2000/9 | Fachbeitrag | Wissensmanagement-Strategien
Verkürzte Sichtweisen gefährden den Erfolg von Wissensmanagement
Von Uwe
Inhaltsübersicht:
- Die trügerische Welt der phantastischen Möglichkeiten
- "So wie ein Produktmanager Produkte managt, so managen Wissensmanager Wissen"
- "Wenn wir nur wüssten, was wir wissen..."
- "Wissensmanagement hat die Aufgabe, das Wissen aller im Unternehmen zu vernetzen"
- "Mehr Wissen ist besser"
- "Die Auswahl und der Einsatz der richtigen Werkzeuge sind der Kern beim Wissensmanagement"
- "Solange wir keinen Weg gefunden haben, den Return of Investment von Wissensmanagement-Projekten zu messen, bringt die ganze Arbeit nichts"
- Fazit
Eine optimale
Nutzung des Produktionsfaktors Wissens ist überlebensnotwendig. Diese
Erkenntnis hat sich mittlerweile in den meisten Unternehmen durchgesetzt.
Doch während ein allgemeiner Konsens darüber herrscht, dass
Wissensmanagement wichtig ist, scheiden sich die Geister bereits bei der
Frage, was dies konkret bedeutet. Zwar hat jeder sofort eine Idee, wofür
Wissensmanagement gut ist, aber leider hat jeder dabei eine andere Idee.
Noch kontroverser wird die Diskussion um die Frage, wie gutes Wissensmanagement
auszusehen hat und wie dieses einzuführen ist.
Die trügerische Welt der phantastischen Möglichkeiten
Mit den Konsequenzen
dieser Verwirrung kämpfen Wissensmanagement-Verantwortliche in vielen
Unternehmen seit Jahren. Denn wenn nicht klar herausgearbeitet wird, was
Wissensmanagement leisten soll und leisten kann, entwickelt sich das Thema
zu einer Müllhalde beliebiger Projektionen und Probleme. Diese Gefahr
besteht ganz akut, wie neuere Befragungen zeigen (KPMG 1998, The Boston
Consulting Group 1998, Infratest Burke 1999) [1].
In diesen tritt eine immer größere Diskrepanz zwischen der
Einschätzung der Bedeutung des Wissensmanagements und der Zufriedenheit
mit dem bisher Erreichten zutage. Regelmäßig schätzen
mehr als 80% der befragten Unternehmensleiter Wissensmanagement als wichtig
bzw. sehr wichtig ein, während weniger als ein Viertel die bisherigen
Bemühungen als erfolgreich ansieht.
Ein Grund dafür
liegt in einer trivialisierten Wissensmanagement-Sichtweise. So wird in
Konferenzpräsentationen, Software-Produktblättern und Management-Ratgebern
regelmäßig das Loblied der phantastischen Möglichkeiten
und der erfolgreichen Pionierunternehmen gesungen was bei einem
jungen Thema wie Wissensmanagement auch wichtig ist. Aber wie ein amerikanisches
Sprichwort sagt: "There is nothing like free lunch" irgendwo
ist immer ein Haken. So werden die Schwierigkeit und Ernüchterung
bei der Implementierung gerne verschwiegen. Damit können bei nur
oberflächlicher Beschäftigung mit dem Thema Wissensmanagement
gefährliche Verkürzungen bzw. Trugschlüsse entstehen, die
Wissensmanagern die Arbeit massiv erschweren.
Dieser Artikel zeigt
einige der gängigsten (Fehl-) Projektionen bzw. verkürzten Sichtweisen
auf und beleuchtet einige der sich daraus ergebenden Paradoxien. Damit
hilft er Unternehmensleitern und Wissensmanagern, eine bessere Einschätzung
der Nutzenpotenziale von Wissensmanagement vornehmen zu können und
realistische Anforderungen an ein Wissensmanagement zu formulieren.
