Den Unterschied zwischen dem Idealzustand eines Prozesses und seiner tatsächlichen Ausführung zu erkennen, wird zunehmend wichtiger für die Optimierung eines Unternehmens. Das Mittel der Wahl dafür ist Process Mining. Es ermöglicht anhand transaktionaler Daten, einzelne Prozesse unter die Lupe zu nehmen, Flaschenhälse und Compliance-Verstöße zu identifizieren und Optimierungspotenziale zu erkennen. In den letzten Jahren hat sich Process Mining rasant weiterentwickelt; inzwischen sind zahlreiche Software-Lösungen am Markt etabliert. Für die Umsetzung existiert zwar kein allgemeingültiges Erfolgsrezept, allerdings gibt es einige universelle Kriterien, die erfolgreiche Process-Mining-Initiativen auszeichnen. Dazu zählen insbesondere die folgenden vier Schritte: Bestimmung des Projektumfangs, Aufbereitung der Daten, gezielte Auswertung der Prozessdaten und Messung der Ergebnisse.
1. Schritt: Bestimmung des Projektumfangs
Eine erfolgreiche Process-Mining-Initiative steht und fällt mit einer durchdachten Planung. Erst auf dieser Basis kann ein Unternehmen alle weiteren Projektschritte umsetzen. Für diese initiale Phase eignen sich in der Regel Workshops mit den wichtigsten Projektbeteiligten. Im Rahmen dieser Workshops geht es um die inhaltliche Bestimmung des Projektumfangs.
Ausgehend vom Projektziel sind die Prozessdetails festzulegen; dabei geht es um die Definition aller einzelnen Schritte zwischen dem Anfang und dem Ende eines Prozesses, der analysiert werden soll. Zudem sind die Datenanforderungen zu bestimmen, das heißt, im Hinblick auf die definierten Prozessdetails müssen die relevanten Geschäftsdokumente bestimmt werden.
2. Schritt: Aufbereitung der Daten
Sobald ein Unternehmen den Umfang des Projektes definiert hat, kann es mit den technischen Vorbereitungen beginnen. Schritt 2 umfasst im Wesentlichen die Aufgaben Datenextraktion, Datenumwandlung und Datenübertragung zur Process-Mining-Software. Dabei haben sich zwei Verfahren für die Datenintegration bewährt: die Anbindung über einen Software-Konnektor oder die Nutzung von ETL-Tools, um die Daten zu extrahieren, umzuwandeln und in die Process-Mining-Applikation zu laden.
Bevor die Daten extrahiert werden, müssen die relevanten Daten zunächst identifiziert werden. Die erforderlichen Daten werden aus den Prozessen in Schritt 1 gewonnen. Allerdings basieren die wenigsten IT-Systeme auf Prozessen, sondern eher auf Geschäftsdokumenten: Einige Datenquellen enthalten zum Beispiel Verkaufsbestellungen und andere Rechnungen. Diese Datenquellen müssen näher identifiziert werden; dabei handelt es sich typischerweise um datenbasierte Tabellen transaktionaler Systeme wie ERP oder CRM, analytische Daten wie Reports, Log-Dateien und CSV-Dateien.
Nach der Extraktion werden die Daten in eine Kette unterschiedlicher Ereignisse übersetzt und in sogenannte Cases umgewandelt, also in eine Abfolge verschiedener Schritte bei der Prozessausführung. Die Informationen zu diesen Cases werden in den Event-Logs gespeichert, auf die die Process-Mining-Software zugreift. Dabei werden sämtliche Schritte von der Extraktion bis zur Datenumwandlung über die Konnektoren oder ETL gesteuert. Dieser Prozess wird regelmäßig ausgelöst, sodass ein Unternehmen auf hochaktuelle Prozessinformationen bei Bedarf jederzeit zugreifen kann.
3. Schritt: Gezielte Auswertung der Prozessdaten
Die nicht-technischen und technischen Vorbereitungen sind danach abgeschlossen und die Daten können durch Process Mining analysiert werden. Dabei sollte vergleichsweise weit oben im Prozessfluss begonnen werden, um dann nach und nach die verschiedenen Bestandteile des Prozesses zu analysieren. Wenn Prozessexperten die verschiedenen Prozessinformationen miteinander vergleichen, können sie erkennen, wie sie sich auf das Unternehmen auswirken. Es kann dabei durchaus erforderlich sein, dass ein Prozessexperte Verantwortliche verschiedener Abteilungen befragen muss, um bestimmte Informationen zu deuten. Dieser Schritt erleichtert es, den Fluss, die Metriken, die Flaschenhälse und das Optimierungspotenzial eines Prozesses besser zu verstehen.
4. Schritt: Messung der Ergebnisse
Im vierten Schritt werden mögliche Prozessverbesserungen evaluiert, getestet und dokumentiert. Die geplanten Änderungen werden im Team diskutiert und anschließend umgesetzt. Gleichzeitig werden kontinuierlich die Leistungskennzahlen der Prozesse gemessen und überwacht. Auf diese Weise werden Flaschenhälse und unerwünschte Prozessverhalten erkannt. Prinzipiell ist es auch sinnvoll, einige Wochen oder Monate nach den initialen Prozessverbesserungen neue Daten zu extrahieren: Auf dieser Basis erkennen Unternehmen, was sich verändert hat und welche Maßnahmen zu mehr Effizienz geführt haben. Ab jetzt gilt es, weitere Optimierungspotenziale zu identifizieren und spätere Verbesserungen im Prozesslebenszyklus zu initiieren.
Ein wesentlicher Punkt darf dabei nie vergessen werden: Eine Initiative zur Prozessverbesserung ist niemals wirklich abgeschlossen. Process Mining muss als iterative Methode verstanden werden, die Unternehmen Schritt für Schritt auf dem Weg zum Erfolg voranbringt.
"Idealerweise greifen Prozesse nahtlos ineinander, um die übergeordneten Unternehmensziele zu unterstützen. In der Praxis jedoch fragen sich Prozesseigner aber oft: Warum verlaufen meine Prozesse nicht wie sie sollten? Wie kann ich den umfangreichen Datenbestand meiner Prozesse auswerten? Wie kann ich Prozessverbesserungen im gesamten Unternehmen anstoßen? Process Mining bietet die Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten", erklärt Gerrit de Veer, Senior Vice President MEE beim Business-Transformation-Spezialist Signavio. "Und wenn ein Unternehmen die vorgestellten vier Schritte berücksichtigt, ist es auf dem besten Weg zu verstehen, wie die Zusammenarbeit im Unternehmen wirklich funktioniert und welche Verbesserungen vorgenommen werden sollten."