2004/9 | Fachbeitrag | Informationslogistik
Informierte Mitarbeiter dank automatisierter Rundschreibenverteilung
Von Thomas Vogd
Inhaltsübersicht:
- Herkömmliche Rundschreibenverteilung bei der BKK futur
- Der Ansatz von @ptus circular
- Die Systemeinführung
- Fazit
Für Mitarbeiter in wissensbasierten Unternehmen gehört
es zur täglichen Arbeit, aus der Flut eingehender Informationen diejenigen
auszuwählen, die für das eigene Handeln bedeutsam sind. Der für
diese Tätigkeit benötigte Zeitaufwand steigt mit einem ständig
zunehmenden Informationsaufkommen. Um diesem Problem zu begegnen, wurde am Fraunhofer-Institut
für Software- und Systemtechnik (ISST), Dortmund, in Kooperation mit der
Krankenkasse BKK futur ein Informationssystem zur bedarfsgerechten Verteilung
von Rundschreiben entwickelt. Das System namens @ptus circular nimmt den Krankenkassenmitarbeitern
die zeitaufwendige Auswahl der Rundschreiben ab und leitet automatisch die jeweils
relevanten Informationen an die einzelnen Sachbearbeiter weiter.
Bei der BKK futur werden Rundschreiben als Instrument eingesetzt, um aktuelle
Informationen an die Mitarbeiter der Krankenkasse weiterzugeben. Pro Tag werden
bis zu 80 Rundschreiben verteilt. Die Bandbreite an Inhalten ist breit gefächert:
von Änderungen der Arzneimittel-Gebührenordnung über Neuerungen
bezüglich des Risikostrukturausgleichs zwischen Krankenkassen bis hin zu
aktuellen Seminarangeboten. Nicht jedes dieser Themen ist für den einzelnen
Mitarbeiter von Bedeutung. Umgekehrt enthalten einige Rundschreiben Informationen,
deren Kenntnis für die korrekte Ausübung bestimmter Tätigkeiten
notwendig ist. So muss beispielsweise ein Sachbearbeiter in der Leistungsabrechnung
stets über hinzugekommene, nicht erstattungsfähige Arzneimittel im
Bilde sein; Informationen zum Risikostrukturausgleich sind für ihn jedoch
unwichtig.
Herkömmliche Rundschreibenverteilung
bei der BKK futur
Bislang erfolgte der Zugriff auf Rundschreiben ausschließlich über
ein Web-Portal, das die Ansicht neu eingetroffener Rundschreiben sowie deren
Auswahl nach gewissen Kriterien erlaubt. Um sich in diesem Portal über
Rundschreiben zu informieren, muss jeder Mitarbeiter der BKK futur aktiv nach
neuen, für ihn relevanten Inhalten suchen. Die Rundschreiben werden also
nicht im eigentlichen Sinne verteilt, vielmehr ist jeder Bezug das Ergebnis
einer Anfrage an das Web-Portal. Die Informationsverteilung erfolgte somit über
einen reinen Pull-Ansatz, d.h. die Mitarbeiter waren für die eigene Informationsversorgung
selbst verantwortlich.
Das Abrufen von Rundschreiben über das Web-Portal weist folglich zwei
wesentliche Nachteile auf:
- Jeder Mitarbeiter muss von sich aus regelmäßig auf das Portal zugreifen, um nach neuen Rundschreiben zu suchen. Wird diese Möglichkeit nicht genutzt, so kommen wichtige Informationen nicht dort an, wo sie benötigt werden.
- Jeder Mitarbeiter muss unter den im Portal verfügbaren Rundschreiben die für ihn wirklich relevanten auswählen. Sowohl das Überfliegen aller angebotenen Rundschreiben (bis zu 80 Stück am Tag) als auch die Verwendung der Suchfunktion des Web-Portals sind mühevoll und zeitaufwendig.
Diesen Nachteilen wurde mit der Einführung von @ptus circular entgegengewirkt.
Das neue System führt die Verteilung von Rundschreiben nach informationslogistischen
Prinzipien durch. Informationslogistik hat die bedarfsgerechte Zustellung von
Informationen zum Ziel: Eine benötigte Information wird der richtigen Person
zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung gestellt. Konkret bedeutet
dies bei der BKK futur, dass jedem Mitarbeiter der Krankenkasse laufend die
für ihn interessanten Rundschreiben in Form einer E-Mail zugestellt werden.
Diese beinhaltet neben einer Kurzbeschreibung der Inhalte direkte Verweise auf
die einzelnen Rundschreiben. Über diese Hyperlinks können die Rundschreiben
im Web-Browser geöffnet werden.
Beispiel einer E-Mail mit Rundschreiben-Überblick |
Um die für einen Mitarbeiter relevanten Rundschreiben ermitteln zu können,
berücksichtigt @ptus circular die Rollen, welche der einzelne Mitarbeiter
bei der BKK futur ausübt. Aus einer Rolle – beispielsweise „Sachbearbeiter
Leistungserstattung Pflege“ – ergeben sich Aktivitäten bzw.
