Cloud Computing, die Technologie, die das Speichern und Verarbeiten von Daten nicht auf der eigenen IT-Infrastruktur, sondern virtuell im Netz ermöglicht, sorgt für weit reichende Veränderungen der Informations- und Telekommunikationsbranche (ITK). Denn Cloud Computing verspricht Anwendern und Anbietern signifikante Kostensenkungen und neue Umsatzpotenziale. So wird das weltweite Umsatzvolumen der Cloud Economy bis 2015 voraussichtlich auf rund 73 Milliarden US-Dollar wachsen. Von diesem Wachstum können europäische ITK-Anbieter deutlich profitieren, wenn sie eigene Aktivitäten starten und die europäische Politik die richtigen Rahmenbedingungen dafür schafft. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Survival of the Fittest - Wie Europa in der Cloud eine führende Rolle übernehmen kann“, die Roland Berger Strategy Consultants und die SAP AG erstellt haben.
Wurden im Jahr 2010 weltweit rund 21,5 Milliarden US-Dollar in Cloud Computing und in die damit verbundenen Dienstleistungen investiert, so wird sich dieser Betrag bis zum Jahr 2015 voraussichtlich mehr als verdreifachen – auf ca. 73 Milliarden US-Dollar. Damit ist Cloud Computing das am stärksten wachsende Segment innerhalb der ITK-Branche. „Die rasant zunehmende Verbreitung von Cloud Computing gerade bei professionellen Anwendern eröffnet vor allem europäischen Anbietern hervorragende Wachstumsperspektiven“, erläutert Carsten Rossbach, Partner von Roland Berger. „Dies wird auch dem europäischen Arbeitsmarkt nachhaltige Impulse geben, wenn Angebote und Rahmenbedingungen stimmen.“ Laut Studie könnten so im Umfeld der Cloud Economy europaweit mindestens 70.000 neue Jobs pro Jahr entstehen.
Die starke Entwicklung der Datenverarbeitung in der „Wolke“ wird in den kommenden Jahren ein neues wirtschaftliches Ökosystem generieren. „Cloud Computing wird vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen eine echte Revolution darstellen“, erklärt Peter Lorenz, Leiter des Bereichs On-Demand-Solutions bei SAP.“ Denn diese Unternehmen werden Zugriff auf IT-Architekturen erhalten, die bislang nur Großunternehmen vorbehalten waren. Dadurch werden sich neue Marktchancen für IT-Anbieter ergeben, ihren Kunden maßgeschneiderte Lösungen und flexible Dienstleistungen anzubieten.“ Dabei bietet der Markt für Cloud-Dienstleistungen verschiedene Service-Modelle. So können „Infrastructure as a Service“ (IaaS)-Kunden auf Rechner- und Speicherressourcen eines externen Anbieters dynamisch zurückgreifen. Daneben ist die Nutzung von Software-Anwendungen eines externen Providers nach Kundenbedarf auf dem Markt etabliert („Software as a Service“ – SaaS). „Platform as a Service“ (PaaS)-Anbieter hingegen stellen eine Entwicklungs- und Laufzeitumgebung zur Verfügung, auf denen Unternehmen und ihre Partner eigene Anwendungen erstellen und bespielen können. „Der Infrastructure-as-a-Service-Bereich erlangt zwischenzeitlich einen hohen Reifegrad; insbesondere globale ITK-Anbieter amerikanischer Herkunft haben dieses Segment besetzt“, erklärt Roland Berger-Partner Carsten Rossbach. „Doch solche Infrastrukturdienstleistungen werden mittelfristig nur noch niedrige Gewinnmargen bieten.“ Größeres Potenzial bieten hingegen die Bereiche Software as a Service und Platform as a Service, erklärt Peter Lorenz von SAP: „Diese zwei Bereiche der Cloud Economy werden in den nächsten Jahren stärker wachsen und höhere Gewinnmargen mit sich bringen. Und hier hat Europa die Chance, aktiv zu werden.“ Da diese Plattformen einen Nährboden für starke Ökosysteme mit zahlreichen ITK-Unternehmen bilden, sind hier positive volkswirtschaftliche Effekte zu erwarten.
Damit europäische ITK-Anbieter auf dem boomenden Cloud-Markt erfolgreich agieren können, müssen jedoch Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten, um die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Cloud Economy festzulegen. „Anwender bemängeln derzeit besonders das Fehlen von einheitlichen technischen, juristischen und wirtschaftlichen Standards für das Cloud Computing“, erklärt Rossbach. „Dies gilt z.B. für den Datenschutz, der heute noch keinem europaweiten Standard unterliegt. Der europäische Datenschutz darf jedoch keine Bürokratieängste schüren, sondern muss zu einem Gütesiegel für Made in Europe werden.“ Deshalb schlagen die Strategieberatung Roland Berger und SAP ein Fünf-Punkte-Programm vor, um die positiven Effekte der Cloud Economy zu realisieren:
- Schaffung eines europäischen Rechtsrahmen: Der Rechtsrahmen soll Datenschutz und Datensicherheit in allen europäischen Ländern harmonisieren.
- Der „European Cloud Gold Standard“: Die europäische Industrie sollte ein europäisches Gütesiegel für Cloud-Dienstleistungen schaffen, um die Akzeptanz von Cloud-Anwendungen zu erhöhen.
- Innnovationen in der Cloud: Die europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten sollten öffentliche Forschungs- und Entwicklungsprogramme mit Cloud-Schwerpunkt verstärkt fördern.
- Cloud Computing im Mittelstand: Durch spezielle Programme sollte die Anwendung von Cloud Computing in mittelständischen Unternehmen gefördert werden. Dafür sind keine zusätzlichen Ressourcen notwendig, denn die europäische Union hat in der laufenden Programmperiode hinreichende Mittel zur Verfügung gestellt.
- Die öffentliche Hand als Pionier: Als großer Einkäufer von IT-Lösungen in Europa sollte der öffentliche Sektor als Impulsgeber für die Cloud Economy gelten. Denn der verstärkte Einsatz bei allen öffentlichen Institutionen würde die Marktdurchdringung dieser Dienstleistungen erheblich unterstützen und Vertrauen in das Gütesiegel schaffen.