Sollten Medienunternehmen ihren Partnern Profile der eigenen Kunden zur Verfügung stellen? Geht das Internetwarenhaus zu weit, wenn es seiner Kundin Umstandsmode anbietet, noch bevor sie selbst weiß, dass sie schwanger ist? Auf Einladung des Medienboard Berlin-Brandenburg diskutierte Prof. Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender des Münchner KreisS, mit sechs Medienexperten aktuelle Herausforderungen im Umgang mit Big Data und Cloud Services. Das Panel demonstrierte auf dem internationalen Medienkongress der IFA in Berlin, wie aus der Flut von öffentlichen und privaten Daten der digitalen Welt neue Geschäftserfolge entstehen. „Es heißt, Daten seien die neue Währung der vernetzten, digitalen Gesellschaft. Das sollte aber nur dann gelten, wenn durch die intelligente Erhebung und Analyse von großen Datenmengen neues Wissen und echter Kundenmehrwert entsteht“, sagte Picot.
Für die Video-, Spiele- und Musikvermarktung sind die riesigen Mengen in Echtzeit ausgewerteter Nutzerdaten bereits heute von zentraler Bedeutung. So wurde in diesen Branchen auch der Begriff des „Online Money Printing“ geprägt. Gemeint ist damit der Verkauf neuer Produkte und Leistungen während der Kunde die eigenen Dienste nutzt. Wenn beispielsweise das letzte Raumschiff eines Onlinespielers abgeschossen wird, erhält er im selben Moment das Angebot, ein weiteres Raumschiff zum sofortigen Weiterspielen zu erwerben - und zwar eines vom bevorzugten Typ. Wenn der Nutzer online die Musikbibliothek eines Freundes durchstöbert, steht ihm jederzeit die Option des „one click buy“ aller gefundenen und angebotenen Titel zur Verfügung. Auf Anbieterseite sorgt eine leistungsfähige Software - die so genannten Targeting Engines - dafür, dass die Kundschaft mit Hilfe ausgefeilter Algorithmen in geeigneten Momenten Angebote erhält, die genau ihren Vorlieben und Gewohnheiten entsprechen. Jeder noch so kleine, online hinterlassene digitale Fußabdruck des Nutzers kann hierzu dienen.
Die richtige Balance zwischen Vermarktung und Kundennutzen entscheidet über den Erfolg von Big-Data-Anwendungen. Unternehmen und Verbraucher können in allen Branchen enorme Vorteile aus der systematischen Echtzeit-Datenanalyse ziehen - von der Unterhaltungsindustrie, den Handels-, Finanz- und Energiesektoren über die Telekommunikation, das Gesundheits- und Verkehrswesen bis hin zu sozialen Netzwerken. „Genauso wichtig wie die Beherrschung der Analyseprozesse und Technologien ist aber der Konsens in Gesellschaft und im Markt über akzeptable Datenquellen und werthaltige Angebote“, gab Picot zu bedenken. „Bei der Verwendung personenbezogener Daten und Datenauswertungen muss sichergestellt sein, dass insoweit Transparenz über das Vorgehen des Anbieters besteht, dass vorherige Zustimmung des Kunden eingeholt und eine einfache Möglichkeit des Widerrufs geboten wird“, betonte Picot.
Auf der letzten Fachkonferenz des Münchner Kreis beschrieb Christian Klezl, Vice President Corporate Strategy IBM, die Aussichten eines systematischen Umgangs mit Big Data: „Jüngste Studien bestätigen, dass Unternehmen, die führend beim Einsatz der Datenanalyse sind, durchschnittlich 33 Prozent mehr Umsatz und ein zwölfmal höheres Gewinnwachstum haben als Nachzügler - und die Kluft wird immer größer“. Dabei geht es nicht nur um die Herausforderungen steigender Datenmengen, sondern auch darum, unstrukturierte Daten beispielsweise aus sozialen Netzen und unsicheren Datenquellen zu analysieren und zu nutzen. „Es ist wichtig für Unternehmen eine Informationsagenda zu erstellen, um ihr größtes Geschäftspotenzial zu erkennen und zu nutzen. Dies gilt auch für den öffentlichen Sektor, in dem gesellschaftlicher Mehrwert durch einen besseren Service und geringere Kosten für den Bürger entstehen kann“, so Klezl.