Fachbeiträge
Die Taktik der kleinen Fische
von Gabriele Vollmar
Co-Creative Commerce eröffnet speziell kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, andere Leistungen und Tätigkeiten auszulagern und in kollaborativen Clustern, virtuellen Firmen oder über elektronische Marktplätze zusammenzuarbeiten, in denen jeder seine Fähigkeiten einbringen kann. Was KMU hierbei von einer Formation kleiner Fische lernen können, erfahren Sie im Beitrag von Gabriele Vollmar.
Von Gabriele
Inhaltsübersicht:
- Gemeinsam sind wir stark!
- Das Internet der dritten Gneration
- Das grenzenlose Unternehmen
- Von Mensch zu Mensch
Es war einmal ein kleiner schwarzer Fisch.
Er war sehr traurig, denn er war der einzige schwarze Fisch in seinem
Schwarm und deshalb ein Außenseiter, mit dem keiner der anderen
kleinen Fische zu tun haben wollte. Doch eines Tages hatte er eine
Idee: Er überredete die anderen kleinen Fische dazu, in einer
Formation zu schwimmen, die einem großen Fisch ähnelte;
er selbst war das Auge dieses Riesenfisches. Seit dieser Zeit mussten
die kleinen Fische keine Angst mehr haben, von den großen
Fischen geschluckt zu werden, denn diese nahmen Reißaus, sobald
der Riesenfisch auch nur in ihre Nähe kam.
© Bowstreet |
Gemeinsam sind wir stark!
Mehr als 99% der insgesamt 18 Millionen Unternehmen in Europa zählen
zu den so genannten KMU, den kleinen und mittleren Unternehmen.
Diese beschäftigen 66% der arbeitenden Bevölkerung Europas
und erwirtschaften 55% des gesamteuropäischen Umsatzes [1].
Wie aber kann diese enorme Wirtschaftskraft mobilisiert werden?
Wie und wo können selbst in wirtschaftlich eher schwierigen
Zeiten neue Geschäftsmöglichkeiten geschaffen werden?
Und wie können die Kompetenzen, Erfahrungen und Fähigkeiten
dieser Unternehmen besser genutzt werden? Diese Fragen stellten
sich auch Dr. Charles Savage, KEE Inc., Prof. Dr. Arun Gairola,
Vcorp Intl., und Elisabeth Sundrum, eCultureTeam.com. Und ihre Antwort
lautet: Co-Creative Commerce. "Bereits heute sprechen wir verstärkt
nicht mehr von E-Commerce, um das neue post-industrielle Zeitalter
zu charakterisieren, sondern von C-Commerce, dem Collaborative Commerce",
erläutert Charles Savage. "Doch eigentlich sollten wir
noch weitergehen und von Co-Creative Commerce sprechen."
Savage, Gairola und Sundrum sehen in dieser neuen Wirtschafts-
und Arbeitsform enorme Vorteile gerade für die kleinen und
mittleren Betriebe. Denn die Technologie des Internets ermöglicht
es Unternehmen, sich tatsächlich auf einige Kernkompetenzen
zu konzentrieren, andere Leistungen und notwendige Tätigkeiten
auszulagern und in kollaborativen Clustern, virtuellen Unternehmen
oder über elektronische Marktplätze zusammenzuarbeiten,
in denen jeder seine Fähigkeiten einbringen kann und
zwar den aktuellen Marktgegebenheiten flexibel angepasst in immer
neuen Verbindungen. Das kann die Marktposition gerade von KMU enorm
stärken. In Norditalien, dem spanischen Baskenland oder in
der Gegend von Lund in Schweden hat man bereits gute Erfahrungen
mit der engen Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen
gemacht.
Das Internet der dritten Generation
Die Internet-Technologie hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt
und entwickelt sich ständig weiter: Das Internet der ersten
Generation hat vor allem via E-Mail oder TCP/IP Verbindungen zwischen
den einzelnen Nutzern hergestellt und damit den Mythos der ubiquitären
Erreichbarkeit geschaffen. Das Internet der zweiten Generation steht
gleichsam für die Präsentation von Inhalten dank HTML.
Dabei wurde diese Präsentation zunehmend dynamisch und mündete
schließlich in das mögliche Durchführen von Transaktionen,
den E-Commerce.
Doch sind die Grenzen im E-Commerce noch immer sehr viel enger
gezogen als wir glauben wie das Scheitern zahloser dot-com-Unternehmen
schmerzlich vor Augen geführt hat. Für Charles Savage
und seine Mitstreiter wird das Internet der dritten Generation,
basierend auf so genannten Web-Services und dem Standard XML (Extended
Markup Language), ermöglichen, dass Unternehmen auf einfache
Weise direkt interagieren. Diese direkte Verbindung zwischen den
Applikationen in den Unternehmen erlaubt dann tatsächlichen
Collaborative Commerce bis hin zu Co-Creation denn erst,
wenn Partner z.B. die Datenbank des anderen aktiv mitnutzen, ist
Co-Creativity effizient und einfach: "Erst A2A macht B2B möglich
und profitabel", ist Charles Savage überzeugt.
