In der Entwicklung des technikgestützten Recruitings hat sich vieles getan: Heutzutage werden innovative Tools angeboten, die die bekannten Werkzeuge ergänzen beziehungsweise ablösen. Unternehmen und Bewerber können sich quasi „à la carte“ bedienen und die für sie interessantesten Instrumente und Kanäle heraus suchen, vom Robot Recruiting, WhatsApp, über Gamification bis hin zur Suchmaschinenoptimierung. Wo steht die Branche aktuell auf ihrem Weg? Das zeigt die aktuelle Studienreihe des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg, die in Zusammenarbeit mit der Karrierewebseite Monster erstellt wurde. Im Rahmen des Themenspecials „Techniksprung in der Rekrutierung“ gab jedes dritte Unternehmen (37,6 Prozent) und jeder dritte Stellensuchende (35,7 Prozent) an, dass der Einsatz moderner Kommunikationswege im Recruiting immer wichtiger wird. Die Studie untersucht die Nutzung der einzelnen Instrumente und Kanäle.
„Wir stehen an einem Wendepunkt im Recruiting“, ist sich Marc Irmisch-Petit, Vice President General Manager bei Monster, sicher. „So wie auch in anderen Sektoren die Zeichen auf Digitalisierung stehen, so werden auch im Personalbereich die Vorteile neuer Technologien erkannt. Jetzt geht es darum, die Recruiter aktiv bei der Einführung dieser neuen Möglichkeiten zu unterstützen, damit sie nicht den Anschluss verlieren: Mit Lösungen, die passen, und der richtigen Beratung.“ Für Studienleiter Prof. Dr. Tim Weitzel vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen, der Universität Bamberg ist klar: „Angesichts des Fachkräftemangels kommen die Unternehmen nicht mehr darum herum, sich mit neuen Kanälen und Kommunikationswegen zu beschäftigen. Die Generationen ab den sogenannten Millennials werden sie auf klassischen Wegen kaum noch erreichen.“
Technische Möglichkeiten
Das Themenspecial der Studie „Techniksprung in der Rekrutierung“ befragte Unternehmen und Stellensuchende zu ihrer Einschätzung und Nutzung von technischen Kanälen beziehungsweise Kommunikationswegen:
- Robot Recruiting: Ein nicht unumstrittenes Feld. Richtig aufgesetzt, kann ein Matching-Algorithmus beziehungsweise eine automatisierte Bewerberauswahl anhand klarer Vorgaben neutral eine gute Passung von Person und Stelle ermöglichen: Im besten Fall diskriminierungsfrei ohne Einflüsse durch Faktoren wie Geschlecht, Alter, Herkunft oder Religion. Die diskriminierungsfreie Rekrutierung gehört auch für 49 Prozent der befragten Unternehmen zu den klaren Vorteilen dieser Suchmöglichkeit. Positiv sehen sie darüber hinaus die Möglichkeit, die Rekrutierung schneller (56 Prozent), effizienter (50 Prozent) und genauer (47 Prozent) durchzuführen. Auch die Kandidaten sehen zu jeweils einem Drittel Vorteile bei der Gleichberechtigung und der Schnelligkeit. Große Unsicherheit bei dem verantwortungsvollen Umgang mit Daten: 46 Prozent der Unternehmen und rund 45 Prozent der Stellensuchenden glauben, dass es durch selbstlernende Algorithmen zu Datenmissbrauch kommen kann. Bei Unternehmen beispielsweise, indem sie zu viele interne Informationen preisgeben müssen. Dennoch sind 45 Prozent der Stellensuchenden bereit, ihr persönliches Online-Profil einem Matching-Algorithmus zu überlassen – 20 Prozent würden sogar gezielt Informationen veröffentlichen, um dadurch besser identifiziert zu werden. Eine Bereitschaft, die die Nutzung des Robot-Recruitings künftig vielleicht erhöht, denn bislang nutzen sie lediglich 2,4 Prozent der Top 1.000 Unternehmen. Bei der computergesteuerten Bewerberauswahl sind es 2 Prozent. Hier sind die Kandidaten vorne weg: Bereits 19,8 Prozent haben während der Jobsuche schon einmal einen selbstlernenden Matching-Algorithmus (z.B. als Handy-App) genutzt, um sich interessante Stellen vorschlagen zu lassen. Auch wurden 11,9 Prozent schon einmal von einem Matching-Algorithmus identifiziert und einem Unternehmen als Kandidat vorgeschlagen.
