Das Motto der diesjährigen BloomReach Connect „Let’s get personal“ trifft genau den Puls der Zeit: Personalisierung ist derzeit eines der brisantesten Themen der Digitalbranche. Mehr als 20 Redner beleuchteten den aktuellen Stand sowie die zukünftige Entwicklung von Digital Experience Plattformen und gewährten Einblicke in die Welt rund um Machine Learning und Co. Welche Keylearnings lassen sich daraus ableiten?
Die Erwartungen wachsen: Die guten digitalen Erfahrungen, die Kunden mit Unternehmen – egal, ob beruflich oder privat – machen, wünschen sie sich auch im geschäftlichen Umfeld. Dabei sind Bequemlichkeit und die Möglichkeit, relevante Informationen einfach und schnell zu finden, besonders wichtig. „Die Schlüssel zu Kundengewinnung und -bindung sind allerdings nicht der Preis oder das Produkt, sondern eine gelungene Experience“, erklärte BloomReach CEO Raj de Datta in seiner Eröffnungs-Keynote. Er warf außerdem die Frage auf, was überhaupt eine gelungene Experience ist. Eines steht fest: Statische Websites sind nicht mehr gefragt. Aufgrund der rasanten Geschwindigkeit in der Website-Entwicklung ist es für Unternehmen absolut notwendig, sich den aktuellen Trends anzupassen. Um Kunden langfristig zu binden, sollten sie die Customer Experience und die Personalisierung in den Fokus ihrer digitalen Aktivitäten rücken. Damit Unternehmen den Kunden genau kennenlernen und einschätzen können, benötigen sie eine intelligente Digital Experience Plattform, die die gesammelten Nutzer-Daten miteinander verknüpft. Das versetzt Unternehmen in die Lage, ihren Kunden in Echtzeit genau die Informationen anzuzeigen, die sie suchen. Dass Unternehmen die Relevanz von Big Data erkannt haben, zeigt sich daran, dass sich die Investitionen in Künstliche Intelligenz verdreifacht haben.
Brücken schlagen
Gartner Analyst Mike Lowndes erläuterte zu Beginn seines Vortrags die rasanten Entwicklungssprünge in der Website-Programmierung. Noch vor wenigen Jahren war die Website-Erstellung sehr mühselig: Es gab unterschiedliche Systeme zur Erstellung der Website, der mobilen Variante und einzelner Landing Pages, mit der Folge von Daten-Silos. Abhilfe schafften Content-Management-Systeme (CMS), die die Website-Erstellung und -Pflege für jedermann ermöglichen. Die neuste Entwicklung in diesem Bereich markieren Digital Experience Plattformen (DXP), auch als User Experience oder Customer Experience Plattform bekannt. Sowohl bei CMS als auch bei DXP ist der Site-Content in einer Datenbank von seiner Struktur (Template) separiert. Der Unterschied: Während CMS den Content in den Mittelpunkt rücken, stehen bei DXPs die Nutzer im Zentrum. Denn DX-Plattformen verfügen über einen Feedback-Loop: Auf Basis der User-Interaktionen können die Plattformen sofort reagieren und personalisierte Inhalte in Echtzeit zur Verfügung stellen. Lowndes stellte aber zudem fest, dass nicht etwa die Technologien die Herausforderung sind, sondern die Menschen: Sie zeigen sich gegenüber Neuem verschlossen und halten an ineffizienten Prozessen und veralteten IT-Infrastrukturen fest. Vor diesem Hintergrund besteht die technologische Herausforderung darin, Daten wechselseitig auszutauschen. Doch da Systeme wie CRM, PIM oder DAM oftmals keine Schnittstellen haben, ist genau das nicht möglich – mit der Folge von abweichenden Daten an verschiedenen Touchpoints. Damit ist eine durchgängige Customer Journey nicht gegeben, was wiederum in einer schlechten Customer Experience resultiert. Da Unternehmen ihre Bestandssysteme nicht einfach durch neue ersetzen können, schlägt die Stunde der Digital Experience Plattformen: Sie sorgen für die nötige Verbindung zwischen den siloartigen Systemen. DXPs sind radikal offen, wodurch sich sämtliche Daten miteinander verknüpfen lassen – zugunsten einer durchgängigen Customer Experience. Digital Experience Plattformen sind keine Einzellösungen, sondern ein komplexes Ökosystem. Gartner hat die zunehmende Bedeutung von DX-Plattformen erkannt: In Kürze erscheint der neue Magic Quadrant für DXPs.