Technische Grundlage für A2A ist der Web-Standard XML für
die standardisierte Beschreibung strukturierter Inhalte. Dieser
erlaubt unterschiedlichen Applikationen in den Unternehmen, sich
zu sozusagen miteinander zu verständigen und somit die Unternehmensgrenzen
zu überwinden.
Das grenzenlose Unternehmen
"Im industriellen Zeitalter benötigten wir Webstühle,
Anlagen und Raffinerien, um Rohstoffe zu verarbeiten", erzählt
Arun Gairola. "Heute benötigen wir neue Arbeitsformen,
um Ideen zu raffinieren, zu kombinieren und auszuschöpfen."
Der wirtschaftliche Erfolg auf den Märkten der Zukunft werde
deshalb abhängen von den vier großen C:
- Connectivity
- Content
- Context und
- Co-Creativity
Es wird also verstärkt darum gehen, neue wirtschaftliche Möglichkeiten,
die vor allem in der Kombination von Talenten, Kompetenzen und Fähigkeiten
liegen, schnell zu erkennen. Grundvoraussetzung hierfür ist
eine Kultur der Offenheit und Kommunikativität. "Im industriellen
Zeitalter waren wir auf das Lösen von Problemen fokussiert",
sagt Charles Savage, "unser Horizont war deshalb gleichermaßen
die Vergangenheit. Heute und noch mehr in der Zukunft geht es aber
darum, Möglichkeiten zu erkennen. Das bedingt einen anderen,
zukunftsgerichteten Geist. Die Möglichkeiten des Web-Zeitalters
können nur genutzt werden, wenn wir unsere Unternehmenskultur
neu denken."
Für die Führungskräfte im C-Zeitalter bedeutet dies,
nicht die Routine, sondern die Nicht-Routine zu beherrschen, nicht
Anweisungen zu geben, sondern Fragen zu stellen und zu lernen. Reflexion
und Selbst-Reflexion werden sowohl für den Einzelnen als auch
für die Organisationen gegenüber der Aktion an Bedeutung
gewinnen.
Von Mensch zu Mensch
Doch trotz aller Möglichkeiten des Internets funktionieren
weder Collaborative noch Co-Creative Commerce automatisch nur via
Technologie. Vielleicht liegt in diesem Missverständnis auch
das Scheitern der in den E-Commerce gesetzten hohen Erwartungen
begründet? Für Arun Gairola sind die Zweideutigkeit der
menschlichen Sprache(n), die Tiefe menschlichen Gefühls, Werte,
Ahnungen und Intuitionen Teil der Geschäftstätigkeit.
Deshalb ist nach wie vor und vielleicht mehr denn je die direkte
Interaktion von Mensch zu Mensch gefordert: Unternehmen mögen
sich zwar über das Internet finden, das nötige Vertrauen
zur weitgehenden Zusammenarbeit bis hin zur Co-Creativity werden
sie aber nur im persönlichen Kontakt entwickeln.
"Die Technologie ist heute weiter als unsere soziale Kompetenz",
glaubt Charles Savage. "So lehren uns die Schulen weiterhin
das Denken in den Paradigmen des industriellen Zeitalters."
Das industrielle Zeitalter war geprägt durch Knappheit und
demzufolge Wettbewerb. Um zu überleben haben Unternehmen gelernt,
eher nach Schwächen als nach Stärken beim Konkurrenten
zu suchen. Im Sinne von Co-Creativity gilt es aber, die Stärken
anderer und damit verbundene Möglichkeiten zu erkennen, zumal
Wissen und gute Ideen keine Rohstoffe sind, die sich verbrauchen
und an denen deshalb prinzipiell Mangel herrschen kann.
Literatur
[1] Bericht der EU-Kommission "Creating an Entrepreneurial
Europe" vom 1.3.2001.
Projekt "SME Summitting" Um die Möglichkeiten von C-Commerce für KMU auszuloten und zu nutzen, planen Charles Savage, Arun Gairola und Elisabeth Sundrum die Durchführung eines Projekts im Rahmen des IST-Programms (Information Society Technologies) der Europäischen Kommission. Dabei sollen die Industrie- und Handelskammern bzw. vergleichbare Institutionen in sechs europäischen Ländern dahin geführt werden, ihren Mitgliedern die Möglichkeiten von Web-Services und Co-Creativity nahezubringen und diese in der Ausführung zu unterstützen. Weitere Informationen zum Projekt "SME Summitting" erhalten Sie direkt bei Dr. Charles Savage: charles_savage@csi.com. |
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