Fachbeiträge
Qualitätsmanager wollen Wissensmanagement – doch die Umsetzung fällt den meisten schwer
von Christian Keller und Sven Kuhn
Zwischen Qualitäts- und Wissensmanagement besteht eine enge Wechselbeziehung, beide Disziplinen brauchen und unterstützen einander – das ist in der einschlägigen Fachliteratur immer wieder zu lesen. Aber werden die unterstellten Gemeinsamkeiten in der Unternehmenspraxis auch tatsächlich gesehen und umgesetzt? Um dies zu klären, hat das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der Technischen Universität Darmstadt eine Befragung von Qualitätsmanagern aus dem Maschinen- und Anlagenbau durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen: Es gibt noch einigen Handlungsbedarf.
Inhaltsübersicht:
- Welche Managementansätze werden verfolgt?
- Bedeutung des Qualitätsmanagements
- Bedeutung des Wissensmanagements
- Verzahnung von Qualität und Wissen
- Fazit
In der einschlägigen Fachliteratur wird immer wieder herausgestellt, dass zwischen Qualitäts- und Wissensmanagement ein enger Zusammenhang besteht [1, 2, 3]. Und es gibt auch Konzepte, wie das Wissensmanagement aufbauend auf ein bestehendes Qualitätsmanagement-System eingeführt, genutzt und ausgebaut werden kann [4]. Allerdings wurden die Wechselbeziehungen zwischen den beiden Managementansätzen bislang noch nicht daraufhin untersucht, ob die unterstellten Gemeinsamkeiten in der Praxis tatsächlich gesehen und umgesetzt werden. Fraglich ist auch, was die Qualitätsmanager unter Wissensmanagement verstehen und wie sie diesen Managementansatz im Unternehmensalltag nutzen können. Um diese Fragen zu klären, hat das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit der ck2 Beratung für Wissensmanagement, Bielefeld, im ersten Halbjahr 2004 eine empirische Untersuchung durchgeführt, deren wichtigsten Ergebnisse in diesem Artikel zusammengefasst sind.
Zielgruppe der Befragung waren Qualitätsmanager aus Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die der Branche des Maschinen- und Anlagenbaus angehören. Dabei wurden sowohl Vertreter aus kleinen und mittelständischen als auch von großen Unternehmen bzw. Konzernen angesprochen. Es wurden ausschließlich Qualitätsmanager befragt, die in ihren Unternehmen bereits ein zertifiziertes Qualitätsmanagement-System nach DIN ISO 9000 ff. eingeführt haben. Bei 181 versendeten Fragebögen konnte eine Rücklaufquote von ca. 16% erreicht werden. Damit können die Untersuchungsergebnisse zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Repräsentativität erheben; nichtsdestotrotz ist es möglich, einige wesentliche Tendenzen aufzuzeigen, wie und weshalb sich Qualitätsmanager aus Industrieunternehmen mit dem Thema Wissensmanagement auseinandersetzen.
Welche Managementansätze werden verfolgt?
Um einen Eindruck zu bekommen, wie verbreitet Wissensmanagement in den befragten Unternehmen ist, haben wir zunächst erhoben, welche Managementansätze die Unternehmen (neben dem Qualitätsmanagement) überhaupt verfolgen. Dabei hat sich herausgestellt, dass Wissensmanagement bei weitem noch nicht in dem Umfang eingesetzt wird, wie dies möglich und eigentlich auch notwendig wäre. Andere Managementansätze (wie Projekt-, Umweltschutz- und Risikomanagement) weisen eine wesentlich höhere Verbreitung auf. Dies lässt auf Hindernisse schließen, die einer stärkeren Nutzung von Wissensmanagement in Verbindung mit Qualitätsmanagement im Wege stehen.
Bestehende Managementansätze in den befragten Unternehmen
Überraschend ist, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen nicht daran denkt, in absehbarer Zeit weitere Managementsysteme einzuführen. Geht es jedoch darum, ein neues System zu implementieren, so zielen die Anstrengungen zuerst auf die Einführung von Umweltschutz-, dann auf Risiko- und schließlich auf Arbeitssicherheits- sowie Wissensmanagement ab. Dies lässt vermuten, dass aus Sicht der befragten Qualitätsmanager zahlreiche Schwierigkeiten bei der Einführung eines systematischen Wissensmanagements bestehen oder aber der Nutzen als eher gering bewertet wird. Dabei ist zu beobachten, dass kleine und mittelständische Unternehmen den Einsatz von Wissensmanagement stärker scheuen als dies bei großen Unternehmen der Fall ist.