"So wie ein Produktmanager Produkte managt, so managen
Wissensmanager Wissen"
Der Begriff Wissensmanagement
suggeriert, dass sich Wissen managen lässt wie Lagerbestände
oder Finanzen. Aber so einfach ist die Sache nicht. Ein wesentlicher Teil
des wertvollen Wissens in Unternehmen ist Erfahrungswissen der Mitarbeiter.
Dieses so genannte implizite oder tazite Wissen aufzuspüren, zu kartografieren
und allen im Unternehmen verfügbar zu machen, ist eine der Aufgaben
beim Wissensmanagement. Häufig werden dazu die Erfahrungsträger
ermutigt oder auch gedrängt, ihre Erfahrungen zu explizieren und
zu dokumentieren.
Eine solche Wissensmanagement-Strategie
greift zu kurz und kann aus mehreren Gründen zu Problemen führen:
- Wissen, welches die Erfahrungsträger zu effektivem Handeln befähigt, ist über lange Zeit aufgebaut worden und damit eng mit der gesamten Persönlichkeit des Wissenden verbunden. Wenn man dieses Erfahrungswissen weitergeben möchte, müsste man diesen gesamten Kontext mit transportieren, denn je nach Situation wird dieses Erfahrungswissen verschieden eingesetzt. Erfahrungswissen ist in seiner Komplexität kaum zu dokumentieren.
- Damit wird versucht, direkt auf das Persönlichste zuzugreifen, was ein Mitarbeiter dem Unternehmen zur Verfügung stellen kann: seine Erfahrungen und sein Wissen. Dies ruft dann schnell Widerstand hervor: "Ich lasse es nicht zu, dass jemand anderes mein Wissen managt."
Aus diesen Gründen
gibt es für einen Wissensmanager in einem solchen Prozess auch kaum
verlässliche Steuerungsmöglichkeiten. Im Zuge eines so konzipierten
Wissensmanagements könnte zwar sichergestellt werden (z.B. durch
Zielvereinbarungen oder obligatorische Projekt-Reviews), dass die Erfahrungsträger
irgendetwas dokumentieren und weitergeben, nicht aber die Relevanz, Aktualität
und Qualität dieses Wissens. Was im Kopf eines Menschen steckt und
wie er damit umgeht, darüber hat nur dieser Mensch selbst Kontrolle
nur er entscheidet, was und wieviel davon er weitergibt.
Deshalb lässt
sich Wissensmanagement nicht verordnen oder erzwingen. Mit Peter Drucker
gilt, dass "in der Wissensgesellschaft jeder ein Freiwilliger ist"
[2]. Die Aufgabe des
Wissensmanagements muss deshalb anders gefasst und könnte systemisch
so formuliert werden:
- Schaffe Rahmenbedingungen, Infrastrukturen, Systeme und Abläufe, so dass sich Wissensträger und Wissenssuchende bei Bedarf schnell und effektiv austauschen können.
- Sorge dafür, dass die Mitarbeiter im Unternehmen Wissensmanagement kennen (Kommunikation), sich beteiligen können (Training) und dies auch wollen (Motivation).
- Arbeite an Werten und Beurteilungssystemen, die eine solche Wissensvernetzung fördern und erfordern.
"Wenn wir nur wüssten, was wir wissen..."
Dieser Stoßseufzer
ist immer wieder aus den Führungsetagen der Unternehmen zu hören.
Aber dies kann nur ein frommer Wunsch bleiben und sollte nicht zum Ziel
eines Wissensmanagement-Programmes gemacht werden. Mit zunehmender Dezentralisierung
und Veränderungsgeschwindigkeit sinkt zugleich auch die Transparenz
in den Unternehmen niemand kann mehr alles wissen, was im Unternehmen
passiert. Und warum sollte man das? Wenn alle über alles im Unternehmen
Bescheid wissen, ist dann schon eine Mark mehr Umsatz gemacht oder ein
Kunde besser bedient worden?
