2003/3 | Editorial | Wissensmanagement
Die Medien als Vorreiter im Wissensmanagement?
„Die Menschheit erlebt den ersten Entwurf eines Geschichtsfernsehens“, so Chris Cramer, Präsident von CNN International, vor dem Hintergrund der Diskussion um die Kriegsberichterstattung im derzeitigen Irak-Konflikt. Rund 7.000 Korrespondenten aus aller Welt, davon allein 600 in die Truppenverbände integriert, bringen den Fern-sehzuschauern die Ereignisse so nah wie nie zuvor. Dabei profitieren die Journalisten von heute vor allem von den Fortschritten in der Satellitenkommunikation. Noch vor 10 Jahren wog ein Satellitentelefon 10 Kilogranm, die Ge-sprächsminute kostete bis zu 20 Dollar. Heute kann sich jeder freiberufliche Journalist für weniger als 200 Dollar ein nicht mal 200 Gramm leichtes Gerät mieten und ab 1,80 Dollar pro Minute seine Berichte durchgeben oder Bild- und Tondaten in die Redaktion übertragen. Die großen Medienanstalten sind mit ihren Geländefahrzeugen und Nachtsichtgeräten ähnlich ausgestattet wie die alliierte Armee. Spezialantennen halten den Funkkontakt, selbst wenn der Geländewagen mit 80 Stundenkilometern durch die Wüste jagt. Zumindest, was die technische Ausstattung betrifft, scheinen Rundfunk und Fernsehen führend beim Aufbau struktureller Wissensmanagement-Systeme.
Ein ganz anderes Bild vermittelt unser aktueller Branchen-report zu Wissensmanagement im Verlagswesen (Seite 14). Verlage, die ja per definitionem als die klassischen Vertreter von Wissensarbeit gelten, stecken bei ihren Wissensmanagement-Anwendungen noch in den Kinderschu-hen. Professionelle Content-Management- und Retrieval-Systeme erschließen lediglich das explizite Wissen, während qualitative Ansätze zur Bewahrung und Weitergabe des impliziten Mitarbeiterwissens die große Ausnahme bilden. Die entwickelten Lösungen und Strategien dienen dabei in erster Linie kommerziellen Gesichtspunkten, der Einsatz im eigenen Unternehmen wird als nachrangig bewertet.
Hier zeigen sich ganz deutlich die strukturellen Schwächen in den Verlagen, die derzeit massiv Arbeitsplätze abbauen. Laut einer aktuellen Studie der Ludwig-Maximilian-Universität, München, ist Stellenabbau einer der größten Wissensverlustbringer in Unternehmen (Seite 11). Und mit welchen Strategien die Verlage den Wissensver-
lust kompensieren und auf die Bedeutung des Themas Wissensbewahrung reagieren ? diese Antwort bleiben sie bislang weitgehend schuldig.
Vielleicht sollten die Verantwortlichen in den Verlagshäusern ihre Führungskräfte einmal nach Chemnitz schicken. Die dortige Technische Universität offeriert seit April 2002 einen Masterstudiengang Wissensmanagement (Seite 42). Mit engem Bezug zur Praxis werden in einem 15-monatigen berufsbegleitenden Studium Kenntnisse und Fähigkeiten zur effizienten Nutzung der Ressource Wissen vermittelt. Abschluss ist der Executive Master of Knowledge Management.
Aber nicht nur den Wissensarbeitern im Verlagswesen ist die permanente Auseinandersetzung mit der Ressource Wissen dringend zu empfehlen. Ein jeder und eine jede sind aufgefordert, sich fit zu halten. Denn nur wer sein Wissen permanent weiterentwickelt, hat zumindest im Berufsleben die Chance, zu überleben.
In dem Wunsch, dass High-Tech nicht nur in Krisenzeiten zum Einsatz kommt, verbleibe ich für dieses Mal mit nachdenklichen Grüßen.