In der deutschen Industrie ist die Durchdringung mit digitalen Technologien bereits weit fortgeschritten. Drei von vier Unternehmen des produzierenden Gewerbes (75 Prozent) setzen Cloud Computing ein, 39 Prozent vernetzen ihre Fertigung mit Industrie-4.0-Anwendungen und 30 Prozent analysieren große Datenmengen mit Big Data Analytics. Etwa jedes vierte Unternehmen (27 Prozent) verwendet 3D-Druck-Verfahren und jedes fünfte (18 Prozent) Robotik. Dagegen nutzen im Schnitt erst 5 Prozent Anwendungen mit künstlicher Intelligenz. Das hat eine repräsentative Umfrage von Bitkom Research im Auftrag des Software-Anbieters Autodesk ergeben, für die 505 Unternehmen des produ-zierenden Gewerbes ab 20 Mitarbeitern befragt wurden. „Die Digitalisierung der Industrie hat Fahrt aufgenommen“, sagte Dr. Axel Pols, Geschäftsführer von Bitkom Research, bei Vorstellung der Studienergebnisse. „Die Unternehmen nutzen digitale Technologien, um die Produktentwicklung zu beschleunigen, Fertigungsprozesse zu optimieren oder die Anpassungsfähigkeit ihrer Organisation zu erhöhen.“ So analysieren beispielsweise 19 Prozent der Unternehmen Maschinen- und Sensordaten, um einen Stillstand der Produktion zu vermeiden. Angetrieben werde die Entwicklung von großen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern. Hier setzen beispielsweise 72 Prozent Big Data Analytics ein, 67 Prozent Industrie-4.0-Anwendungen und 23 Prozent künstliche Intelligenz.
Karl Osti, Industry Manager bei Autodesk Deutschland: „Zentrale Bedeutung haben im produzierenden Gewerbe spezielle Software-Lösungen, mit denen Unternehmen Produkte entwickeln und Fertigungsprozesse steuern können.“ Laut Umfrage nutzen nahezu alle Unternehmen (92 Prozent) Software für Computer Aided Design (CAD), um neue Produkte zu konstruieren. 60 Prozent der Unternehmen setzen Computer Aided Planning (CAP) für die Produktionsplanung ein. Anwendungen für Computer Aided Manufacturing (CAM) verwenden 52 Prozent. CAM-Systeme unterstützen den Fertigungsprozess und setzen Konstruktionsdaten maschinengerecht um. Osti: „Mit CAP- und CAM-Technologien verkürzen Fertigungsbetriebe die Durchlaufzeiten von Aufträgen und wickeln kleine Losgrößen effizienter ab.“ Software für das Product Lifecylce Management (PLM) nutzen 41 Prozent der Unternehmen. PLM-Systeme ermöglichen es, Daten während des gesamten Lebenszyklus eines Produktes zu sammeln und auszuwerten. Jedes dritte Unternehmen nutzt ERP-Software (Enterprise Ressource Planning), mit der sie betriebliche Ressourcen wie Personal, Material, Transport- und Lagerkapazitäten sowie die erforderlichen Finanzmittel planen können.
Zu einem wichtigen Erfolgsfaktor in der Industrie hat sich angesichts von Digitalisierung und Globalisierung die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen entwickelt, die unter dem Stichwort Agilität diskutiert wird. „Agilität ist für Produktionsbetriebe wegen der hohen technologischen Dynamik das Gebot der Stunde“, betonte Osti. Laut Umfrage halten fast zwei von drei Unternehmen (64 Prozent) die Agilität ihrer Organisation für wichtig. Und drei von vier Unternehmen (74 Prozent) sagen, dass eine hohe Agilität in der Produktentwicklung wichtig ist. Bitkom Research hat im Auftrag von Autodesk daher einen Agilitätsindex entwickelt, der die Anpassungsfähigkeit der deutschen Industrie beschreibt. In den Index sind 13 Indikatoren aus den Kategorien Bedeutung/Strategie, Struktur, Prozesse, Führung und Unternehmenskultur eingeflossen. Mit 66 Punkten von maximal 100 erzielt die deutsche Industrie einen mittleren Indexwert. So geben 54 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Ablauforganisation für die Konstruktion und das Design von Produkten stark auf ihre Kunden ausgerichtet ist – ein wichtiges Merkmal agiler Strukturen. 52 Prozent setzen dabei auf cross-funktionale Teams, um frühzeitig unterschiedliche Kompetenzen einzubinden. Darüber hinaus arbeiten bereits 43 Prozent der Unternehmen überwiegend mit so genannten inkrementellen Methoden wie Scrum oder Kanban. Dagegen entwickelt ein Viertel (26 Prozent) noch hauptsächlich nach dem gängigen Wasserfallmodell und ein weiteres Viertel nutzt beide Methoden gleich stark. „Unternehmen können mit agilen Methoden den Entwicklungsprozess beschleunigen und ihren Kunden frühzeitig Lösungen präsentieren, die dann schrittweise verbessert werden“, sagte Osti. „Damit erfüllen sie die Bedürfnisse ihrer Kunden und vermeiden teure Fehlentwicklungen.“
Eine Clusteranalyse der Studienergebnisse hat ergeben, dass 42 Prozent der Befragten als „Vorreiter“ auf dem Weg zum agilen Unternehmen gelten können und 23 Prozent als „Nachzügler“. Ein Vergleich zeigt, dass die Agilitätsvorreiter innovationsfähiger sind, digitale Technologie intensiver nutzen und größeren Wert auf die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter legen. Die im produzierenden Gewerbe wichtigen Industrie-4.0-Anwendungen nutzen beispielweise 45 Prozent der Agilitätsvorreiter, aber nur 31 Prozent der Nachzügler. 32 Prozent der Vorreiter setzen 3D-Druck-Verfahren regelmäßig ein, um physische Prototypen zu erstellen. Unter den Nachzüglern sind es dagegen nur 11 Prozent. „Der Bau von Prototypen mit 3D-Druckverfahren beschleunigt die Produktentwicklung und verringert die Kosten“, sagte Osti. Mittel- bis langfristig könnte der 3D-Druck in bestimmten Bereichen die derzeit gängigen Produktionsverfahren ergänzen oder sogar vollständig ersetzen. Agile Unternehmen haben auch die Kompetenzen ihrer Beschäftigten stärker im Blick: 72 Prozent der Agilitätsvorreiter investieren gezielt in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, um sie fit für die digitale Arbeitswelt zu machen. Unter den Nachzüglern sind es dagegen nur 28 Prozent.
Die Ergebnisse der Studie zeigen einen engen Zusammenhang zwischen Agilität, Innovationsfähigkeit und dem Digitalisierungsgrad der befragten Unternehmen. „Eine hohe Agilität erreichen Unternehmen nicht auf Knopfdruck“, sagt Bitkom Research Geschäftsführer Pols. „Auf dem Weg zu einer agilen, anpassungsfähigen Organisation sollten Unternehmen schrittweise ihre Strukturen und Prozesse anpassen.“ Gleichzeitig müssten Mitarbeiter und Führungskräfte eine agile Denkweise verinnerlichen, bei der sie Veränderungen willkommen heißen und nicht als Bedrohung empfinden. Dafür erhalten sie mehr Verantwortung und bessere Qualifizierungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt tragen digitale Technologien in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen dazu bei, flexibler und schneller auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mitarbeitern, Kunden und externen Partnern reagieren zu können.