Es geht in Unternehmen
also nicht nur darum zu wissen. Nur wenn das Unternehmen ein Forschungsinstitut
oder eine Beratungsfirma ist, wird es direkt für das Wissen bezahlt.
Die meisten Unternehmen bekommen vom Kunden Geld für clevere Produkte,
Dienstleistungen oder die erfolgreiche Abwicklung von Aufträgen.
Das Wissen ist hierbei in den Produkten und Dienstleistungen eingebaut
und der Kunde ist bereit, für diese cleveren Angebote mehr zu bezahlen
als für weniger clevere. Wissensmanagement zielt dann darauf, dieses
Wissen in die Angebote des Unternehmens und damit an den Markt zu bekommen.
Durch eine hohe Innovationsgeschwindigkeit kann der Wissensvorsprung gegenüber
Wettbewerbern aufrecht erhalten werden.
Im Hinblick auf eine
bessere Abwicklung von Aufträgen ist es Wissensmanagement-Aufgabe,
die Mitarbeiter zu befähigen, mit unzureichender Information leben
zu können und trotzdem die Kundenprojekte erfolgreich zu Ende zu
führen. Dies hat viel mit Meta-Wissen zu tun, welches gebildet werden
muss:
- Wo kann ich bei Bedarf nötiges Wissen nachlesen?
- Wo finde ich Ansprechpartner?
- Wie kann ich – z.B. mit Szenariotechnik – auch bei unsicheren Rahmenbedingungen zu brauchbaren Ergebnissen kommen?
- Wie kann ich die Angebote noch ein bisschen besser machen?
- Wie lässt sich unsere Vorgehensweise optimieren?
- Wie kristallisieren wir frühzeitig Erfolg versprechende Ansätze heraus?
Es geht also beim
Umgang mit Wissen in Unternehmen nicht darum, dass jeder alles weiß,
sondern eher um die Aufgabenstellung, wie Wissen besser zu Geschäft
zu machen ist!
"Wissensmanagement hat die Aufgabe, das Wissen aller
im Unternehmen zu vernetzen"
Ergebnis dieser Maxime
kann das x-te nun konzernweite Expertenverzeichnis sein
oder unternehmensweite Wissensbasen, in denen entweder niemand sucht oder
in denen nichts oder niemand gefunden wird. Warum?
Eine stärker
geschäftsbezogene Sichtweise kann hierauf eine Antwort geben: Weil
sich Unternehmen zunehmend in mehrere Geschäftsbereiche gliedern
und sich verstärkt unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke
herausbilden, bilden sich auch ganz neue unternehmensübergreifende
Wissensnetzwerke. Während man in regelmäßigem Austausch
mit Partnern in anderen Unternehmen steht, hat man mit manchen Kollegen
in der eigenen Firma kaum mehr Anknüpfungspunkte. Wenn dann noch
Konkurrenzbeziehungen zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen
bzw. Geschäftsbereichen der Firma bestehen, wird die Bildung eines
unternehmensweiten Wissensmanagements weiter erschwert.
Da solche Strukturen
aber Realität in der heutigen Wirtschaft sind, müssen sie sich
auch im Wissensmanagement widerspiegeln. Es kann deshalb sinnvoll sein,
innerhalb eines Unternehmens verschiedene Wissensmanagement-Aktivitäten
nebeneinander laufen zu lassen und nicht zu einem System zu integrieren.
Andererseits muss Wissensmanagement nicht zwangsläufig an den Unternehmensgrenzen
Halt machen, sondern kann wichtige Partnerunternehmen mit einbeziehen.
Für die Abgrenzung
der einzelnen Wissensmanagement-Aktivitäten bietet sich deshalb an:
Nicht jeder muss sich an einer Wissensmanagement-Lösung beteiligen
(Push), aber jeder sollte die Möglichkeit haben, sich beteiligen
zu können (Pull).