- Gamification: Spielend zum neuen Job? Bei den unter dem Begriff „Gamification“ bekannten Online-Spielen werden Anforderungen und Fähigkeiten spielerisch abgeglichen. Im Rahmen des Rekrutierungsprozesses soll den Kandidaten damit zum einen die Möglichkeit gegeben werden, vorab zu überprüfen, ob ihre Fähigkeiten den Anforderungen einer Stelle entsprechen (Self-Assessment). Zum anderen werden Online-Spiele von den Unternehmen dazu genutzt, die Fähigkeiten der Kandidaten zu testen, bevor sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden (E-Assessment). Aus Unternehmenssicht ist das für 30 Prozent eine gute Möglichkeit, um zu sehen, ob ein Kandidat für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist. 24 Prozent sind darüber hinaus der Meinung, dass sich dadurch der Aufwand für Bewerbungen reduzieren kann. Als nachteilig bewerten 68 Prozent der Unternehmen allerdings, dass es beim Self-Assessment durch Online-Spiele nicht sicher ist, ob der jeweilige Kandidat das Spiel tatsächlich selbst absolviert hat. Und tatsächlich gaben rund 7 Prozent der befragten Stellensuchenden an, schon einmal jemanden gebeten zu haben, ein Online-Spiel im Rahmen einer Stellensuche für ihn zu absolvieren. Insgesamt bieten weniger als 2,5 Prozent der Unternehmen solche Spiele auf ihrer Karriere-Webseite oder auf sozialen Netzwerkplattformen an. Ein wenig größer ist der Spieltrieb bei den Stellensuchenden: 12,9 Prozent haben ihre Eignung für eine offene Stelle schon einmal mittels eines Online-Spiels überprüft.
- Unternehmenseigene Social Networks: Ähnlich wie Facebook funktionieren sogenannte Enterprise Social Networks. Die internen Netzwerke bieten den Mitarbeitern eine Plattform, um sich auszutauschen. Wird diese Möglichkeit denn auch von den Unternehmen genutzt? Knapp 23 Prozent der 1.000 größten Unternehmen sagen ja – 13 Prozent denken immerhin darüber nach. Neben der internen Kommunikation nutzen die Hälfte (52,4 Prozent) dieser Unternehmen ihre bereits implementierten Social Networks auch für die Rekrutierung: Unter anderem werden hier interne Stellen ausgeschrieben und Mitarbeiterempfehlungen angefragt. Das bringt den Unternehmen selbstverständlich nur dann einen Mehrwert, wenn die Mitarbeiter die Netzwerkplattformen auch nutzen, das gaben jedoch nur drei von zehn der befragten Karriereinteressierten an – die Hälfte von ihnen (50,2 Prozent) hat hier aber schon einmal nach offenen Stellen gesucht. Die Nutzung unternehmensinterner Netzwerkplattformen für Rekrutierungszwecke wird von beiden Parteien – Unternehmen und Stellensuchenden – durchaus positiv bewertet und für sinnvoll erachtet. Als Grund nennt mehr als ein Drittel der Top 1.000 Unternehmen unter anderem die Erhöhung der Effektivität in der Rekrutierung. Auch 30 Prozent der befragten Stellensuchenden und Karriereinteressierten sieht in internen Netzwerkplattformen eine gute Chance, die neue Stelle zu finden. Dann ist es doch gut zu wissen, dass 19 Prozent der Unternehmen, die ein solches System bereits verwenden, dieses in Zukunft auch im Recruiting nutzen möchten.
