Wenn Märkte plötzlich kollabieren, Kriege Absatzmärkte vernichten oder technologische Revolutionen traditionelle Kompetenzen wertlos machen, müssen Führungskräfte – oft im Blindflug – ihre Organisation neu ausrichten und an den Wandel anpassen. Die einen schaffen dies erfolgreich, die anderen nicht – und so verschwinden manchmal ganze Konzerne, praktisch über Nacht, von der Bildfläche. Was aber, wenn es einfache Regeln geben würde, mit denen Manager ihre Unternehmen bestmöglich auf den unvorhersehbaren Wandel vorbereiten und durch kommende Krisen führen könnten? Das Team um Wolfgang Güttel hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Managementlehren zu finden und in einfache „Daumenregeln“ zu verwandeln. Mit ihrer Themensetzung beschreiten sie wissenschaftliches Neuland – systematische Studien zu dem Thema sind bisher Mangelware. Mit 40 Führungskräften aus unterschiedlichen Branchen und Führungsebenen im deutschsprachigen Raum führten sie dafür Interviews. Manche der ausgewählten Firmen performten exzellent in den Krisenjahren, andere wieder schlitterten in die Insolvenz.
Das Ergebnis der Studie sind zwölf simple „Daumenregeln“ für richtiges Führungsverhalten, vor und in der Krise. Zwölf Regeln, die nicht nur für Managerinnen und Manager hilfreich sind, sondern auch für Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik und Verwaltung:
1. | Beobachte das Umfeld und hinterfrage regelmäßig deine Beobachtungskriterien! |
2. | Greife auf Netzwerke zurück um Frühinformationen und Lösungsideen zu bekommen! |
3. | Forme eine passende Plattform für schnelle und regelmäßige Kommunikation! |
4. | Forme ein funktionales und kohäsives Team, wo Ziele, Spielregeln und Rollen klar sind! |
5. | Schaffe Rollen und Abteilungen für effektive Krisenprävention und schnelle Entscheidungen! |
6. | Formuliere einfache Entscheidungsregeln als Strategische Leitplanken für Mitarbeiter! |
7. | Denke in unterschiedlichen Entwicklungsszenarien! |
8. | Verbreitere deine Geschäftsfelder und forciere kulturellen Wandel wenn nötig! |
9. | Schaffe ein gemeinsames Verständnis über die Situation und mögliche Lösungsalternativen! |
10. | Konzentriere dich auf die wichtigen Themenfelder und delegiere weniger entscheidende! |
11. | Treffe deine Entscheidungen gut sichtbar und setze symbolische Gesten für die Mitarbeiter! |
12. | Nutze die Mehrdeutigkeit zu deinen Gunsten um Neuerungen durchzusetzen! |
Jede Unternehmenskultur verfügt über eigene Kompetenzen im Umgang mit rapide stattfindenden Veränderungen. Reichen diese Kompetenzen (Dynamic Capabilities of Change) in der jeweiligen Krise aus, kommt das Unternehmen sicher durch sie hindurch. Reichen sie aber nicht aus, so entsteht ein disruptiver Schock: alte Handlungsmuster greifen nicht mehr; neue müssen ad-hoc gefunden werden. Diese Situation kann für das Unternehmen gut oder schlecht ausgehen. Umso wichtiger, dass das Unternehmen bereits vor der Krise jene Kompetenzen aufbaut, mit deren Hilfe es sich in einer Krisensituation rechtzeitig neu orientieren kann und nicht an falschen Verhaltensmustern festhält. Diese Kompetenzen müssen von den Führungskräften im Unternehmen aufgebaut und institutionalisiert werden. Sie zielen darauf ab, die Fähigkeiten des Unternehmens zur Umfeldbeobachtung, raschen Entscheidungsfindung, Rekonfiguration von Routinen, Prozessen, Werten und Normen, zu stärken: Die Umsetzung strategischer Wachsamkeit ermöglicht die Identifizierung disruptiver Schocks und hinterfragt die eigenen Beobachtungsmuster; das Denken in Szenarien erhöht das Verständnis für eine Situation; symbolische Entscheidungen durch das Führungspersonal beugen dem kollektiven Stillstand vor und erzeugen Sicherheit und Vertrauen. Die wahre Herausforderung für Führungskräfte besteht aber darin, die Chancen der Krise zu erkennen und für die Weiterentwicklung des Unternehmens zu nutzen – dafür bedarf es einer guten Organisation und eines kohärenten Teams.
Eingespielte Teams agieren in Krisenzeiten deutlich rascher. Noch wichtiger ist jedoch ein konstruktiver Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen und Kritik im Team. Ein gemeinsamer Bezugsrahmen, effektives Selbstmanagement und eine klare Prioritätensetzung ermöglichen dann, mittels einer offenen, intensiven und klaren Kommunikation, die Einbindung aller Mitarbeiter in die Neuausrichtung des Unternehmens. Unternehmensinterne Think Tanks oder „war rooms“ ermöglichen außerdem die Früherkennung und Analyse von Krisen. Auch externe Netzwerke helfen dabei. Organisatorisch braucht es in der Krise aber vor allem mehr Freiräume für Entscheidungen – die jedoch in einem kodifizierten Entscheidungskorridor ablaufen müssen. Ein diversifiziert aufgestelltes Unternehmen kann dann einen unternehmenskulturellen Wandel und radikale Veränderungen rasch umsetzen.
Geht es nach den Studienautoren, können nicht nur Unternehmen aus den Ergebnissen ihre Lehren ziehen, sondern auch die regionale Politik. Ein strategischer Ausbau von politischen und unternehmerischen Führungskompetenzen und eine höhere Systemelastizität sind die Empfehlungen der Autoren an die Politik für eine krisenfestere Zukunft. Generell gilt: Je vielfältiger der Standort aufgestellt und desto flexibler der Arbeitsmarkt ist, desto besser kann die Region mit Krisen umgehen. Begleitend ermöglicht die Förderung von Allianzen und Clusterbildungen die Entstehung flexibler Innovations-Ökosysteme aus Unternehmen, Forschungs- und Ausbildungsinstitutionen sowie politischen Akteuren – was die jene Kompetenz verstärkt, rasch adäquate Antworten auf die Krise zu finden. Eine hohe Forschungsintensität verstärkt diesen Effekt weiter. Spezielle Führungskräftetrainings ermöglichen die regionale Umsetzung der obigen Daumenregeln und erhöhen die Krisenresilienz weiter. Eine Förderung des Zuflusses von externen Führungskräften aus anderen Ländern, bringt schließlich Erfahrungsschätze in die Region, die in disruptiven Krisen besonders wirksam sein können.