Darüber hinaus
gibt es aber auch Aufgaben, die unternehmensweit gelöst werden müssen,
weil sie grundlegend für das Wissensmanagement sind. Beispielsweise
bestimmen die Qualität der unternehmensweiten Kommunikationsverzeichnisse
oder der E-Mail-Systeme auch die Qualität, die ein darauf aufbauendes
Wissensmanagement-System bieten kann. Auch sollten unternehmensweite Standards
bei der Auswahl von Kommunikationsmedien oder Software-Schnittstellen
vereinbart werden. Denn es ist sinnvoll, wenn einzelne Systeme zwar nicht
integriert werden, aber trotzdem kompatibel sind und unkompliziert miteinander
vernetzt werden können.
Auch diese Aussage
erweist sich bei näherem Hinsehen als Trugschluss. Wie bereits ausgeführt,
ist das Ziel der Bereitstellung von Informationen und Wissen im Unternehmen
die Handlungsunterstützung. Deshalb muss das Wissensmanagement abhängig
von den zugrunde liegenden Handlungen gemacht werden. Für einfache
und klar strukturierte Aufgaben ist es sinnvoll, auch das entsprechende
eindeutige und klar strukturierte Wissen zur Verfügung zu stellen.
Bei schlecht strukturierten und komplexen Aufgabenstellungen hingegen
ist dies nicht möglich. Hier ist es notwendig, eine reichhaltige
Auswahl von Informationen und Wissen bereitzustellen.
Aber hierin liegt
auch die Ursache für die zunehmende Informationsüberflutung:
Bedingt durch die neuen I&K-Technologien stehen plötzlich mehr
Informationen bereit als vom Mitarbeiter mit traditionellen Arbeitstechniken
gehandhabt werden können. Spezielle Trainingsangebote können
hier Abhilfe schaffen. So wurde im Rahmen des Wissensmanagements bei Siemens
ein Training für "Persönliches Wissensmanagement"
entwickelt, in dem Methoden und Techniken vermittelt werden, wie Informationen
strukturiert und selektiert werden können. Die Teilnehmer lernen
auch, deren Relevanz für die anstehenden Aufgaben einzuschätzen
und sie gezielt zu Wissen zu machen, mit dem die anstehenden Aufgaben
besser erledigt werden können.
"Die Auswahl und der Einsatz der richtigen Werkzeuge
sind der Kern beim Wissensmanagement"
Über richtige,
falsche oder einseitig verwendete Werkzeuge lässt sich trefflich
streiten und philosophieren. So gab es in der Vergangenheit kaum Wissensmanagement-Veröffentlichungen,
in denen nicht mit ideologischem Eifer der Streit zwischen den drei klassischen
Implementierungshebeln geführt wurde:
- die Informationstechnologie-Orientierten:
Grundsätzlich gilt für sie: Nicht-dokumentiertes Wissen ist für das Unternehmen verlorenes Wissen, denn es existiert nur in wenigen Köpfen, wo es nicht frei zugänglich ist. Ziel von Wissensmanagement ist also, dieses Wissen zu identifizieren und in Wissensdatenbanken zu kartografieren, zu explizieren und zu systematisieren. - die Human-Resources-Orientierten:
Wissensaustausch findet zwischen Menschen statt. Die Bildung von Wissensnetzwerken durch Workshops, Wissensmessen, Job Rotation oder die Organisation von Kommunikationsanlässen (wöchentliche Meetings, Kaffee-Ecken) sind die typischen Werkzeuge der HR-Orientierten. - die Prozess-Orientierten:
Hier stehen die Wissensflüsse im Mittelpunkt. In Anlehnung an das Business Process Reengineering geht es darum, die Entstehung, Weitergabe und Verwendung von Wissen zu organisieren. Ziel ist es, Wissensflüsse und Geschäftprozesse so zu verbinden und zu harmonisieren, dass die Dokumentation, Weitergabe und Beschaffung von notwendigem Wissen keine Extra-Arbeit mehr bedeutet. Gemäß dem Motto: Das richtige Wissen in der richtigen Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitstellen.
