Bildquelle: (C) Pexels
Über 80 Millionen Einwohner und über 350.000 km2 Fläche - Deutschland ist eines der größten europäischen Länder. Es ist aber auch eines mit einer bedeutenden Industrie - und das seit vielen Jahren. Denn während in vielen anderen westlichen Staaten der Anteil der Industrieproduktion an der Bruttowertschöpfung des Landes kontinuierlich gesunken ist - teils auf nur mehr 10 % -, so hat Deutschland diesen Faktor seit den 1990er-Jahren auf demselben Niveau halten können. Er beträgt nach wie vor rund 25 %. Damit reihte sich das Land 2018 in puncto Wert seiner Industrieproduktion hinter China, der Europäischen Union im Gesamten, den Vereinigten Staaten und Japan auf dem fünften Platz ein. Zum Vergleich: Russland belegte damals den siebten, Frankreich den neunten und Schweiz den 22. Rang.
Deutschland ist vor allem für den Kraftfahrzeug- und den Maschinenbau bekannt. Aber auch Bereiche wie die chemisch-pharmazeutische Industrie oder Elektrotechnik spielen über die Landesgrenzen hinaus eine große Rolle. Im Nachbarland Österreich erwirtschaftet die metalltechnische Industrie den größten Umsatz, gefolgt von der Elektronikindustrie und der chemischen Industrie. Nach akuten Herausforderungen durch die Coronapandemie setzen insbesondere global tätige Unternehmen im Anlagen- und Maschinenbau auf Automatisierung als Erfolgsfaktor für die Zukunft - die Industrie 4.0 gilt als Innovationstreiber. Anlagen werden vernetzt und Prozesse automatisiert, um in kürzerer Zeit mehr und sicherer produzieren zu können. Diese Entwicklung bringt eine Fülle an weiteren Veränderungen mit sich. Neben dem Internet of Things oder der Künstlichen Intelligenz gehören noch folgende Punkte zu den größten Herausforderungen, die gleichzeitig auch Chancen bergen:
Interoperabilität und digitaler Zwilling
Unter dem Begriff "Interoperabilität" versteht man die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme, möglichst nahtlos zusammenarbeiten zu können. Und das ist in Zeiten von Automatisierung und Daten-Know-how essentiell. Denn nur mit einer transparenten Kommunikationsinfrastruktur kann Industrie 4.0 auch tatsächlich für mehr Effizienz und Produktivität sorgen - ansonsten bleibt viel Potential auf der Strecke. Die verschiedenen Ebenen, Maschinen und Technologien müssen also perfekt zusammenspielen. Doch hierfür fehlen noch einheitliche Standards, Modelle und Lösungen. Bislang war es daher meist so, dass Unternehmen ihre jeweiligen Anlagen für sich und unabhängig von anderen miteinander vernetzten und die gewonnen Daten auswerteten. War dies in großen Konzernen noch durchaus machbar, so wurde diese Vorgehensweise für mittlere und vor allem kleinere Unternehmen zu einem Drahtseilakt zwischen Kosten und Ertrag. Für viele ist es schlichtweg gar nicht möglich. An diesem Manko wird nun intensiv gearbeitet. So startete etwa im Herbst 2021 ein Forschungsprojekt namens "InterOpera", das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Ziel ist es, einheitliche Methoden zur Umsetzung der Verwaltungsschale in der Praxis zu erarbeiten. Als Verwaltungsschale bezeichnet man wiederum die technische Umsetzung eines digitalen Zwillings einer Komponente - und das ist bei diesem Vorgehen wichtig. Denn um einen standardisierten Informationsaustausch zwischen einzelnen Entitäten zu gewährleisten, werden sämtliche Systeme und Elemente mit dieser Verwaltungsschale umgeben. Sie bildet - wie ein digitaler Zwilling - nun alle Komponenten ab und stellt somit die Schnittstelle für die Kommunikation im Sinne der Industrie 4.0 zur Verfügung. Die Forscher des Projektes entwickeln nun 50 konkrete Teilmodelle der Verwaltungsschale für möglichst viele unterschiedliche Geschäftsbereiche. Damit sollen mehr Produktivität und Effizienz endlich Realität werden und sich gleichzeitig die Integrationskosten in Wertschöpfungsnetzwerken über verschiedene Hersteller hinweg reduzieren.