Auf die Frage, ob die in den jeweiligen Unternehmen vorhandenen Managementansätze miteinander verzahnt sind, gaben 64% der Befragten an, dass dies zumindest weitgehend der Fall sei, bei 32% trifft dies teilweise zu und bei den restlichen 4% ist die Verzahnung nur gering ausgeprägt. Besonders interessant in diesem Zusammenhang: Von jenen Unternehmen, die bereits ein systematisches Wissensmanagement betreiben, bestätigten knapp 90%, dass die existierenden Managementsysteme hier eng miteinander verzahnt seien. Dies liefert einen ersten Hinweis, dass die Verknüpfung verschiedener Managementansätze – also auch von Qualitäts- und Wissensmanagement – für Industrieunternehmen von großem Nutzen sein kann.
Bedeutung des Qualitätsmanagements
Anschließend wurde erhoben, wie die Qualitätsmanager die Relevanz ihres eigenen Themengebiets einschätzen. Dies sollte zugleich eine Vergleichsgrundlage für die mit dem Wissensmanagement verbundene Bedeutung schaffen. Es hat sich gezeigt, dass knapp 90% der Befragten einem funktionierenden Qualitätsmanagement einen mindestens sehr hohen oder sogar einen allumfassenden Stellenwert für das gesamte Unternehmen zuschreiben. Den Aufwand zur Einführung beurteilt die große Mehrheit der Qualitätsmanager kurzfristig (d.h. im ersten Jahr) als hoch bis sehr hoch; auf mittel- und langfristige Sicht sinkt der mit der Pflege des Qualitätsmanagement-Systems verbundene Aufwand und wird tendenziell nur noch als mäßig bzw. mittel bewertet. Umgekehrt wird der Nutzen des Qualitätsmanagements kurzfristig eher als mäßig eingestuft, während er auf mittel- und langfristige Sicht als hoch bzw. sehr hoch bewertet wird.
Bedeutung von Qualitätsmanagement für das Unternehmen
Die etablierten Qualitätsmanagement-Systeme weisen trotz ihres – vor allem längerfristigen – Nutzens noch Verbesserungspotenziale bezüglich verschiedener Anforderungen auf. Besonders hohes Potenzial haben die Befragten bei der innerbetrieblichen Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Abteilungen sowie beim Aufbau eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ausgemacht. Das Kommunikationsproblem wird dadurch verschärft, dass oftmals keine Transparenz über die Geschäftsprozesse im Unternehmen besteht. Eng mit dieser Problematik verbunden ist eine mangelnde Koordination über die Schnittstellen verschiedener Funktionsbereiche hinweg. Eine weitere Schwachstelle ist das häufig fehlende Kundenwissen im Qualitätsmanagement. Darüber hinaus haben viele Mitarbeiter auch Wissenslücken, die das Qualitätsmanagement selbst betreffen.
Bei all diesen Problembereichen läge der Einsatz von Methoden des Wissensmanagements auf der Hand. Dabei stellen die angeführten Beispiele nur diejenigen dar, die den befragten Qualitätsmanagern die größten Schwierigkeiten bereiten; es gibt daneben auch noch weitere Aufgaben im Qualitätsmanagement, die sich mit Hilfe des Wissensmanagements besser bewältigen ließen. Orientierte sich das Wissensmanagement an diesen Anforderungen, so wären Qualitätsmanager eher bereit, sich mit Lösungen aus dem Wissensmanagement zu beschäftigen.
Bedeutung des Wissensmanagements
Immerhin 75% der Befragten gaben an, mit dem Begriff Wissensmanagement vertraut zu sein. Betrachtet man die Antworten jedoch näher, so stellt man fest, dass unter Wissensmanagement überwiegend das Verwalten von Daten und Informationen verstanden wird. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Begriff und den Zielen des Wissensmanagements ist bisher nur in Ausnahmen erfolgt. Dies lässt den Schluss zu, dass bei den Qualitätsmanagern ein lückenhaftes Verständnis von Wissensmanagement vorherrscht und sie deshalb die tatsächlichen Potenziale noch immer unterschätzen.
