Fachbeiträge

Ausgabe 12 / /2003
Fachbeitrag Weiterbildung

Elektronisches Lernen erreicht den Mittelstand

von Leonhard Fromm

Der Bedarf an Informationen über E-Learning ist groß. Denn in fast allen Betrieben ist den Verantwortlichen bewusst, dass es kaum Alternativen gibt, um mit der rasanten Entwicklung an Wissenszuwachs, Know-how-Transfer und gesetzlichen Änderungen von der Spesenabrechnung bis zum Insolvenzrecht Schritt zu halten. Andererseits wollen die Unternehmen möglichst ressourcenschonend optimale Ergebnisse erzielen. Experten erwarten deshalb, dass sich spätestens in fünf Jahren die Methode des virtuellen Lernens auch im Mittelstand etabliert haben wird.

Inhaltsübersicht:

 

Der Bedarf an Informationen über E-Learning ist enorm. Denn in fast allen Betrieben ist den Verantwortlichen bewusst, dass es kaum Alternativen gibt, um mit der rasanten Entwicklung an Wissenszuwachs, Know-how-Transfer und gesetzlichen Änderungen von der Spesenabrechnung bis zum Insolvenzrecht Schritt zu halten. Andererseits wollen die Unternehmen möglichst ressourcenschonend optimale Ergebnisse erzielen. Vor diesem Hintergrund erwartet Detlef Carstensen, Projektleiter Neue Medien im IHK-Bildungshaus Grunbach der IHK Region Stuttgart, dass spätestens in fünf Jahren die Methode des virtuellen Lernens sich auch im Mittelstand etabliert haben wird.

 

Angst vor dem Neuen verhindert E-Learning

 

"E-Learning ist ein Indiz für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens," sagt der Bildungsexperte, der allein in seinem Bereich binnen eines Jahres die Zahl der E-Learning-Produkte auf Grund der Nachfrage verdoppelt hat.

Weniger die Kosten, denn die Angst vor dem Neuen hat Carstensen als Verhinderer von E-Learning im Mittelstand ausgemacht. "E-Learning ist eine Kulturtechnik, welche die jahrzehntelange Lernsozialisation der Fremdbestimmung und des Drucks von oben über den Haufen wirft", erklärt der IHK-Mann. Hinzu kämen technische Probleme der Kompatibilität unterschiedlicher Systeme, die aber mit Bereinigung des Markts abnähmen.

"Wir sitzen mit unseren härtesten Konkurrenten in Arbeitskreisen, um einheitliche Standards zu erzielen", beschreibt Walter B. Kunz, NETg-Geschäftsführer Central Europe die Situation. Er organisiert den regelmäßigen Erfahrungsaustausch von Bildungsexperten großer Unternehmen in mehreren Großstädten. Dabei stehen bewusst praxisbezogene Anwenderbeispiele statt hauseigener Produktpräsentationen im Vordergrund.

Ihm und seinen Kollegen ist klar, dass Brüche an diesen technischen Schnittstellen mit zu den größten Wachstumshindernissen seiner Branche gehören. Denn insbesondere im produzierenden Mittelstand zeichnet sich eine Dreiteilung des Marktes ab: Standardinhalte für Verwaltung oder Fremdsprachen werden Verbände und Kammern auf eigenen Plattformen als Dienstleistung für ihre Mitglieder und zahlende Kunden anbieten. Daneben werden sich Branchenplattformen etablieren, wie es beispielsweise Festo Didactic in den Bereichen Pneumatik und Mechatronik bereits praktiziert. Und schließlich sind da die Hersteller, die ihre Lieferanten und Kunden auch im Bereich E-Learning in ihre Prozesskette einbinden, um Wissen und Informationen auszutauschen.

