Fachbeiträge
Systematischer Wissenssaustausch bringt Umsatzwachstum
von Leonhard Fromm
Bei der Carl Stahl GmbH in Süßen hat man begriffen, dass das wichtigste Kapital eines Unternehmens seine Mitarbeiter sind. Monatlich beantworten die Geschäftsführer der 40 Niederlassungen des Seil- und Hebespezialisten schriftlich, welche Erfolge sie in den vergangenen vier Wochen erzielt haben oder welche Neuentwicklungen aktuell passieren. Dank dieser systematisierten Kommunikationskultur verdoppelt das Unternehmen alle fünf Jahre seinen Umsatz.
Von Leonhard Fromm
Monatlich beantworten die Geschäftsführer der
40 Niederlassungen des Seil- und Hebespezialisten Carl Stahl schriftlich, welche
Erfolge sie in den vergangenen vier Wochen erzielt haben oder welche Neuentwicklungen
aktuell passieren. In der Firmenzentrale im schwäbischen Süßen
laufen die Fäden dieses systematischen Wissensaustauschs zusammen.
Bei der Carl Stahl GmbH in Süßen hat man begriffen, dass das wichtigste
Kapital eines Unternehmens seine Mitarbeiter sind. „Was meine Mitarbeiter
können und wissen, entscheidet über den Erfolg von morgen“,
sagt Firmenchef Willy Schwenger. Seit 1980 verdoppelt der Seil- und Hebespezialist
alle fünf Jahre seinen Umsatz auf zuletzt 130 Millionen Euro Jahresumsatz.
Die Folge: Mehr als 650 Mitarbeiter in weltweit 40 Niederlassungen arbeiten
für die einstige Seilerei.
Was damals per Zuruf und Aushang am schwarzen Brett im Betrieb funktionierte,
hat Seniorchef Willy Schwenger im Lauf der Jahrzehnte systematisiert. Jeweils
freitags gehen im Mutterhaus die E-Mails der 40 Niederlassungsleiter ein, in
denen diese auf deutsch oder englisch berichten, welche Projekte sie aktuell
bearbeiten, mit welchen Kunden sie verhandeln und welche Probleme und Erfolge
es gibt. Diese Informationen werden dann dienstags in der Geschäftsführung
besprochen und mögliche Hilfestellungen den Frontleuten angeboten.
Ein mehrseitiger Monatsbericht im Telegrammstil, der per E-Mail an alle Geschäftsführer
geht, fasst die Aktivitäten zusammen und bietet jeder Führungskraft
einen Überblick über die aktuellen Projekte und Problemstellungen
in der Zentrale. Halbjährliche Führungskräftekonferenzen und
eine Mitarbeiterzeitung ergänzen die virtuelle Kommunikation. Die Präsenzmeetings
finden seit kurzem auf Grund des rasanten Wachstums wahlweise auf Deutsch und
Englisch statt.
Die Autorität der Unternehmerpersönlichkeit Schwenger reicht, dass
sich alle Beteiligten in der Regel an die Fristen und Absprachen halten und
die aufbereiteten Informationen auch nutzen. Ein betriebswirtschaftliches Controlling
unterstützt die Kommunikationskultur, weil die Zusammenhänge von Wissen
und wirtschaftlichem Erfolg nachweisbar sind.
Dabei ist das Prinzip immer dasselbe: An irgendeiner Ecke des Unternehmens
wird eine Innovation erbracht, weil ein Mitarbeiter eine gute Idee oder ein
Kunde ein neuartiges Problem hatte. Ãœber die Umsetzung der Idee oder die
Lösung des Problems wird das Gesamtunternehmen informiert und andere, die
dazu etwas beitragen können, somit aktiviert. Ein Prämiensystem honoriert
diese Mitarbeit. Zudem können die Carl-Stahl-Vertriebsleute überall
auf der Welt ab diesem Bekanntwerden weitere potenzielle Kunden ausmachen, denen
diese Innovation helfen könnte.
Die Firmengeschichte ist gepflastert mit solchen Beispielen: 1998 wurden erstmals
Carl-Stahl-Seile zur Abspannung eines Hubschrauberlandeplatzes auf einem 7-Sterne-Hotel
in Dubai verwendet. Die Experten streuten die Information in der internationalen
Architektenszene – und verkauften die Lösung seither weltweit mehrfach.
Ähnlich erschloss sich der einstige Hanfseilhersteller die Zoobau-Branche.
Für Affen- und Wildkatzen-Gehege lieferte Carl Stahl in Köln erstmals
spezielle Seile. Der Lieferant schaute so genau hin, dass er bald darauf in
weiteren Zoos als Generalunternehmer auftreten konnte und damit seine Wertschöpfung
vervielfachte.
Auf diese Weise stieg das Unternehmen auch ins Schmuck-, Medizintechnik- und
Fahrradgeschäft ein. Überall, wo Seile heben oder ziehen, schauen
die Mitarbeiter mit viel Phantasie und Lösungskompetenz über den eigenen
Tellerrand und nutzen die eigenen Vertriebskanäle. „Es ist beeindruckend,
mit welcher Qualität die Firma in einen neuen Markt geht und in diesem
rasch zur Branchenspitze aufschließt“, lobt Thomas Musch, Chefredakteur
des Tour-Magazin. Das branchenführende Rennradfahrerheft hatte im Dezember
2003 die Bowdenzüge von einem Dutzend Hersteller getestet. Mit seinen Nokons,
die im Test einen vorderen Platz belegten, hatte Carl Stahl 1999 dieses Anwendungsfeld
für Schalt- und Bremszüge entdeckt. Die Verkaufszahlen für die
hochwertige Technik haben sich seither jährlich verdoppelt. Im Jahr 2003
wurden 100.000 Bowdenzüge verkauft.
Auch im klassischen Geschäftsbereich funktioniert das Prinzip. Hatte die
Hamburger Tochterfirma Nordgreif bislang elektrohydraulische Coilgreifer nur
einzeln an Stahlwerke in Skandinavien und Deutschland geliefert, hat sie im
Herbst 2003 den ersten Großauftrag bekommen, in Vietnam ein komplettes
Stahlwerk mit Greifern auszurüsten. Seniorchef Willy Schwenger ist deshalb
zuversichtlich, auch 2004 sein Wachstumsziel trotz schwierigem wirtschaftlichem
Umfeld zu erreichen.
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