Das neue Smartphone-Spiel „Sea Hero Quest“ soll Wissenschaftler bei der Forschung unterstützen. Dazu wird der Spielverlauf anonym in Datenbanken aufgezeichnet – so können Forscher Rückschlüsse über den Orientierungssinn ziehen und die Demenz-Forschung voranbringen.
Wo stand der Kaffee, was wollte ich einkaufen und wo war nochmal der nächste Supermarkt? Fragen, über die wir normalerweise nicht nachdenken. Denn solche Aufgaben meistert unser Gehirn mit Leichtigkeit. Anders ist es bei Menschen mit Demenz. Ihnen fällt es schwer, sich Dinge zu merken und sich im Alltag zu orientieren. Derzeit wird alle 3,2 Sekunden bei einem Menschen Demenz diagnostiziert. Demenz kann jeden treffen – unabhängig von Alter, erblicher Veranlagung, Lebensstil oder sozialem Status. Schätzungen zufolge leben weltweit knapp 50 Millionen Menschen mit einer Form von Demenz, wie zum Beispiel Alzheimer. Nach Angaben des „Global Alzheimer’s Report 2015“ werden im Jahr 2050 aber rund 135 Millionen Menschen von Demenz betroffen sein, davon rund drei Millionen in Deutschland. Zudem tappen die Forscher bei vielen Fragen im Dunkeln. Ihnen liegen zwar Daten von Erkrankten vor, aber kaum Vergleichsdaten von gesunden Menschen. Das Smartphone-Spiel Sea Hero Quest schafft hier Abhilfe. Mit dem Spiel erhalten Wissenschaftler erstmals anonyme Daten über das Navigationsverhalten und die räumliche Orientierung von Millionen Menschen unterschiedlichen Alters über den gesamten Globus.
Ziel des Projekts ist es, einen Teil der drei Milliarden Stunden, die Menschen weltweit jede Woche mit Onlinespielen verbringen, für die Forschung zu nutzen. Die Idee scheint aufzugehen: Bereits wenige Wochen nachdem die Deutsche Telekom Sea Hero Quest vorgestellt hat, haben weltweit mehr als zwei Millionen Menschen die App heruntergeladen. Hinter dem bisher einmaligen Projekt verbirgt sich jedoch nicht nur die Telekom, das Bonner Unternehmen hat das Spiel gemeinsam mit dem University College London, der University of East Anglia, der gemeinnützigen Organisation Alzheimer’s Research UK sowie dem Spieleentwickler Glitchers entwickelt. „Das Besondere an dem Spielkonzept ist, dass man durch die unterhaltsamen Aufgaben systematisch dazu inspiriert wird, verschiedene Arten der räumlichen Orientierung anzuwenden und bestimmte Transferleistungen zu machen, die den Charakter einer neuropsychologischen Untersuchung haben“, erklärt Professor Stephan A. Brandt, stellvertretender Direktor an der Klinik für Neurologie der Charité in Berlin, der die Telekom bei dem Projekt wissenschaftlich berät. Steuert der Spieler sein Boot durch ein Labyrinth, erhalten die Forscher Daten darüber, wie das Gehirn einen Menschen durch einen dreidimensionalen Raum lenkt und welche Entscheidungen es dabei trifft. „Alle Spieler zusammen haben bislang Navigationsdaten gesammelt, deren Erhebung unter Laborbedingungen mehr als 1.500 Jahre benötigt hätte“, erklärt Prof. Michael Hornberger, Professor für Demenzforschung an der Universität von East Anglia. Hornbergers Fazit: „Spielen 100.000 Menschen das Spiel nur zwei Minuten lang, werden so viele Daten gewonnen wie in 50 Jahren herkömmlicher Forschungsarbeit.“
„Sea Hero Quest zeigt, welche enormen Chancen und Möglichkeiten die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet. Nämlich ganz neue Ansätze, Daten für die Forschung zu erheben und Therapien so wesentlich besser und schneller zu entwickeln“, sagt Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer der Telekom Healthcare Solutions. Zum Vergleich: Die bisher größte Studie zur räumlichen Orientierung umfasste 600 Teilnehmer – Sea Hero Quest wurde wenige Wochen nach Veröffentlichung bereits über zwei Millionen Mal heruntergeladen, so Wehmeier. Und wer weiß, vielleicht ist Sea Hero Quest der Auftakt für eine ganz neue Form der Forschung, bei der Wissenschaftler Daten mithilfe von mobilen Spielen erheben.