Tätigkeiten, zu deren Ausführung bestimmte Informationen erforderlich
sind. Zur Kennzeichnung der individuell benötigten Informationen werden
anhand definierter Kriterien konkrete Informationsbedarfe spezifiziert. Jeder
Rolle werden ein oder mehrere Informationsbedarfe zugeordnet. Ein Rundschreiben
ist dann für eine Rolle relevant, wenn es einem der Rolle zugeordneten
Informationsbedarf entspricht. Dazu ein Beispiel: Der Rolle „Sachbearbeiter
Leistungserstattung Pflege“ ist u.a. der Informationsbedarf „Pflege“
zugeordnet. Dieser ist durch die Schlagwörter „Pflege“, „Sozialgesetzbuch
XI“ und „Heimentgelt“ spezifiziert. Ein Rundschreiben, dessen
Kurzbeschreibung eines dieser Schlagwörter beinhaltet, entspricht dem Informationsbedarf
und ist somit ein für diese Rolle relevantes Rundschreiben.
Die Definition der Rollen und Informationsbedarfe erfolgt durch Systemadministratoren.
Diese sind darüber hinaus für die Verwaltung der im System registrierten
Nutzer zuständig. Für jeden Nutzer wird ein individuelles Profil angelegt,
das seine Rollen und Informationsbedarfe sowie weitere Angaben wie seine E-Mail-Adresse
und den präferierten Zustellzeitpunkt für Rundschreiben erfasst. Tritt
ein gewünschter Zustellzeitpunkt ein, ermittelt @ptus circular unter Berücksichtigung
der Rollen und Informationsbedarfe die für diesen Mitarbeiter relevanten
Rundschreiben. Unter den gefundenen werden solche verworfen, die dem Nutzer
bereits zugestellt wurden. So werden Mehrfachzustellungen vermieden. Aus den
verbleibenden Rundschreiben generiert das System die automatisch zugestellte
E-Mail, die ausschließlich die für den betreffenden Mitarbeiter zum
aktuellen Zeitpunkt benötigten Informationen enthält.
Die technische Realisierung von @ptus circular basiert auf einer am Fraunhofer
ISST entwickelten Referenzarchitektur für informationslogistische Anwendungen,
welche an den konkreten Anwendungsfall bei der BKK futur angepasst wurde. Die
realisierte Server-Applikation ließ sich leicht in die bestehende IT-Infrastruktur
integrieren, denn die benötigten Clients (E-Mail-Clients für die Mitarbeiter,
Web-Browser für die Administratoren des Systems) gehören zur Standardausstattung
eines jeden PC-Arbeitsplatzes bei der Krankenkasse.
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Die Systemarchitektur von @ptus circular |
Neben der technischen Umsetzung von @ptus circular bestand eine Herausforderung
des Projektes in der Spezifikation der Informationsbedarfe sowie deren Zuordnung
zu Rollen. Dazu wurde ein mehrstufiges Vorgehen gewählt: In einer ersten
Testphase nutzten zunächst nur wenige Mitarbeiter der Hauptgeschäftsstelle
das neue Informationssystem. Als Ausgangspunkt dienten Informationsbedarfe,
die nach Befragungen der beteiligten Mitarbeiter erstellt worden waren. Im Laufe
der Testphase wurden die ursprünglich definierten Informationsbedarfe sukzessive
verfeinert, indem die als relevant erfassten Rundschreiben mit den tatsächlich
relevanten Rundschreiben verglichen wurden. Im Anschluss an diese erste Testphase
erweiterte man den Teilnehmerkreis nach und nach um weitere Mitarbeiter der
Krankenkasse. Kam ein vollständig neuer Bereich hinzu, wurde für diesen
eine erneute Testphase durchgeführt. Die Verfeinerung der Informationsbedarfe
wurde durch die BKK futur selbst vorgenommen.
Die vom Fraunhofer ISST begleitete Einführungsphase erstreckte sich von
Juli bis Dezember 2003. Zum Ende der Einführungsphase waren bereits 90
Prozent der Mitarbeiter des Hauptsitzes der BKK futur an @ptus circular angebunden.
Die Informationslogistik von @ptus circular stellt sicher, dass nunmehr jeder
Mitarbeiter der BKK futur alle für ihn relevanten Rundschreiben erhält,
ohne danach suchen zu müssen. Ausschlaggebend dafür ist die Abkehr
von einem reinen Informations-Pull durch die Mitarbeiter hin zu einer automatisierten,
bedarfsgerechten Informationsversorgung durch das System (Informations-Push).
Ein bedeutender Mehrwert ist die Selektion relevanter Rundschreiben, die individuell
für jeden Mitarbeiter vorgenommen wird. Das Resultat ist ein stark reduziertes
Informationsaufkommen: Für einen typischen Mitarbeiter konnte die Anzahl
an Rundschreiben während der Einführungsphase von durchschnittlich
2.451 auf 178 gesenkt werden. Dies schlägt sich nicht nur in einem geringeren
Zeitaufwand nieder – auch das Erfassen der in den Rundschreiben vermittelten
Informationen wird erleichtert, da der Blick auf das Wesentliche nicht mehr
durch irrelevante Informationen verstellt ist. Im Vergleich zu der durch die
Mitarbeiter selbst durchgeführten Suche im Web-Portal fließen bei
der Selektion durch @ptus circular dank der ermittelten Informationsbedarfe
zudem die Erfahrungen anderer Mitarbeiter ein. In diesem Sinne kann man hier
von einer Best-Practice-Suche sprechen