2025/10 | Praxis Wissensmanagement | Leadership
Generation Z & Führung unter der Lupe: Was wirklich anders ist – und was nicht
In vielen Führungsetagen herrscht Verunsicherung, wenn es um die Generation Z geht, also jene jungen Menschen, die ab etwa 1995 geboren wurden und mehr und mehr in den Arbeitsmarkt drängen. Sie gelten als fordernd, selbstbewusst, technologieaffin und gleichzeitig empfindlich, wechselbereit und illoyal. Der Eindruck: Diese Generation ist "anders". Führungskräfte fragen sich, wie sie mit den neuen Erwartungen umgehen sollen und ob bisherige Führungsprinzipien überhaupt noch funktionieren. Doch hinter den Schlagwörtern und Klischees steckt eine tiefere Dynamik. Es geht um einen Wandel in Werten, in Lebensrealitäten und in der Art, wie Führung in einer neuen Arbeitswelt gedacht und gelebt werden muss.
Sicherheit durch Klarheit - statt durch Hierarchie
Die Generation Z ist mit permanentem Wandel aufgewachsen: Digitalisierung, Klimakrise, Pandemie, politische Instabilität. Das prägt. Sicherheit wird heute nicht mehr durch stabile Strukturen und Autorität empfunden, sondern durch Transparenz, Orientierung und planbare Entwicklung. Führungskräfte, die klare Erwartungen formulieren, greifbare Feedbackstrukturen schaffen und eine nachvollziehbare Vision vermitteln, werden unabhängig vom Führungsstil als zuverlässig erlebt. 86 Prozent der Gen Z-Arbeitnehmenden haben den Wunsch nach Orientierung. [1] Diese Klarheitsorientierung bedeutet aber nicht, dass alles kontrolliert oder vorgegeben sein muss. Im Gegenteil, die Kombination aus Selbstbestimmung und klaren Leitplanken ist entscheidend. Wer nur laissez-faire führt, erzeugt Unsicherheit. Wer dagegen klare Rollenbilder mit Freiräumen kombiniert, schafft ein Umfeld, das der Generation Z entspricht.
Sinn schlägt Status
Während frühere Generationen Status über Position, Titel oder Dienstwagen definierten, sucht die Generation Z nach Sinn und Wirkung. "Was bringt das?" ist für sie keine respektlose Frage, sondern Ausdruck eines veränderten Werteverständnisses. Arbeit soll nicht nur Einkommen sichern, sondern auch Identifikation ermöglichen. Führung muss darauf reagieren - nicht mit missionarischem Purpose-Marketing, sondern mit echter Anschlussfähigkeit. Es geht darum, aufzuzeigen, wofür ein Unternehmen steht, welchen Beitrag die Arbeit leistet und warum es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen. Wenn Führungskräfte das nicht vermitteln können, springen junge Talente ab. Das tun sie nicht aus Trotz, sondern aus Orientierungslosigkeit. Der Wunsch geht klar in die Richtung nach einer Arbeitswelt, die mehr bietet als Work-Life-Balance und entsprechende Bezahlung. Flexibilität ist keine Option mehr, sondern zwingende Notwendigkeit. Elementar sind zudem leistungsstarke Technologie und eine Kultur des sicheren Arbeitsplatzes. Auch soziales Engagement des jeweiligen Unternehmens - wie es beispielsweise Ben & Jerry's betreibt - wird von der Gen Z honoriert. Diese Werte trägt die Generation mit. Patagonia kommuniziert klar nach außen, wie wichtig der Zusammenhalt im Unternehmen ist, sucht keine "Stars", sondern passende Personen für die jeweilige Stelle. Auch hier liegt ein klarer Mehrwert.
Feedback als Grundbedürfnis
Ein häufiges Missverständnis in der Führung der Generation Z ist, dass Feedback als Sonderwunsch oder Sensibilität interpretiert wird. Tatsächlich gehört regelmäßige Rückmeldung für viele junge Mitarbeitende zu den elementaren Bestandteilen von Entwicklung. Sie sind es gewohnt, in Echtzeit Rückmeldung zu erhalten - über Likes, Reaktionen und Algorithmen. Daher ist regelmäßiges Feedback bereits heute zu einem Grundbedürfnis geworden. [2] In der Arbeitswelt treffen sie oft auf Führungskräfte, die Feedback immer noch als Ausnahme oder Kritik verstehen. Daraus resultieren Enttäuschung und Unsicherheit auf beiden Seiten. Wer die Generation Z führen will, sollte Feedback als integralen Bestandteil der Führungskultur etablieren: klar, direkt, konstruktiv und regelmäßig.