Verglichen mit den Einschätzungen, die für den Bereich Qualitätsmanagement abgegeben worden sind, fällt auf, dass die Bedeutung des Wissensmanagements nur geringfügig niedriger bewertet wird. Qualitätsmanager aus Unternehmen, die sowohl Qualitäts- als auch Wissensmanagement praktizieren, schätzen die Relevanz des Wissensmanagements dabei noch deutlich höher ein: Hier werden beide Managementansätze als gleichwertig eingestuft.
Bedeutung von Wissensmanagement für das Unternehmen
Welche Ziele verbinden die betreffenden Unternehmen nun mit der Einführung von Wissensmanagement? Auf diese Frage antwortete die Mehrheit der Befragten, es gehe darum, die Effizienz der Prozesse zu verbessern und das Potenzial der Mitarbeiter möglichst umfassend zu nutzen. Bei vielen Unternehmen soll das Wissensmanagement zudem dazu beitragen, neue Produkte zu entwickeln und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Ein hoher Stellenwert wird weiterhin einer Optimierung der Projektarbeit beigemessen.
Auch hier haben wir die Qualitätsmanager wiederum nach dem kurz-, mittel- und längerfristigen Aufwand sowie dem erwarteten Nutzen befragt. Erstaunlicherweise hat sich herausgestellt, dass sie den kurz- und mittelfristigen Nutzen des Wissensmanagements als gleich hoch wie den des Qualitätsmanagements bewerten. Beim langfristig erzielbaren Nutzen erreicht das Wissensmanagement sogar die höheren Werte. Bezüglich des Aufwands ist festzuhalten, dass dieser in der kurzfristigen Phase der Einführung als etwas höher angesehen wird, sich die Werte in der mittel- und längerfristigen Perspektive aber denen des Qualitätsmanagements annähern.
Als besonders verbesserungswürdige Bereiche des Wissensmanagements gaben die Befragten eine gezielte Personalentwicklung, die Vernetzung von Experten, den internen Wissensaustausch sowie das Dokumentieren wesentlicher Erkenntnisse an. Als weiterer Punkt wurde die Integration von Kundenwissen genannt. Hier zeigen sich also einige Überschneidungen mit den im Qualitätsmanagement aufgetretenen Problembereichen. Jene Unternehmen, in denen ein systematisches Wissensmanagement bereits etabliert ist, schneiden dabei wesentlich besser ab und müssen tendenziell nur in wenigen Punkten leichte Verbesserungen vornehmen.
Weiterhin haben wir nach den von den Qualitätsmanagern eingesetzten Methoden des Wissensmanagements gefragt bzw. nach den Methoden, die sie in nächster Zeit einführen möchten. Die häufigsten Antworten lauteten:
- kontinuierliche Verbesserung
- Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA)
- Balanced Scorecard
- Qualitätszirkel
- Benchmarking
- Customer Relationship Management (CRM)
- Quality Funtion Deployment (QFD)
Auffällig ist, dass hier einige Qualitätsmanager Methoden wie FMEA, QFD und Qualitätszirkel genannt haben, die gemeinhin eher dem Qualitäts- und nicht dem Wissensmanagement zugerechnet werden. Diese Qualitätsmanager haben das Potenzial erkannt, das in den einzelnen Methoden liegt. Sie nutzen bereits im Qualitätsmanagement implementierte Methoden, um Prozesse in Grundzügen unter Wissensgesichtspunkten zu optimieren. Methoden, die allgemein als Schlüsselmethoden für das Wissensmanagement angesehen werden, wie z.B. Wissenslandkarten, Skill Management, Lessons Learned, wurden dagegen deutlich seltener genannt.
