Gesetzgeber, Lieferanten und Kunden im Blick. Die Geschäftsleitung wiederum muss Kosten und Aufwand sehen, sowie die Geschwindigkeit der Prozessabläufe. „Das sind sehr fruchtbare Diskurse, die wir hier intern führen“, sagen alle Beteiligten. Denn zur Kundenorientierung gehören neben der Qualität kurze Reaktionszeiten von der Angebotsabgabe bis zur Lieferung sowie wettbewerbsfähige Preise.
Als Folge solcher Diskussionen führt die Carl Stahl GmbH aktuell die chargenreine Lagerhaltung ein, die es ab Mitte 2007 ermöglicht, zum Beispiel alle verbauten Teile eines feinseilgesteuerten minimalinvasiven Operationsinstruments zurückzuverfolgen. Dies erhöht zwar an allen Schnittstellen den Aufwand, mindert aber die Risiken des Unternehmens gegen Regressansprüche. Neben einer aufwändigen EDV und veränderten Prozessabläufen müssen vor allem die Mitarbeiter verlässlich in das System eingebunden werden.
Urbez sieht die Entwicklung differenziert: „Alle Qualitätsmanagement-Systeme, die die Prozesse vermeintlich schlanker, schneller und transparenter machen, erzeugen Gegensysteme, die diese Vorteile neutralisieren.“ Ähnlich verhalte es sich bei Produktinnovationen.
Anwendungsspezifische Vorteile etwa in Design oder Ästhetik, die charakteristisch für Qualität sein können, scheiterten immer häufiger am Diktat des Standards und vermeintlicher Sicherheit. Denn absolute Sicherheit sei eine Utopie, nimmt der Carl Stahl-Geschäftsführer beim Thema Qualitätsmanagement seine philosophische Betrachtung wieder auf. Er sieht zwar druchaus die Berechtigung der Norm und setzt sich in der Geschäftsleitung für Standards ein. Aber er kennt auch unternehmensinterne Bespiele, in denen im Fall von Regressansprüchen plötzlich die aufwändigsten Kontrollverfahren in Zweifel gezogen werden.
Für Urbez steht deshalb fest, dass das Thema Qualitätsmanagement in die richtige Richtung führt, es aber weiterer Koordinaten bedarf. Wichtig seien deshalb kundenorientierte und erfahrene Mitarbeiter, die über quantifizierbare Messmethoden hinaus erfassen, ob eine Komponente den Kundenerwartungen entspricht. Auch die verzögerungsfreie Kommunikation aller Firmenteile sei für Qualität unverzichtbar, damit der Außendienst nur das verspricht, was Entwicklung und Produktion wirklich halten können. Mit vielen Kunden werden deshalb spezifische Qualitätsvereinbarungen getroffen, die etwa deren Qualitätskriterien, Dokumentation oder Produktkennzeichnung festschreiben.
Dass das Qualitätsmanagement mit seiner systematischen Kennziffernermittlung auf das Unternehmen ähnlich wirkt, wie der Trainingsplan auf einen Leistungssportler, belegen Köhlers Rapporte, die an medizinische Bulletins erinnern: So sanken die Nachbearbeitungs- und Ausschusskosten von 2003 bis 2005 von 0,59 auf 0,11 Prozent des Umsatzes. Erzielt wurde dieser Erfolg durch ein erhöhtes Engagement in der Arbeitsvorbereitung. Die Kundenreklamationen im Verhältnis zu den Aufträgen gingen von 0,8 auf 0,3 Prozent um nahezu zwei Drittel zurück. Der Krankenstand, der etwas über Arbeitsplatzgestaltung und Mitarbeiterzufriedenheit aussagt, sank von 5,26 auf 4,24 Prozent, wobei der Wert bei den Angestellten mit 1,68 Prozent seit Jahren stabil ist. Und die Umsetzungsquote der Verbesserungsvorschläge liegt aktuell bei 25 Prozent. Tendenz steigend.
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