Work-Life-Mentalität ist kein Zeichen von Faulheit
Viele Führungskräfte schließen aus der klaren Trennung von Arbeit und Privatleben bei der Generation Z mangelnde Leistungsbereitschaft. Doch es geht nicht um Bequemlichkeit, sondern um ein verändertes Verständnis von Arbeit als Teil eines größeren Lebensentwurfs. Was hier auf den ersten Blick wie Rückzug wirkt, ist oft Ausdruck einer gesunden Selbstabgrenzung. Führung sollte diesen Wunsch nicht als Widerspruch zur Leistung sehen, sondern als Aufforderung, Arbeit so zu organisieren, dass sie produktiv und menschenfreundlich zugleich ist. Das bedeutet nicht, dass alle Wünsche erfüllt werden müssen, sie aber ernst genommen und professionell verhandelt werden sollten. Für die Erfüllung des Wunsches nach einer besseren Work-Life-Balance wären knapp zwei Drittel der Gen Z bereit, ein niedrigeres Gehalt zu akzeptieren. [3] Unternehmen können in diesem Zusammenhang Strategien und Programme implementieren wie beispielsweise Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Förderung von Hobbys und Interessen oder auch Stressbewältigungskurse.
Digitale Selbstverständlichkeit trifft auf analoge Führungsstile
Die Generation Z ist digital sozialisiert. Sie erwartet Prozesse, Kommunikation und Organisation, die diesen Standard widerspiegeln. Umso größer ist die Irritation, wenn Führungskräfte auf Papierprozesse, langwierige Meetings oder intransparente Abstimmungen setzen. Führungskräfte müssen hier nicht zu Digital Natives werden, aber sie sollten Offenheit für digitale Tools und Arbeitsweisen zeigen. Digitale Kompetenz wird zunehmend zu einem Vertrauensfaktor in der Führung. Wer sich dagegen sperrt, wirkt schnell aus der Zeit gefallen. Denn: Gen Z-Mitarbeitende schätzen zunehmend Unternehmen, die digitale Tools in der Personalentwicklung und im Arbeitsalltag integrieren. [4]
Führung muss sich neu kalibrieren
Die Generation Z ist anders - aber nicht unführbar. Was sie fordert, sind keine Privilegien, sondern zeitgemäße Antworten auf veränderte Rahmenbedingungen. Dabei spielen letztlich auch kulturelle Unterschiede eine wichtige Rolle, denn die Erwartungen der Generation Z können je nach Kontext variieren. Die Grundprinzipien guter Führung wie Klarheit, Haltung, Verlässlichkeit und Kommunikation gelten dennoch weiterhin. Doch sie müssen neu interpretiert werden, und zwar situativer, individueller, dialogischer. Wer die Generation Z erfolgreich führen will, sollte nicht versuchen, sie zu erziehen oder "passend zu machen". Vielmehr geht es darum, als Führungskraft einen professionellen Rahmen zu schaffen, in dem sich junge Talente entfalten können, ohne dabei die unternehmerischen Anforderungen aus den Augen zu verlieren. In diesem Zusammenhang bieten sich Strategien zur Entwicklung von Führungskräften an, die spezifisch auf die Gen Z eingehen - etwa die Stärkung der Kommunikationsfähigkeiten, die Entwicklung von Soft Skills und die Stärkung der Authentizität. Nichtsdestotrotz bleibt Führung ein Balanceakt. Nur: Die Gewichte haben sich verschoben.
Quellen:
[1] 2024 Gen Z an Millenial Survey, Deloitte Global.
[2] 2024 Gen Z an Millenial Survey, Deloitte Global.
[3] Zenjob Studie, 2024.
[4] "What do Gen Z really want from a workplace?", Strategic HR Review, Vol. 24 No. 2
Der Autor:
Als Sparringspartner begleitet Ben Schulz Unternehmerinnen und Unternehmer kleiner und mittelständischer Unternehmen. Sein Themenspektrum reicht von der Erarbeitung und Implementierung von Leitbildern über die Strategieentwicklung bis zur Führungskräfte-Entwicklung. Der SPIEGEL-Bestseller-Autor bringt dabei Wissen aus über zwei Jahrzehnten Unternehmertum und Unternehmensberatung mit.
Bildquelle: (C) Uwe Klössing