Der Industrie in Deutschland geht es gut, volle Auftragsbücher zeugen von der boomenden Wirtschaft. Und doch könnte die Lage für einige Unternehmen besser sein, denn es fehlen Mitarbeiter. Vor allem in der Technik-Branche ist „Stellenmarkt“ längst keine passende Bezeichnung mehr, sondern es handelt sich um einen Bewerbermarkt. Auch hat sich der Stellenwert der Arbeit für die Menschen verändert. Da es vielen dabei ver-stärkt um eine persönliche Erfüllung geht, möchten Fachkräfte wie Ingenieure oder Techniker heutzutage individuell auf ihre Bedürfnisse angesprochen werden. Mit mustergleichen Anzeigen erreichen Arbeitgeber diese Leute nicht, so Personalberater Georgios Papanikolaou. Der Experte für Rekrutierung im Bereich Technik prognostiziert: Unternehmen, die bei der Personalsuche an veralteten Prozessen festhalten, werden untergehen, weil sie keine Mitarbeiter finden. Aus diesem Grund empfiehlt er, für die Besetzung von Stellen individuell vorzugehen und auf Persönlichkeiten zu setzen statt nur Zeugnisse auszuwerten.
Die Frage muss lauten: Was bewegt Dich?
Eine typische Stellenanzeige für einen Ingenieur in der Industrie verspricht dem zukünftigen Arbeitnehmer „ein vielseitiges Arbeitsgebiet, eine attraktive Vergütung sowie eine internationale Tätigkeit“. Personalberater Georgios Papanikolaou kritisiert die veraltete Vorstellung hinter dieser Art der Rekrutierung mit vorgefertigten Wortbausteinen und Füllwörtern: „Durch eine standardisierte Anzeige findet man vielleicht Bewerber, aber dieser automatisierte Prozess führt sehr oft zu Unzufriedenheit. Denn durch einen falsch gewählten Mitarbeiter hat ein Unternehmen einen immensen Schaden. Finanziell, emotional, und wenn er wieder geht, war die wertvolle Einarbeitungszeit umsonst.“ Deshalb hält er die Erfassung von menschlichen Qualitäten bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften für entscheidend.
Wer einen Mitarbeiter sucht, der sein Unternehmen weiterbringt, sollte die richtige Persönlichkeit dafür wählen. In der Praxis heißt das: Nicht warten, bis jemand auf eine Anzeige antwortet, sondern aktiv auf mögliche Kandidaten zugehen. Das kann über Empfehlungen eigener Mitarbeiter laufen oder auch über spezialisierte Headhunter. Wenn dann jemand mit seinen fachlichen Qualifikationen in Frage kommt, muss die erste Frage an ihn lauten, was ihn eigentlich bewegt, was ihn zu Höchstleistungen antreibt und welches Karriereziel er verfolgt. Eine Position im technischen Vertrieb beispielsweise: Hauptaufgabe dabei ist die Kontaktanbahnung, Voraussetzung das technische Know-how. Also ist bei weitem nicht nur der berufliche Werdegang wichtig. Ein Mitarbeiter muss dafür aus sich heraus gerne fremde Menschen ansprechen. Er sollte als Person initiativ und offen sein und rhetorisch begabt. „Andernfalls wird er bei seinen Aufgaben immer Bauchschmerzen haben und ganz bestimmt nicht für seine Aufgabe über sich hinaus wachsen,“ erläutert Papanikolaou.
Vermeidbare Umsatzeinbußen
Laut einer Umfrage1 mussten im Jahr 2017 42 Prozent der mittelständischen Unternehmen Umsatzeinbußen aufgrund nicht besetzter Top-Positionen hinnehmen. 11 Prozent sogar erhebliche. Dabei gehen Unternehmen heute mit Kitaplätzen, Fitnessangeboten oder Freizeitregelungen auf die sich verändernde Arbeitswelt ein. Doch das geht Georgios Papanikolaou nicht weit genug. Wenn er im Auftrag von Unternehmen Ingenieure oder Entwickler rekrutiert, erforscht er im Gespräch mit den potentiellen Kandidaten gezielt deren Wesen. „Natürlich ist es für Mitarbeiter interessant, was ihnen ein Unternehmen für ihre Work-Life-Balance bietet. Viel wichtiger ist den meisten Menschen jedoch, bei ihren Aufgaben ihre persönlichen Eigenschaften und Talente einbringen zu können.“ Wenn Papanikolaou verstanden hat, was potentielle Kandidaten dazu antreibt, über sich hinaus zu wachsen, macht er dem Unternehmen Empfehlungen. Und das kann auch mal bedeuten, einem potentiellen Kandidaten eine Weiterbildungsmöglichkeit für eine fehlende Qualifikation zu bieten. Denn wenn dessen Persönlichkeit dafür ein Team und damit das Unternehmen weiter nach vorne bringt, lohnt sich die Investition auf lange Sicht – sowohl für den begeisterten Mitarbeiter als auch das erfolgreiche Unternehmen.