Fachbeiträge
VUCA-Welt: Wie lassen sich die Herausforderungen meistern?
von Judith Wegener, Jan Zöller
Die Anforderungen an Führungskräfte werden immer vielfältiger: Auf der einen Seite steigt der Bedarf an Methoden, sich zu organisieren und Entscheidungen zu treffen, exponentiell. Auf der anderen Seite wird die Halbwertzeit von Entscheidungen immer kürzer. Komplexe Rahmenbedingungen, die für militärische Planung schon immer galten.
Inhaltsübersicht:
- Was ist VUCA?
- Operational Art macht die VUCA-Welt beherrschbar
- Führungskräfte und ihre Herausforderungen
- Erst planen, dann handeln
- Die Visualisierung im Operationsplan
- Fazit
Was ist VUCA?
Viele Begriffe, die wir heute im Jargon der Führungswelt verwenden, kommen sogar aus dieser militärischen Wiege. So zum Beispiel VUCA als Akronym für die heutige Welt. Ursprünglich jedoch stammt der Begriff aus einer Lehrgangsarbeit des amerikanischen Army War College. Die Autoren untersuchten dabei zeitgenössische Ansätze der Managementlehre, um Strategien für die Planung von militärischen Operationen in einem Umfeld abzuleiten, welches sie beschreiben als „...fraught with volatility, uncertainty, complexity, and ambiguity (VUCA)“. Die durch das Akronym VUCA implizit formulierten Herausforderungen sind Themen, mit der sich auch Führungskräfte und Organisationen heute konfrontiert sehen.
Operational Art macht die VUCA-Welt beherrschbar
Die Disziplin der „Operational Art“ beschäftigt sich bereits seit 30 Jahren damit, Verfahren zu entwickeln, die geeignet sind, die VUCA-Welt für Führungskräfte handhabbar zu machen. Kern dessen: Wie gestalte ich Veränderung aktiv und zielgerichtet und nehme dabei die Menschen mit? Wie treffe ich die bestmöglichen Entscheidungen?
VUCA in einem militärischen Kontext meint dabei eine Weltordnung, in der sich Bedrohungen diffus unklar darstellen, in welcher Konflikte inhärent aber gleichzeitig schwer vorhersagbar sind. Eine Weltordnung, in der alles hinterfragt werden muss und alles einer dynamischen Instabilität oder Chaos unterliegt. Die innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Konflikte der heutigen Zeit verdeutlichen das Phänomen VUCA. Die Beschreibung dieser Weltordnung kommt auch der heutigen Situation etlicher Unternehmen gleich: unklarer Markt, unklare Weltordnung (z.B. Strafzölle), Wettbewerber, die man noch gar nicht kennt. Neue Produkte, die andere obsolet machen.
Führungskräfte und ihre Herausforderungen
Folglich können Militärstrategien auch als Antwort auf verzwickte Problemstellungen in Unternehmen helfen. Denn die Herausforderungen einer Führungskraft und eines militärischen Führers sind dieselben.
Sie müssen:
- Mit wenig Ressourcen, viel erreichen
- Planung für alle Beteiligten nachvollziehbar machen
- Hohe Komplexität handhabbar machen
- Den Gegenspieler im Wettbewerb angreifen
- Was macht den Militäransatz so besonders?
Warum dann gerade militärische Planungsverfahren Veränderungen in der VUCA-Welt in besonderem Maße unterstützten können? Hier die Top 3 der vielfältigen Gründe.
Militärische Planungsverfahren
- beschreiben generische Lösungsstrategien, die vielseitig einsetzbar sind. Sie wurden schon sehr früh für die Lösung hochkomplexer Problemstellungen verwendet, die eigentlich gar keinen militärischen Charakter aufweisen, so z.B. in Friedensmissionen. Bis heute werden Krisenregionen nach den Grundsätzen der militärischen Analyse bewertet und mit deren Tools angegangen. Die militärstrategische Disziplin „Operational Art“ schlägt eine Brücke zwischen der Vision des Entscheiders und der Operationsplanung der zuständigen Fachleute.
- müssen sich in der Praxis bewähren, um übernommen zu werden. Risiken werden in der Planungsphase gründlich analysiert und bewertet. Verfahren werden nur übernommen, wenn sie den Ansprüchen an die Umsetzbarkeit und Praktikabilität genügen.
- sind in Extremsituationen getestet: Bei militärischer Planung auf allen Ebenen geht es um essenzielle Entscheidungen, die oft die Gefährdung von Leib und Leben vieler Menschen berühren. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass militärische Planung regelmäßig in Extremsituationen evaluiert wird.