Bildquelle: (C) Pexels
Datenmanagement und Cybersecurity
Es geht jedoch nicht nur um das korrekte Vernetzen der Anlagen, sondern auch um das Datenmanagement und die Nutzung gewonnener Informationen. Denn dadurch lassen sich Rückschlüsse ziehen, Prognosen erstellen, Produkte oder Herstellungsprozesse weiterentwickeln. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Datenmenge vieler Unternehmen scheint ins Unermessliche zu steigen. Laut einer Studie verzeichnet knapp ein Drittel aller Firmen ein jährliches Datenwachstum zwischen 31 und 60 Prozent. Es braucht also intelligente Software, um diese Informationen zu bündeln, auszuwerten, greifbar zu machen und sie letztendlich genau jenen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen. Auch Cloud-Technologien werden weiter zunehmen. Gleichzeitig steigt aber auch die Anzahl der Hackerangriffe und Cyberattacken. Wer also mit vielen Daten hantiert, muss auch ein großes Augenmerk auf die Sicherheit dieser legen. Hierbei sind moderne Lösungen, die am Puls der Zeit sind und rasch auf weitere Sicherheitslücken reagieren, gefragt.
Nachhaltiges Handeln
Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielen bereits seit ein paar Jahren wieder eine größere Rolle - nochmals Aufwind haben sie durch die Fridays-for-future-Aktivitäten und die Coronapandemie erhalten. Denn viele hinterfragen ihr Handeln und verlangen dies zunehmend auch von Wirtschaft und Industrie. Nachhaltige Rohstoffe, ein verantwortliches Lieferantenmanagement, ein modernes Energiemanagement oder das Ersetzen umweltschädlicher Bestandteile und Substanzen durch nachhaltigere Alternativen sind derzeit also wichtiger denn je. Firmen mit einem möglichst geringen CO2-Fußabdruck und einer umweltfreundlichen Unternehmensphilosophie haben daher meist die Nase vorn. Auch vermeintlich kleinere Initiativen wie eine Betriebsküche mit regionalen Zutaten, Bienenweiden am Firmengelände oder ein Elektro-Firmenauto zeigen, wohin die Reise geht.
Individuelle Produkte und Lösungen
Auch wenn in puncto Produktion und Automatisierung Standards und einheitliche Programme nötig sind, so wird auf der anderen Seite der Wunsch nach individuellen Lösungen laut. Denn: Viele Firmen sind heute in Nischen tätig, um weiterhin erfolgreich zu sein, oder bieten ihren Kunden maßgeschneiderte Lösungen an. Produkte, Anlagen und Maschinen müssen daher so entwickelt und gebaut werden, dass sie möglichst flexibel sind und rasch in unterschiedliche Umgebungen integriert werden können. Hierbei hat sich zum Beispiel die Modulbauweise bewährt.
Faktor Mensch
Auch wenn es danach klingen mag, dass der Mensch in dieser Szenerie zunehmend seinen Platz verliert, so ist genau das Gegenteil der Fall. Zwar werden Mitarbeiter künftig schwere Tätigkeiten Anlagen überlassen, doch für andere Aufgaben sind sie nach wie vor essentiell. Zum Beispiel für das Auswerten und Interpretieren gewonnener Informationen. Aber auch die Bereiche Aftersales, Service und Wartung werden in einer Welt, in der sich Produkte angleichen, wichtiger und sind oft das Zünglein an der Waage, um sich für oder gegen einen Hersteller zu entscheiden. Weil Mitarbeiter jedoch mit immer komplexeren Maschinen arbeiten, müssen sie sich auch mehr Know-how aneignen. Die Anforderungen an die Ausbildung werden also steigen. Gleichzeitig nimmt die Halbwertszeit von Wissen stark ab. Das heißt: Wissen ist immer kürzer gültig und wird von neuen Erkenntnissen verdrängt. Menschen müssen sich daher immer rascher an neue Gegebenheiten anpassen. Lebenslanges Lernen lautet hierbei das Stichwort.