Bereits 1,8 Millionen Menschen benutzen zu Hause Amazons Helferlein „Alexa“ und womöglich wird der intelligente Assistent zukünftig auch im beruflichen Alltag behilflich sein. Denn die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet unaufhörlich voran, sodass sie sogar in Bereichen Einzug erhält, in denen der Faktor Mensch mit seiner Intuition und seinem persönlichen Eindruck von entscheidender Bedeutung ist – wie auch in der HR-Branche. Immer häufiger werden inzwischen Bewerbungsroboter eingesetzt, die mithilfe einer datenbasierten Analysesoftware für eine Vorsortierung sorgen, um dem Personaler das Durchsehen der Vielzahl an Bewerbungen zu erleichtern. Aber bedeutet das, dass die menschliche Komponente zukünftig keine Rolle mehr spielen wird? Dr. Ole Mensching, CEO und Gründer der Headhunting-Agentur für digitale Executives und Experten CareerTeam, gibt einen Einblick in die digitalisierte Personalbranche.
Der Ausdruck Robot Recruiting beschreibt eine Automatisierung des Recruiting-Prozesses, bei dem anhand eines Algorithmus eine Beurteilung und Auswahl geeigneter Bewerber erfolgt. Dieser kann auch Jobinteressierten automatisiert offene Stellen empfehlen oder dem Unternehmen geeignete Bewerber vorschlagen. „Beim Data Driven Recruiting geht es nicht nur um ein reines Abgleichen von Daten“, sagt Dr. Ole Mensching. „Der Fokus liegt auf einem intelligenten Matching. Der Algorithmus muss den konkreten Inhalt der Stellenausschreibung verstehen und dafür die Begriffe und Sätze im Zusammenhang analysieren und auswerten können.“
Schöne neue Recruiting-Welt?
Doch noch zeigen sich die Unternehmen in Deutschland zurückhaltend beim Einsatz von Data Driven Recruiting. Laut der Studie "Recruiting Trends 2016" von Monster Deutschland und der Universität Bamberg nutzen bislang nur etwa zwei Prozent der Unternehmen das Robot Recruiting zum Vorsortieren von Bewerbungen. „Unternehmen müssen abwägen, ob der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess sinnvoll ist oder nicht, da es stark von der Größe des Unternehmens abhängt,“ weiß Dr. Ole Mensching. „Das System lohnt sich oft nur bei einer bestimmten Menge von Bewerbungen und einem kontinuierlich hohen Personalbedarf. Für die Erstellung von Musterprofilen ist eine große Datenmenge erforderlich, über die kleine und mittlere Unternehmen in der Regel nicht verfügen.“
Und auch Bewerber sind tendenziell dagegen. Mit dem Ausfüllen von Formularen besteht nicht genügend Möglichkeit, um sich in allen Facetten zeigen zu können. Denn bei der neu geschaffenen Realität des Robot-Recruitings kommt es auf Details an, die entscheidend sein können, um vom Computer zum Personaler zu gelangen. „Zuviel Kreativität und Individualität können die Computersysteme überfordern“, sagt Mensching. „Es kann passieren, dass das System Symbole, Firmenlogos und aufwendig gestaltete Layouts nicht erkennt und als Fehler wahrnimmt.“ Dadurch kann es sein, dass gut geeignete Bewerber aussortiert werden. Auch Rechtschreibe- oder Grammatikfehler können oft das Aus für den Bewerber bedeuten. „Wo ein Personaler vielleicht nochmal ein oder zwei Augen zudrückt, sofern der Rest passt und stimmig ist, sortiert der Computer diese Unterlagen aus“, so Mensching.
Alexa als neue HR Managerin
Der Recruiting-Prozess in Unternehmen befindet sich im Wandel und steht im Mittelpunkt der HR-Digitalisierung. Mithilfe von künstlicher Intelligenz soll Personalern verstärkt unter die Arme gegriffen werden. „In den Medien wird Amazons Alexa derzeit mit mehr als 3.000 Fertigkeiten angepriesen und gewinnt täglich neue Fähigkeiten dazu“, weiß Dr. Ole Mensching. „Wir müssen deshalb verstehen, dass die Integration von künstlicher Intelligenz nicht die Zukunft des Arbeitsplatzes ist. Entwicklungsprojekte sind längst die Gegenwart und aktiv im Gange.“
Dennoch hat auch das Robot Recruiting trotz vielfältiger Anwendungsmöglichkeiten und Effizienz seine Grenzen und ist vorerst nur für die Vorauswahl von Bewerbern geeignet. „Auf den höheren Ebenen des Bewerbungsprozesses ist die menschliche Beurteilung weiterhin unersetzlich,“ so Dr. Ole Mensching. „Denn Faktoren wie Sympathie, die mitentscheiden, welcher Kandidat wirklich auf die jeweilige Stelle und in das Unternehmen passt, lassen sich noch nicht von einem Roboter berechnen.“ Des Weiteren, so Mensching, mache das Wesen von disruptiven Innovationen ihre Unberechenbarkeit aus, sodass bislang nicht absehbar sei, ob und wie stark Recruting in Zukunft automatisiert werden wird.