2020/9 | Fachbeitrag | Leadership

Mikromanager: Harte Zeiten für Control-Freaks

von Geoffroy de-Lestrange

Inhaltsübersicht:

Genau deshalb gingen diese "Mikromanager" in der Vergangenheit nicht wenigen gewaltig auf den Geist. Ihre Anwesenheit produzierte innerhalb der Belegschaft eine geradezu toxische Atmosphäre. Aber wenn Home-Office und die damit verbundenen neuen Unabhängigkeiten gezeigt haben, dass es ohne sie eigentlich sogar besser läuft, sollte man sich doch spätestens jetzt die Frage stellen, wer innerhalb der Organisation zu einem solchen Führungsstil neigt und wie sich derartige Verhaltensweisen korrigieren lassen. Insbesondere für die Zeit nach Corona könnte das wichtig werden, weil die Erfahrungen des reibungslosen sowie erfolgreichen Arbeitens von zuhause aus vielen Kollegen ein neues Selbstwertgefühl gegeben haben. Vorgesetzte mit einem Kontrollzwang dürften dann auf deutlich mehr Ablehnung stoßen als früher - kurzum, der "Mikromanager" gefährdet das Arbeitsklima.

Wie kann man Mikromanager und ihre „Opfer“ erkennen?

Das Verhalten vieler "Mikromanager" kennen die meisten Angestellten aus erster Hand nur allzugut. Keine Mail darf verschickt werden, in der diese nicht in CC gesetzt werden müssen, kein Meeting kann ohne sie stattfinden - alles wollen sie im Blick behalten. Am Ende herrscht eine Atmosphäre, die den einzelnen Mitarbeitern kaum noch Luft zum Atmen lässt. Doch was ebenso nicht aus dem Blickfeld gelassen werden sollte: Wer sind eigentlich diese Mitarbeiter, die sich ein derartiges Verhalten unwidersprochen über längere Zeit gefallen lassen? Wenn "Mikromanager" bereits Schwierigkeiten haben, Verantwortung zu delegieren, weil sie kein wirkliches Vertrauen in die Kompetenzen anderer haben, dann dürften diese selbst auch ein ziemlich geringes Selbstwertgefühl an den Tag legen und womöglich mehr Probleme haben, Zielvorgaben zu erkennen und zu erfüllen als andere.

Bestimmte Verhaltensformen machen es relativ einfach, diesen Personenkreis der "Opfer" zu identifizieren. Sie zeigen sich überdurchschnittlich unsicher, wenn es um Veränderungen innerhalb der Organisation geht. Darüber hinaus gibt es mehr Hinweise auf eine emotionale Instabilität, auffällig oft wird um die Erlaubnis für etwas gebeten. Manchmal haben so konditionierte Personen auch Schwierigkeiten, ihr Arbeitspensum zu bewältigen, weshalb sie weniger belastbar sind. All das verweist auf die hohe Wahrscheinlichkeit, dass solche Kollegen zu lange mit einem Control-Freak als Vorgesetztem zu tun hatten. Und das führt zu der Frage, wie einmal eingeschliffene Verhaltensweisen wieder rückgängig gemacht werden können.

Eine vorsichtige Konfrontation mit den Realitäten

"Mikromanager" haben zwei Seelen in ihrer Brust: Auf der einen Seite wollen sie ein Team leiten und Aufgaben delegieren. Auf der anderen Seite glauben sie sich aber eins mit den Mitarbeitern auf den unteren Ebenen, was dazu führt, dass sie sich gelegentlich von alten Routinen und Arbeitsschritten schlichtweg nicht verabschieden können, sondern auch diese weiterhin unbedingt erledigen wollen. Deshalb wirken sie dann oft hochgradig gestresst und überfordert, was jedoch im Regelfall von ihnen selbst nicht eingestanden wird. Als erste Maßnahme, um einen solchen "Mikromanager" dazu zu motivieren, diesen für alle Beteiligten destruktiven Arbeitsstil zu überdenken, empfiehlt es sich, ihn mit seinem eigenen Verhalten zu konfrontieren, also ihm einen Spiegel vorzuhalten.