 

E-Learning ist Chefsache

 

Vor diesem Hintergrund ist für die Mittelständler wichtig, welche Erfahrungen die Konzerne mit dem digitalen Lernen gesammelt haben, um möglichst wenige Fehler selbst machen zu müssen. Dabei zieht sich durch alle Erfahrungsberichte, dass erfolgreiches E-Learning Chefsache ist, das als strategisches Ziel von ganz oben unterstützt und gefördert werden muss. "Solange Lernen nicht denselben Stellenwert genießt wie klassisches Arbeiten, hat E-Learning ein großes Problem", weiß Roswitha Gemeinder von DaimlerChrysler. Denn im Tagesstress werde zum Beispiel eine Sekretärin, die gerade das Erstellen von PowerPoint-Präsentationen üben will, immer der aktuellen Arbeit den Vorzug geben.

Deshalb fordern Bildungsexperten, im Dialog mit den Vorgesetzten klare betriebliche Absprachen zu treffen, wann, wer, wo, was lernen kann, damit Weiterbildung via E-Learning nicht zwangsläufig in die Freizeit der Mitarbeiter verlagert wird und damit zu einer weiteren Leistungsverdichtung führt. Andererseits gäben auch Präsenztrainings keine Garantie, dass Mitarbeiter liegengebliebene Arbeit nicht nachholen müssten.

Vor diesem Hintergrund wirbt BMW-Mann Michael Albrecht sogar für E-Learning als der oft besseren Methode: "Jeweils 30 Prozent der Inhalte eines Präsenzseminars sind den Teilnehmern in der Regel bereits bekannt oder brauchen sie ohnehin nie, so dass ihre Effizienz bei gerade mal 40 Prozent liegt." Beim virtuellen Lernen könne man sich durch Weiterklicken auf notwendige Inhalte konzentrieren.

 

Trainer sind Teil der Weiterbildungsstrategie

 

Dass der Trainer und das technische Personal einen bedeutenden Anteil am Erfolg des E-Learnings haben, verdeutlicht Walter B. Kunz, der den Erfahrungsaustausch organisiert hat. "Der Trainer ist der natürliche Feind des virtuellen Lernens, weil er Angst um seine Präsenzseminare hat", bringt der Contentanbieter den Zwiespalt auf den Punkt. Weil der Trainer aber ein wichtiger Multiplikator in die Belegschaft hinein sei, gelte es umso mehr, ihn in die Weiterbildungsstrategie mit einzubeziehen und ihn für den Umgang mit E-Learning zu befähigen. Denn er werde nicht überflüssig, sondern könne sich auf höherwertige Aufgaben konzentrieren. Dasselbe gelte für den technischen Support, der die dienende Funktion habe, die Mitarbeiter mit der neuen Lernform vertraut zu machen. Lange Ladezeiten verspielter Inhalte, unverständliche Lernpfade oder instabile Verbindungen zu Browser und Surfer seien deshalb der Tod jeder Lernmotivation.

E-Learning muss längst auch fern der hausinternen IT-Abteilung oder des Tutors, der Mitarbeiter via Hotline und Mail immer wieder zum Lernen anhält, funktionieren. Das belegen viele Praxisbeispiele. Da befassen sich beispielsweise Monteure unterwegs zwischen zwei Terminen, am Abend im Hotelzimmer oder direkt auf der Baustelle mit der Fehlerquellenanalyse für die neueste Sensorik, die die Kollegen im Stammwerk neuerdings in die Maschinen einbauen. An solchen Schnittstellen vollzieht sich derzeit der Übergang des Themas E-Learning von den großen Unternehmen zum Mittelstand.

Die Bosch Siemens Hausgeräte GmbH, die bislang ihren Elektrogroßhändlern in mehrtägigen Präsenzseminaren neue Geräte vorgestellt hatte, geht hier zu CD-ROMs über, um technische Details zu erklären und zu vertiefen. Der Vorteil: Hersteller und Großhändler sparen Zeit und Kosten. Und technisch komplizierte Sachverhalte, die ein Einzelner vielleicht auf Anhieb nicht versteht, kann er zuhause dutzendfach wiederholen, wo er sich früher im Seminar nach der zweiten Nachfrage blamiert  hätte - oder aufgehört hat zu verstehen

Deshalb sind sich die Experten einig, dass die zweite E-Learning-Welle in den Konzernen zugleich die erste Welle für den Mittelstand bedeutet.

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