Fachbeiträge
Generationenwandel: Führungswechsel an der Spitze von Familienunternehmen
von Hubert Hölzl
Nichts greift so sehr in die inneren Strukturen eines Familienunternehmens ein, wie ein Wechsel an der Spitze. Er weckt in Führungskräften und Mitarbeitern ein Bündel starker Emotionen: Unsicherheit, Wehmut, Sorge aber auch Hoffnung und Aufbruchsstimmung. Gleichzeitig schreitet der Markt voran, vor allem Familienunternehmen bleibt kaum eine Atempause für den Unternehmensübergang, wollen sie weiter bestehen. Die gute Nachricht: Gekonnte Führung ist keine Frage der Gene. Führung ist erlernbar.
Inhaltsübersicht:
- Gute Führung kann man lernen
- Führungswechsel können die Leistungsfähigkeit belasten
- Nachfolger brauchen einen klaren Führungskompass
- Der Neue muss sich Respekt erst verdienen, um Einfluss zu bekommen
Steht ein Familienunternehmen vor dem Führungswechsel, fehlt es den Nachfolgern in der Regel nicht an fachlichem Wissen, Einsatz, Masterabschlüssen oder Managementwissen. Dennoch scheitern Führungswechsel, weil es den Nachfolgern nicht gelingt, (schnell genug) die scheinbar übergroßen Fußstapfen des Vorgängers als Führungspersönlichkeit auszufüllen.
Gute Führung kann man lernen
Kein Familienunternehmen kann sich heute angesichts dynamischer Märkte und einem erheblichen Veränderungsdruck schleppende Übergänge auf der ersten Führungsebene leisten. Ebenso wenig wie die verdeckten Kosten, die entstehen, wenn die Belegschaft verunsichert und irritiert auf die Neuen und ihren Führungsstil reagieren. Das lässt sich vermeiden, indem die Nachfolger besser auf ihre Rolle vorbereitet werden. Denn Nachfolger brauchen neben einer guten fachlichen Vorbereitung vor allem eines: Stehvermögen, eine reflektierende Führungspersönlichkeit und ausgeprägtes Führungswissen, um diesen Veränderungsprozess erfolgreich zu bewältigen.
Aber – und hier liegt ein Dilemma – dieser Wachstumsprozess zur reifen Führungspersönlichkeit braucht etwas, das knapp ist: nämlich Zeit. Dazu kommen Training und die Gelegenheit, aus Fehlern zu lernen. Was eröffnet einen Ausweg aus dieser Zwickmühle? Der Lernprozess sollte mit einem Senior Mentor oder der richtigen Praxisausbildung deutlich beschleunigt und abgesichert werden.
Führungswechsel können die Leistungsfähigkeit belasten
Ein Wechsel von Personen in herausragenden Führungspositionen hat eine enorme Tragweite für die Leistungsfähigkeit eines Familienunternehmens, er ist komplex und wird oft deutlich unterschätzt. Immerhin haben die Inhaber an der Spitze mit ihrem Führungs- und Entscheidungsstil ihr Unternehmen maßgeblich und meist langfristig geprägt. Sie waren stilbildend für die Kultur im Haus. Entscheidend dafür, wie viel Beteiligung, Information, Transparenz gewünscht und möglich war und welche Personen dem engen Kreis der Vertrauten angehören durften. Ihrem unermüdlichen Einsatz und Geschick ist es zu verdanken, dass das Familienunter-nehmen auf veränderte Marktbedingungen schnell und flexibel reagiert hat und dass loyale Mitarbeiter ihre Talente sowie ihr Leistungsvermögen umfassend einbrachten. Ohne sie würde das Unternehmen nicht so solide dastehen.
Jetzt kommt der Nachfolger mit eigenen Ideen und Vorstellungen von Führung, Kooperation und Entscheidungsfindung. Sein Handeln ist stärker geprägt von Netzwerken und Team-arbeit. Plötzlich treffen widersprüchliche Führungswerte und Einstellungen aufeinander. Wo der „Alte“ noch sagt, dem Teamleiter traue ich die Führung der F&-E-Abteilung nicht zu, weil dieser immer pünktlich heimgeht, antwortet die Tochter mit Work-Life-Balance. Bewährte Erfolgsrezepte der Führung werden in Frage gestellt oder greifen überhaupt nicht mehr.