All diese Sichtweisen
sind richtig und haben ihre unwiderlegbaren Stärken. Doch Ideologiegetriebenheit
führt in die falsche Richtung. Die Dysfunktionalitäten einer
einseitigen Übertreibung lassen sich an folgenden fiktiven Aussagen
von Ideologen der drei Richtungen verdeutlichen:
- "Unsere IT-Abteilung hat jetzt eine Wissensdatenbank für Vertriebsprojekte entwickelt. Wir müssen nur noch die Erfahrungen aller abgeschlossenen Projekte eingeben, dann können wir unser Vertriebswissen allen Mitarbeitern verfügbar machen. Leider ist diese Datenbank noch nicht netzwerkfähig, aber das ist nicht so schlimm, da unsere Vertriebsmitarbeiter sowieso tagsüber meist im Auto unterwegs sind und keinen Zugriff auf das Intranet haben."
- "Auch nach dem dritten Workshop konnte man sich zwar nicht auf ein gemeinsames Ergebnis einigen, aber es war doch toll, wie alle miteinander gesprochen haben. Solche Veranstaltungen sollten mindestens einmal pro Monat stattfinden."
- "Wir haben in den zwei Monaten erhoben, dass Frau X., unsere erfahrenste Mitarbeiterin im Labor, Wissen aus 43 Datenbanken oder Verzeichnissen verwendet und 87 verschiedene Ansprechpartner nutzt, um ihre Arbeit zu erledigen. Im nächsten Schritt werden wir dokumentieren, welche Quellen sie für welche Tätigkeiten nutzt, um daraus eine Wissenslandkarte zu erstellen, die ihre Nachfolgerin nutzen kann, wenn Frau X. im nächsten Herbst in Rente geht."
Wichtig ist also,
von den Stärken der einzelnen Hebel zu profitieren und daraus ein
Paket zu schnüren, bei dem die Stärken des einen Werkzeuges
die Schwächen des anderen ausgleichen. So könnte eine Practice
Group (alle Experten zu einem bestimmten Themengebiet) in einem Unternehmen
einen gemeinsamen Verteiler für E-Mails sowie eine Homepage im Intranet
haben, wo alle E-Mails archiviert werden und sich die Gruppenmitglieder
als Ansprechpartner für alle Mitarbeiter präsentieren. Wöchentlich
findet eine Telefonkonferenz der Gruppe statt, in der Ergebnisse und Erkenntnisse
der vergangenen Zeit besprochen und die Aktivitäten für die
nächste Zeit festgelegt werden. Zweimal jährlich trifft sich
die Gruppe für drei Tage, um vor Ort an Schwerpunktthemen zu arbeiten
und die Ergebnisse ihrer Arbeit für alle Mitarbeiter aufzubereiten.
Generell haben die
Werkzeuge eine gleichberechtigte Rolle im Dreiklang aus Gesamtkonzept,
Werkzeugen und der eigentlichen Implementierung. Werkzeuge allein helfen
nicht, denn: "A Fool with a Tool is still a Fool".
"Solange wir keinen Weg gefunden haben, den Return
of Investment von Wissensmanagement-Projekten zu messen, bringt die ganze
Arbeit nichts"
Vor diesem Problem
steht das Thema Wissensmanagement wirklich, aber manchmal scheint sich
darüber die Welt zu verkehren. In einigen Unternehmen beschäftigen
sich die Wissensmanagement-Verantwortlichen hauptsächlich mit der
Suche nach Wegen, den Erfolg zu messen. Dabei scheinen sie zu ignorieren,
dass erst einmal etwas da sein muss, was gemessen werden kann.