Methoden der Militärstrategie, die bei Angriff, Verteidigung oder Stabilisierung unterstützen, sind daher auch eine Quelle von Ideen und Prinzipien, um Überleben und Wachstum eines Unternehmens zu planen.
Erst planen, dann handeln
Wichtige erste Phasen militärischer Planungsarbeit sind die „Mission Analysis“ und das „Assessment“. Allzu verlockend ist es, auch in der Praxis vieler Unternehmen direkt in die Ziel- und Maßnahmendefinition zu gehen. Dabei macht man aus militärstrategischer Sicht den zweiten Schritt vor dem ersten, denn Ziele und Maßnahmen können nur dann passen, wenn die aktuelle Situation zunächst in der Tiefe verstanden wurde.
Diese ersten Phasen werden mit einer geistigen Haltung durchgeführt, die als „Critical Thinking“ bezeichnet wird. Dies bedeutet, die Annahmen zur Situation und den Rahmenbedingungen kritisch zu hinterfragen und ein von allen gemeinsam geteiltes Bild herzustellen, indem man die Realitäten aller Beteiligten abgleicht. Vermeintliche Wirkungszusammenhänge werden hinterfragt, um Wechselwirkungen zu verstehen. Typische Fragestellung aus einer Critical-Thinking-Haltung heraus sind:
- Was sind relevante Perspektiven auf das Problem?
- Welche Parameter gibt es? Wie sind die miteinander vernetzt?
- Was kann verändert werden, was braucht Stabilität?
- Welche Annahmen haben wir und von welchen können wir uns lösen?
- Was haben wir erkannt, was wir vorher nicht wussten?
Nun folgen die weiteren Phasen: Lines of Operation Development und Operational Approach, deren Ziel es ist, relevante Ebenen der Veränderung abzuleiten und mögliche Handlungsoptionen zu entwickeln. Hier ist alles erlaubt, was mit kreativen Ideen zur Zielerreichung beitragen kann. Daher wird in dieser Phasen eine geistige Haltung ergänzend eingenommen, die als „Creative Thinking“ bezeichnet wird.
Erfolgreich kann Creative Thinking dann sein, wenn man sich unterschiedlichster Herangehensweisen bedient hat: Intuition, Inspiration, Emotion, Improvisation. Hier ist der Blick in andere Disziplinen ebenso wie Trial & Error unbedingt erwünscht.
Die Visualisierung im Operationsplan
Der Operationsplan visualisiert die Ergebnisse aller durchschrittenen Phasen, um die Umsetzung vorzubereiten. Das Ziel hierbei:
- Critical und Creative Thinking zusammenzuführen
- die Umsetzung strategischer Überlegungen durch Operationalisierung
- alle Einflussfaktoren und deren Zusammenhänge zu erkennen
- eigene Fähigkeiten, Grundlagen und Schwachpunkte zu erkennen und zu reflektieren
- den Plan für Alle nachvollziehbar zu kommunizieren
Auf den Unternehmenskontext übertragen bedeutet die Entwicklung eines Operationsplans die Planung einer Veränderung unter Beantwortung der folgenden Fragen:
- Wie sieht das System aus, in dem wir uns bewegen?
- Was soll bzw. kann ich tun?
- Welches Problem unter welchen Rahmenbedingungen gilt es zu lösen?
- Was soll langfristig mit der Lösung des Problems erreicht werden?
- Was sind die relevanten Ebenen der Veränderung? Welche Ebenen müssen und sollten nicht verändert werden?
- Relevante Ebenen der Veränderung: Auf welchen Ebenen muss gearbeitet werden, um das strategische Ziel zu erreichen?
- Welche operativen Ziele auf den einzelnen Ebenen der Veränderung gibt es? Teilziele, Milestones, Zusammenhänge und Reihenfolge? Wie sieht der Plan B aus?
Beispiel eines fertigen Operationsplans
Den Abschluss bildet der kritische Blick auf den gesamten Operationsplan aus der Meta-Perspektive, um sicherzustellen, dass nichts fehlt, die Zielerreichung konsequent zu kontrollieren und bei veränderten Bedingungen nachzusteuern. (Rückkopplung und Antizipation)
Fazit
Wo klassische Managementtools heute an ihre Grenzen kommen, weil „Turbulenzen und Disruption (...)neue Formen von Arbeitsprozessen“ erfordern, lohnt aus unserer Sicht ein Blick auf Bewährtes aus fachfremden Disziplinen. Warum nicht auch auf die Militärstrategie? „Es wird schwerer, Arbeit auf die vertrauten Weisen zu koordinieren und dabei längerfristige Planungen und kalkulierbare Projektabläufe aufrechtzuerhalten. Flexibilität ungeahnten Ausmaßes wird erzwungen (...)“ (DBVC e.V. Positionspapier New Work).
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