Das erfordert eine äußerst vorsichtige und feinfühlige Herangehensweise - ansonsten läuft man in Gefahr, das Gegenteil von dem zu erreichen, was man will. Vielleicht waren diese "Mikromanager" irgendwann ihrer Biographie ja selbst einmal mit Control-Freaks konfrontiert, haben unbewusst deren Verhaltensweisen übernommen. Wird ihnen das behutsam bewusst gemacht, zeigen sie auch eine größere Bereitschaft, aktiv daran zu arbeiten, sich aus diesen verinnerlichten Zwängen sukzessiv zu befreien. Das funktioniert aber nur, wenn mit den Betroffenen das offene und möglichst vorurteilsfreie Gespräch gesucht wird. Daher muss auf jeden Fall die Holzhammer-Methode vermieden werden. Vor dem Hintergrund möglicher Spannungen empfiehlt sich eine klare Ansprache, die sowohl die Problematik kritisch zum Ausdruck bringt, aber zugleich von Empathie getragen sein sollte. Wichtig ist dabei zu signalisieren, dass es Freiräume für Diskussionen gibt, auch wenn dabei von Anfang klar sein sollte, wie die eigentlichen Ziele lauten: Nach Lösungen zu suchen, wie ein "Mikromanager" auf den richtigen Weg gebracht werden kann, seine Verhaltensweisen als problematisch zu erkennen, und was alles an Schritten und Hilfestellungen zu erfolgen hat, um diese auch nachhaltig zu verändern.

Veränderungen brauchen Zeit

Von heute auf morgen geschieht nichts. Toxische Verhaltensweisen lassen sich nur mit Mühe und viel Zeit überwinden. Vor allem eines dauert: Wie kann ein "Mikromanager" wieder Vertrauen zurückgewinnen und seinen Ruf als Control-Freaks endgültig los werden?

Erst einmal muss eine Person dazu gebracht werden, die negativen Auswirkungen ihres Verhaltens auf andere innerhalb der Organisation überhaupt zu erkennen. Mit dieser Art der Konfrontation wäre ein Anfang gemacht. Stellen sie klar, dass das kontrollierende Verhalten gewiss mit einer guten Absicht einherging, jedoch die Entwicklungspotenziale vor allem von jüngeren Mitarbeitern blockieren würde. Zudem sollte die Einsicht vermittelt werden, dass ein kontrollierendes Verhalten mehr Stress produziert, das Selbstwertgefühl der Mitarbeiter beschädigt und letztendlich auch der Produktivität des Unternehmens schadet.

Zudem müssen "Mikromanager" einen inneren Schalter umlegen. Niemandem im Unternehmen ist geholfen, wenn sie nicht lernen, Arbeiten zu delegieren. Sich alles selbst aufzuhalsen und jeden Schritt von anderen zu kontrollieren, ist für das gesamte Unternehmen kontraproduktiv. Diese Erkenntnis muss sich durchsetzen. Manchmal kann es sinnvoll sein, für Probleme dieser Art innerhalb der Organisation Rat von außen einzuholen, beispielsweise bei erfahrenen Coachs oder Consultants. Anderenfalls läuft man in Gefahr, die tieferen Dimensionen dieser Problematik nicht zu erkennen und nur unzureichend zu handeln.

Gelegentlich kann es helfen, sich in die Situation eines solchen "Mikromanager" hineinzuversetzen, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie er "tickt". Nur so lassen sich auch "harte Nüsse" knacken - schließlich will man erfahrene Mitarbeiter nicht verlieren, sondern ihnen helfen, sich innerhalb der Organisation neu zu positionieren und altes Rollenverhalten abzulegen. Solche Prozesse werden von allen Beteiligten im Regelfall sehr genau beobachtet. Wenn sie erfolgreich verlaufen so strahlen sie auf den gesamten Bereich Human Resources aus, was wiederum dem Betriebsklima zu gute kommt. Für alle Beteiligten wäre das ein messbarer Gewinn.

 

 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Leadership trifft Learning: Wenn der Chef zum Coach wird

WISSENplus
Fachkräfte müssen sich permanent fit halten für die raschen Umwälzungen unserer Zeit. Daher wird immer mehr hinterfragt, ob man alte Lernschemata nicht verlässt und neue Horizonte erschließt. Denn gerade in Umbruchzeiten wie diesen sucht die Belegschaft in der Geschäftsführung auch einen Förderer, nicht nur einen Leader. Beides ist wichtig. Wie müssen sich demnach Unternehmen aufstellen, wen...