Der hohe Nutzen, der dem Wissensmanagement zugeschrieben wird, und die eher geringe Anzahl eingesetzter Methoden legen die Vermutung nahe, dass die befragten Unternehmen für die nahe Zukunft den Einsatz weiterer Wissensmanagement-Tools planen. Doch die Untersuchungsergebnisse können dies nicht bestätigen: Nur ca. ein Drittel der Unternehmen denkt aktuell über die Einführung neuer Methoden nach. Eine Tendenz zu bestimmten Tools kann dabei nicht ausgemacht werden. Stattdessen hat sich gezeigt, dass die Qualitätsmanager vor allem aus dem Qualitätsmanagement bekannte Methoden einsetzen und erweitern. In diesem Sinne kann hier von einem ganzheitlichen Wissensmanagement nicht die Rede sein und es besteht jenseits der Verbesserung bestehender Methoden noch großer Handlungsbedarf.
Verzahnung von Qualität und Wissen
Die Antworten auf die Fragen, welche Bedeutung das Wissensmanagement für ein funktionierendes Qualitätsmanagement hat und umgekehrt, sind sehr ähnlich ausgefallen. Dabei haben die Befragten beiden Managementansätzen mit überwiegender Mehrheit eine hohe bzw. sehr hohe Bedeutung für die jeweils andere Disziplin zugesprochen. Somit bestätigen die Untersuchungsergebnisse den in der einschlägigen Fachliteratur unterstellten Zusammenhang.
Gefragt nach dem für ein gutes Qualitätsmanagement erforderlichen Wissen, wurde besonders häufig das Wissen über und von Kunden genannt, gefolgt vom Wissen über Fehler, deren Quellen und Möglichkeiten zur Behebung sowie vom Wissen über Wettbewerber. Weiterhin angeführt wurde das Wissen über interne Prozesse und die Fähigkeiten der Mitarbeiter. Stellt man diese Aussagen den in den Unternehmen tatsächlich eingesetzten Methoden gegenüber, so zeigt sich, dass hier zum Teil noch große Lücken bzw. Verbesserungspotenziale bestehen.
Die Auswirkung von Wissensproblemen auf die Qualität der Produkte und Prozesse wird mehrheitlich als stark, teilweise sogar als sehr stark beschrieben. Dies unterstreicht die Bedeutung des bewussten Einsatzes von dem Wissensmanagement nahe stehenden Methoden für das Qualitätsmanagement. Jene Unternehmen, die schon über ein Wissensmanagement-System verfügen, sehen hier einen noch stärkeren Zusammenhang.
Eine Lösung besteht darin, Qualitäts- und Wissensmanagement in einem integrierten Managementsystem zu vereinigen. Diese Chance nehmen auch einige der befragten Unternehmen bereits wahr und berichten dabei durchweg von positiven Erfahrungen. Eine grundlegende Anforderung bei der Integration ist allerdings, eine individuell angepasste Lösung zu finden; nur so können sich die beiden Managementansätze ideal ergänzen.
Fazit
Die Bedeutung des Wissensmanagements für ein funktionierendes Qualitätsmanagement und vice versa wird von Qualitätsmanagern aus Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus als hoch bis sehr hoch eingestuft. Handlungsbedarf besteht insbesondere in einer an den Unternehmensalltag angepassten Verknüpfung der beiden Managementansätze. Methoden, die die Qualitätsmanager aus ihrem Bereich schon kennen, bieten sich hier als Einstiegspunkte an. Darüber hinausgehende Konzepte müssen an den besonderen Anforderungen des Qualitätsmanagements ansetzen und dementsprechend weiterentwickelt werden. Eine unternehmensspezifische Anpassung ist hier unerlässlich. Mit einer solchen zielgerichteten Kombination von Wissens- und Qualitätsmanagement ließe sich in Zukunft eine wesentlich verbesserte Produktivität des Unternehmens erzielen.
Literatur
[1] Petkoff, B.: Was Wissensmanager von Qualitätsmanagern lernen können. In: wissensmanagement 5/2004.
[2] Vollmar, G.: Basislager Qualitätsmanagement – Mit Vorsprung zum Wissensgipfel. In: wissensmanagement 5/2004.
[3] Mittelmann, A.: Informations-, Qualitäts- und Wissensmanagement – Gemeinsamkeiten/Unterschiede. Vortrag auf der 17. STEV-Österreich-Fachtagung am 24. Mai 2002 in Wien.
[4] Keller, Chr./Kuhn, S.: Erfolg im Doppelpack – Qualitäts- und Wissensmanagement. In: MQ – Management und Qualität 9/2004.
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