Viele Vorschläge
für Messmethoden des Unternehmenswissens setzen auf der Differenz
zwischen Börsenwert und Buchwert auf. Dies funktioniert gut für
Aktiengesellschaften, versagt aber vollständig für Unternehmen
oder Unternehmensbereiche, die keiner Marktpreisbildung unterliegen. Dem
Geschäftsführer einer GmbH oder dem Geschäftsbereichsleiter
in einem Konzern helfen sie überhaupt nicht.
Ein weiteres Problem
ist, dass sich als direkte Wirkung von Wissensmanagement keine Geschäftserfolge
(z.B. Gewinn- oder Umsatzsteigerung) erzielen lassen. Das Wissensmanagement
schafft vielmehr Potenziale für die Ausweitung des Geschäfts;
die Geschäftsverbesserung selbst wird dann in den operativen Einheiten
realisiert. Wenn sich dann die Geschäftserfolge einstellen, sind
sie nicht eindeutig auf das Wissensmanagement zurückzuführen.
Wissensmanagement schafft lediglich Möglichkeiten, ergriffen werden
müssen sie dann aber von anderen.
Unternehmensleiter,
die dies erkannt haben, messen die Leistungen des Wissensmanagements deshalb
auch an so genannten Möglichkeiten-Kenngrößen (z.B. aktive
Teilnahme an Practice Groups, qualifizierte Einträge in Yellow Pages,
Anteil länderübergreifender Projektteams), die sich aus den
spezifischen Zielen für das Wissensmanagement ableiten. Diese Kenngrössen
können dann als Bestandteil des EFQM-Self-Assessments [3]
des Unternehmens oder der Berichterstattung im Rahmen einer Balanced Scorecard
in das offizielle Kenngrößen-System des Unternehmens aufgenommen
werden.
Wenn Sie in diesem
Artikel eine Anleitung für erfolgreiches Wissensmanagement erwartet
haben, werden Sie wahrscheinlich enttäuscht sein. Hoffentlich sind
Sie aber auch ent-täuscht, denn Sie haben erkannt, dass es das nicht
geben kann. Mein Ziel war es, eine Alternative zu den verkürzten
Sichtweisen mancher Präsentation und Veröffentlichung zu bieten
und aufzuzeigen, dass es immer auch eine andere Sichtweise gibt, die es
zu bedenken gilt.
"Heutzutage
gibt es keine zwingend richtigen Wege mehr, es gibt immer Alternativen."
Wichtig ist es, die verschiedenen Möglichkeiten und deren Eigenschaften
zu kennen, um die am besten passende Alternative ergreifen zu können.
Und die Wahl einer Alternative zieht zwangsläufig Konsequenzen nach
sich. Allerdings lassen sich diese besser in Kauf nehmen, wenn man sie
kennt und schon in die Planungen einbezieht.
Wenn Sie als Unternehmensleiter
oder Wissensmanager jetzt kritischer mit dem Thema Wissensmanagement umgehen,
ist das Ziel erreicht. Denn dieses aufgeklärte Verständnis von
Wissensmanagement hilft, spätere Überraschungen zu vermeiden
und damit schon bei der Konzeption die Weichen für den Projekterfolg
zu stellen. Es scheint, als habe die Euphorie um das Thema langsam ihren
Scheitelpunkt überschritten. Jetzt beginnt die Zeit der Arbeit.
[1] KPMG: Knowledge
Management Research Report, 1998
Herp, Thomas: Wissenswettbewerb. Mehr als Knowledge Management. München
1998.
The Boston Consulting Group: Internal Innovation Series, 1998.
Deutsche Bank AG/Fraunhofer Institut IAO/Infratest Burke: Wettbewerbsfaktor
Wissen. Leitfaden zum Wissensmanagement in mittelständischen Unternehmen.
Frankfurt/M.: Deutsche Bank AG 1999.
[2] Peter Drucker
auf der Delphi Knowledge Management Conference in San Diego, CA, 1998.