Sind Mensch und Maschine Rivalen oder Kompagnons?
Thimon De Jong, Director bei Whetston, begann seinen Vortrag mit einem Beispiel aus der Praxis und verwies auf den digitalen Footprint von Menschen, den jeder hinterlässt. Sein Beispiel entstammt aus dem Personalwesen. Im Rahmen der Digitalisierung hat sich hier einiges getan: Standard-Bewerbungen mit Lebenslauf und Anschreiben sind ad acta gelegt, vielerorts sind stattdessen professionell aufbereitete Xing- oder LinkedIn-Profil gefragt. Gefällt dem Recruiter das Profil, hat der Bewerber zunächst ein telefonisches Interview zu absolvieren – allerdings nicht mit einem Personaler, sondern via Telefon mit einer Künstlichen Intelligenz (KI), die Reaktionen entschlüsselt. Ist der Bewerber nervös? Reagiert er auf die Fragen souverän und flexibel? Bei Unilever, so De Jong, haben sich HR-Prozesse durch KI um den Faktor vier beschleunigt. Während Menschen Fehler machen und Personen zumeist nach dem Bauchgefühl einstellen, entscheidet der Algorithmus zuverlässiger. Eines steht fest: Schon heute kennen uns Maschinen mindestens genauso gut wie Freunde oder die Familie, in einigen Jahren werden die Algorithmen sogar besser sein. Das mag auf den ersten Blick beängstigend wirken, doch laut De Jong ist dieser Weg genau richtig.
Verhalten weicht von Meinung ab
Für ihn gibt es allerdings ein „Attention-Behaviour-Gap“: Fast alle im Auditorium hoben die Hand, als er die Frage nach der Relevanz der eigenen Privatsphäre stellte. Doch wenn auf dem Smartphone eine Abfrage erscheint, ob eine App Daten sammeln darf, bestätigen diese Aufforderung viele, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Insbesondere im B2B-Umfeld kann sich dies für Unternehmen als äußerst nützlich erweisen, denn Geschäftskunden stellen ihre Daten gerne zur Verfügung, wollen aber nicht, dass Unternehmen diese weitergeben. Es ist also nicht nur eine Frage der Privatsphäre, sondern die Datensammelwut ist auch aus moralischer und ethischer Perspektive eine nähere Betrachtung wert. De Jong plädiert für die Etablierung einer KI-Ethics-Unit in Unternehmen, die sich mit der Frage beschäftigt, wie mit den gesammelten Daten umzugehen ist. Denn es ist eine Wandlung von „We know you“ zu „You know me“ zu beobachten – weshalb auch der moralisch korrekte Umgang mit Nutzer-Daten immens wichtig ist.