Gerade hat der Unternehmer alter Schule in einer Besprechung dem Abteilungsleiter noch schroff vorgehalten, nicht genug im Detail zu sein, da widerspricht der Junior mit dem Hinweis, dass kompetente Führungskräfte sich nicht im Mikro-Management verlieren dürfen, sondern sich stärker um die strategische Ausrichtung zu kümmern haben. Wo der Alpha-Unternehmer Gehorsam gewöhnt ist, erwartet die Juniorin gerade Widerspruchsgeist, weil für sie das beste Argument zählt und nicht von wem es kommt.
Nachfolger brauchen einen klaren Führungskompass
Es treffen Welten aufeinander beim Führungswechsel. Dieser Übergang fordert nicht nur den Nachfolger, sondern auch die Mitarbeiter gehörig heraus. Sie müssen sich auf neue Erwartungen einstellen und sind darauf nicht trainiert. Wie der bisherige Chef tickt, wissen sie. Wann der beste Zeitpunkt ist, ihm oder ihr eine schlechte Botschaft oder einen Investitionsantrag vorzulegen, war klar. Wie Entscheidungen getroffen werden, vorhersehbar. Selbst die „verbale Kopfnuss“ bei Fehlern war absehbar.
Jetzt führt der Junior zeitgemäß und fragt nach statt zu belehren: Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen? Was ist Ihr Vorschlag? Wie werden Sie sich entscheiden? Er führt auf Augenhöhe und gleichzeitig moderne Managementmethoden ein. Bei in hierarchischen Strukturen geprägten Mitarbeitern, die bisher von vermeintlichen „Lichtgestalten“ geführt wurden, lösen diese Fragen und Taten nicht selten Panik aus. Der Nachfolger muss diese Anpassungsschwierigkeiten erkennen und den Lernprozess, der mit dem Führungswechsel einhergeht, moderieren und gestalten. Dies gelingt nur dem, der ein eigenes geklärtes Führungsselbstverständnis hat. Der entscheidungsfähig und geradlinig sein kann, weil er als Persönlichkeiten eine klare Führungshaltung entwickeln konnte, die ihm als Kompass in unübersichtlichen oder widersprüchlichen Situationen dient.
Der Neue muss sich Respekt erst verdienen, um Einfluss zu bekommen
Durch ihre Aufbauleistung und ihre Erfahrung haben die Inhaber viel Kredit bei ihren Mitarbeitern. Diesen Kredit müssen sich Nachfolger erst verdienen. Erst damit erwerben sie den Einfluss, den sie brauchen, um ihre Themen und Ideen voran zu bringen. Sie richten ab jetzt das Unternehmen zukunftsweisend aus. Ihre Kernaufgabe ist, veränderte Rahmenbedingungen in die Kultur, das Denken und Handeln der Belegschaft, die Strukturen und Technologien zu übersetzen. Der Wandel ist ihre wesentlichste Führungsaufgabe. Wandel ist in erster Linie People-Business und erst in zweiter Linie Management. Es sind auf allen Ebenen im Unternehmen die Menschen, die zählen. Sie entscheiden mit ihrer Loyalität und Veränderungsbereitschaft, ob aus Ideen und Konzepten tatsächlich neue Routinen werden.
Egal ob in der Montage, am Servicetelefon oder im mittleren Management: Familienunternehmer können Veränderungen nur mit und durch andere realisieren. Guten Führungskräften gelingt es, Menschen für Neuerungen außerhalb deren Komfortzone zu gewinnen, Widerstand zu erkennen und aufzulösen, Koalitionen zu bilden und so ihre Change-Agenda im Alltag zu verankern.
Nachfolger können für ihre jungen Jahre, fehlende Verdienste, Erfahrungen und Positionsmacht nichts. Fehlt es aber zusätzlich an persönlichem Standing, werden Stakeholder unruhig, weil sie das Wohl des Unternehmens gefährdet sehen. Und dies zurecht. Denn Mitarbeiter- und damit Unternehmensführung erfordert menschlich gereifte Führungspersönlichkeiten, die andere für ihre Ziele begeistern können. Sie braucht Führungskräfte, die als Brückenbauer über Integrationskraft verfügen, um mit anderen Entwicklungen anzustoßen und zu realisieren. Strategen, die aus einer unternehmerischen Perspektive Kurs halten und umsetzungsstark steuern. Sie machen den Unterschied aus und müssen in ihrer Entwicklung dorthin gefördert werden.
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