- WhatsApp & Co.: Per Direktnachricht zum neuen Mitarbeiter? Für Generation Y und Z sind Anwendungen wie Facebook, Twitter und WhatsApp alltägliche Kommunikationsplattformen – hier werden Nachrichten geschrieben, Links geteilt und Fotos ausgetauscht. Lassen sich diese Instant-Messaging-Dienste auch für die Ansprache von potentiellen Kandidaten in der Rekrutierung nutzen? Ja, das zeigen Beispiele aus der Praxis. Es ist allerdings noch sehr neu. Die diesjährigen Recruiting Trends legen offen: Nur etwas über ein Prozent der befragten Unternehmen nutzen WhatsApp – knapp vier Prozent planen die Nutzung für die Zukunft. Demnach spielt Instant-Messaging im Bewerbungsprozess noch eine ganz kleine, innovative Rolle – das bestätigen auch fast 96 Prozent der befragten Stellensuchenden, die angeben, diesen Kanal noch nie für eine Unternehmensansprache benutzt zu haben. In die Zukunft blickend, sehen jedoch sowohl ein Drittel der Unternehmen als auch Karriereinteressierte die Notwendigkeit darin, moderne Kommunikationsformen wie WhatsApp in der Rekrutierung zu nutzen – sie erwarten es auch vom jeweils anderen. Unternehmen nutzen bereits Social Media, vor allem das soziale Netzwerk Facebook, um mit möglichen Kandidaten in Kontakt zu treten. Die Social Job Ads von Monster zielen zum Beispiel auf die Nutzer von Facebook ab. Das bietet Unternehmen die Möglichkeit eine breitere Zielgruppe von möglichen Kandidaten zu erreichen, auch diejenigen, die nicht auf Jobsuche sind.
- Big Data: Ein großes Schlagwort in der Rekrutierung, besonders im Controlling. Die Erhebung und Auswertung von Kennzahlen dient der Steuerung und Kontrolle der Rekrutierungsprozesse. Durch die Analyse von großen Datenmengen können Optimierungsansätze erarbeitet werden. Das Ziel ist ganz klar die kontinuierliche Verbesserung der Rekrutierungsprozesse. Dafür müssen die Kennzahlen in der Personalbeschaffung jedoch erst einmal definiert werden. Die Befragung der 1.000 größten Unternehmen im Zuge der Recruiting Trends 2016 zeigt, dass dies nur vier von zehn Unternehmen getan haben. Regelmäßig analysiert werden die relevanten Prozesskennzahlen von circa einem Drittel der Unternehmen. Es gibt auch die Möglichkeit, externe Daten, zum Beispiel aus Mediennutzungsstatistiken, für unternehmenseigene Maßnahmen und Strategien zu verwenden. Stellt sich die Frage, was relevante Kennzahlen im Rekrutierungsprozess in Deutschland sind: Für über die Hälfte der Top 1.000 Unternehmen ist das der Erfolg von Personalmarketingmaßnahmen sowie die Prozessdurchlaufzeit und -kosten (43,4 Prozent), Erfolg von Online-Kampagnen im Personalmarketing (32,1 Prozent) und Social-Media-Aktivitäten (26,8 Prozent). Stellensuchende stehen dem Thema Big Data überraschend positiv gegenüber: 59 Prozent finden es gut, wenn Daten erhoben werden, um Prozesse zu beschleunigen – 52,2 Prozent sind bereit, für eine Optimierung der Rekrutierungsprozesse ihre persönlichen Daten anzugeben.
- Suchmaschinen: Suchmaschinen wie Google sind für viele Nutzer das Tor zum Internet. Sollten Karriere-Webseiten und Stellenanzeigen demnach so optimiert werden, dass sie bei einer Suche unter den ersten Treffern angezeigt werden? Die Studie zeigt, dass acht von zehn Unternehmen davon ausgehen, dass die Kandidaten bevorzugt Google nutzen, um nach einer offenen Stelle oder einem Unternehmen zu suchen – und die Frage mit Ja beantworten würden. Aus diesem Grund hat 22,6 Prozent dieser Unternehmen bereits Google-AdWords genutzt. Im Gegensatz dazu geben nur etwa die Hälfte der Stellensuchenden an, dass sie Google für diesen Zweck häufig oder sehr häufig benutzen – knapp 13 Prozent würden Google nie benutzen. Ihren eigenen Namen hat übrigens fast ein Fünftel (17,7 Prozent) der Karriereinteressierten schon einmal gegoogelt.
- Cloud-Computing: Um den Rekrutierungsprozess so einfach und effizient wie möglich zu gestalten, greifen Unternehmen auf Bewerbermanagementsysteme zurück. Dabei nutzen sie drei verschiedene Möglichkeiten: Internetbasierter Zugriff auf das System eines externen Anbieters (41 Prozent), Verwendung eines Systems vom unternehmenseigenen Server (34,1 Prozent) und die Entwicklung eines eigenen Bewerbermanagementsystems (15,7 Prozent). Die Entscheidung für eine Option fällt bei fast allen Unternehmen (96,3 Prozent) mit dem Thema Datenschutz – für 28 Prozent schließt sich daher die Nutzung eines externen Anbieters aus, da diese ausschließlich über einen Internetzugriff erfolgen kann.