Smartphone wird zu digitalem Butler
Dass digitale Devices immer mehr Einzug in unser Leben halten, zeigen aktuelle Studien. Die Smartphone-Abstinenz ist mit einem Entzug von Kokain vergleichbar. Smartphones avancieren zu einem digitalen Butler, der zuhört und die Nutzer mit Informationen versorgt. Doch nichtsdestotrotz gibt es eine gewisse Skepsis gegenüber KI, denn obwohl Maschinen weniger Fehler machen als Menschen, mögen wir sie nicht. Das Problem liegt in der Schuldfrage: Bei einem vom Menschen verursachten Fehler ist sie klar zu beantworten, doch wer trägt die Schuld, wenn die Maschine einen Fehler macht? „Die Maschine muss vermenschlicht werden, um der algorithmischen Aversion entgegenzuwirken“, stellte De Jong fest. Als er am Abschluss seines Vortrags gefragt wird, ob Maschinen jemals die volle Intelligenz von Menschen erreichen können, bemerkte er „Maximal 90 Prozent davon.“ Sein Fazit lautete daher: „Die Menschheit ist sicher.“
Vertrauen schaffen
Doch wie ist es um die Sicherheit unserer Daten bestellt? Laut Tim Walters, Principal Strategist und Privacy Lead bei The Content Advisory, ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die im Mai 2018 in Kraft tritt, ein Geschenk der Zukunft und – wie es vielleicht viele Unternehmen sehen – keinesfalls eine Bürde. „Es handelt sich dabei um eine Revolution und keine Evolution“, erklärte Walters. Die Richtlinie beschreibt ganz detailliert, was zukünftig mit Daten geschehen darf: Im Zentrum steht, dass Nutzer die Kontrolle über ihre Daten behalten, was zur Folge hat, dass Unternehmen deren Zustimmung einholen müssen, bevor sie Daten speichern und weiterverwenden dürfen – und das bereits vor dem Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung. Alle EU-Bürger sind durch die DSGVO geschützt – allerdings nur, wenn sie sich in der EU aufhalten. Walters gab zu bedenken, dass Menschen ihre Daten nicht gerne teilen und deshalb überall und jederzeit die Kontrolle darüber behalten müssen. Die Richtlinie schreibt zusätzlich vor, dass bisher gesammelte Daten nur dann weiterverwendet werden dürfen, wenn sie DSGVO-konform gesammelt wurden. Im Rahmen der Digitalisierung ist eines daher besonders wichtig: Vertrauen. Doch wegen seiner Fragilität sollte die Notwendigkeit, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Nur diejenigen Unternehmen, die erkennen, dass das Individuum in den Fokus zu stellen ist, werden zukünftig erfolgreich sein. Walters stellte daher fest: „Es bedarf eines Permission-Marketings. Schaffen Sie Vertrauen, indem Sie vertrauenswürdig sind.“
Die Realität sieht etwas anders aus
In einigen Vorträgen und Podiumsdiskussionen konnten sich auch BloomReach-Kunden äußern. Es lässt sich konstatieren, dass sie den Hype um Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Co. zwar bemerken, die Umsetzung ist ihrer Meinung nach aber in vielen Unternehmen noch Zukunftsmusik. Um Strategien festzulegen, ist nach wie vor der Mensch erforderlich. Die Maschine hilft lediglich bei der Umsetzung. KI wird den Aufwand mindern und mehr Freiraum schaffen für kreative und strategische Aufgaben. Die aktuell größte Herausforderung besteht laut den BloomReach-Anwendern darin, den Kunden genau zu kennen und für ihn relevante Erfahrungen – etwa durch eine 1:1 Personalisierung – zu schaffen. Die niederländische Polizei etwa setzt auf direkte Bürgerkommunikation: Auf ihrer Website können die Bürger ihr Fahrrad als gestohlen melden oder erfahren, wo sich die nächste Polizeidienststelle befindet. 2.500 Nachbar-Twitter-Cops, 300 Facebook-Accounts, 100 Special-Team-Accounts sowie 61.000 Touchpoints bzw. Nachrichten pro Woche verdeutlichen, dass die Bürger den Service gut annehmen und gerne mit Polizisten über die Social Media in Kontakt treten. Andere Kunden bestätigten diese Entwicklung: Disney, Conrad Electronics und Weleda hielten fest, dass es absolut notwendig ist, den Kunden in den Fokus der Unternehmensstrategie zu stellen – mit einer durchgängigen Customer Journey und einer gelungenen Customer Experience. Nur so können sie Kunden langfristig binden und sich von der Konkurrenz positiv abheben.