Weiterlesen

KI als Führungskraft?

WISSENplus
Die Arbeitswelt steht vor einem gravierenden Umbruch: Demografischer Wandel, Globalisierung und Digitalisierung beeinflussen die Entwicklung maßgeblich. Von Angestellten wird vieles verlangt, um in einer volatilen Arbeitsumgebung beschäftigungsfähig zu bleiben: Kreativität, Empathie, ganzheitliches Denken, Interdisziplinarität und Lernbereitschaft. Was aber machen die Chefs? Werden diese auch dur...

Weiterlesen

Angst, etwas zu verpassen? Vier Tipps gegen Technologie-"FOMO"

Von KI über Edge Computing bis hin zu Programmiersprachen und den neuesten Libraries - in kaum einer Branche wirbeln neue Trends und Hypes den Markt so durcheinander wie in der IT. Dabei wächst in vielen Unternehmen die Angst, den Anschluss an neue Technologien zu verschlafen und in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Das FOMO-Phänomen (Fear Of Missing Out), also die Angst, etwas Wichtiges zu verpasse...

Weiterlesen

Mit intuitivem Management fit für die Herausforderungen von morgen

Alleinstellungsmerkmale sind wichtig - für Unternehmen ebenso wie für den Einzelnen. So gelingt es, sich vom Wettbewerb abzuheben und zu positionieren. Ist das Wissen für jeden verfügbar, sind Produkte vergleichbar und die Methoden weitgehend ausgeschöpft, ist es schwer, sich zu differenzieren. Außer man nutzt tatsächlich ganz neue Ansätze für eine wirksame Unternehmenssteuerung und zeitgemä...

Weiterlesen

Worauf kommt es an? Die fünf wichtigsten Triebkräfte der KI-Revolution

Die Technologie der Künstlichen Intelligenz ist in ihrem Potenzial mit der Erfindung der Dampfmaschine oder dem Siegeszug des Internets vergleichbar. Was wir aktuell erleben, ist also nicht weniger als eine epochale Disruption, die die Art, wie Menschen weltweit leben und arbeiten, grundlegend verändern wird. Doch die Einführung und Umsetzung von KI-Lösungen ist kein Selbstläufer! Im Gegenteil: Es gib...

Weiterlesen

Außergewöhnliche Unternehmenserfolge: Was können wir von Apple & Co. lernen?

Warum wachsen manche Unternehmen dynamisch? Warum finden manche scheinbar völlig mühelos Mitarbeiter und Kunden? Was machen diese Organisationen anders als andere? Es ist ganz einfach! Sie haben ihren persönlichen Lebenssinn gefunden und inspirieren Gleichgesinnte, ihnen dabei zu folgen.Aus Mitarbeitern werden Gefährten, die mit dem Unternehmer durch dick und dünn gehen. Aus Kunden werden Freunde und F...

Weiterlesen

Die Krise für innovative Verbesserungen nutzen

WISSENplus
Krisenzeiten sind nichts für Feiglinge. Leader, die Führung als Herausforderung verstehen, Zukunft proaktiv und verantwortlich zu gestalten, verwalten die Krise nicht, sondern nutzen den Wandel entschlossen dazu, um notwendige Veränderungen und Verbesserungen herbeizuführen. Zentraler Impuls dabei: Sie wollen die Mitarbeiter mitnehmen. ...

Weiterlesen

Virtuell, flexibel, innovativ: Führung im Turnaround

Führungskräfte haben vielfältige Funktionen inne - vom Mentor und Coach ihrer Mitarbeiter bis hin zum Innovator und Vermittler. Dabei bewegen sie sich stets zwischen verschiedenen Polen: Kooperation auf der einen und Konkurrenz auf der anderen Seite. Sie balancieren zwischen größtmöglicher Freiheit für ihre Mitarbeiter, um maximale Kreativitätspotenziale freizusetzen, und der erforderlichen Ko...

Weiterlesen