2014/8 | Praxis Wissensmanagement | Wiki

Wiki statt Intranet, Social Collaboration statt Content Management

von Yvonne Mühling, Eric Klein

„Die Expertise und Leidenschaft unserer Mitarbeiter sind die kraftvollsten Ressourcen, um als Unternehmen die Gesundheit von Menschen zu verbessern“, sagt Dr. Bernadette Tillmanns-Estorf, Direktorin Unternehmenskommunikation und Wissensmanagement bei B. Braun, einem der führenden Gesundheitsversorger mit mehr als 50.000 Mitarbeitern weltweit. „Wir wissen, dass die stärksten Ideen und wirksamsten Produkte dort entstehen, wo Menschen mit unterschiedlichem Wissen und unterschiedlichen Erfahrungen gemeinsam an Problemstellungen arbeiten. Deswegen forcieren wir den kontinuierlichen Austausch und die Vernetzung – intern und extern.“ Diese Haltung – Sharing Expertise – ist die Unternehmensphilosophie von B. Braun und das Versprechen, Wissen und Kenntnisse für die Gesundheit im Dialog mit allen Partnern zu teilen, wirksam zu nutzen und konsequent auszubauen. Diese Haltung findet ihren Ausdruck auch in einem neuen Intranetkonzept bei B. Braun, dem B. Braun Knowledge Center, kurz BKC.

Das BKC – ein Social Intranet – wird seit 2013 sukzessive in mehr als 60 Länder ausgerollt. Heute steht es global zur Verfügung und löst für B. Braun viele Herausforderungen traditioneller Intranet-Systeme.

Vom Redaktions- zum Kollaborationssystem

Der Schritt vom reinen Redaktions- hin zu einem sozialen Kollaborationssystem beschreibt die Zielsetzung zur Weiterentwicklung des bis 2013 bestehenden Vorgängersystems. „Wenn wir Sharing Expertise konsequent leben, dann müssen wir Entwicklungen und Neuerungen nutzen, die uns helfen, Austausch und Vernetzung von Menschen und Themen zu erhöhen“, sagt Tillmanns-Estorf. Der Netzwerkgedanke, Informationstransparenz, Interaktion und digitale Zusammenarbeit waren die Kernargumente, die zur Entscheidung für ein Wiki-System – hier Confluence von Atlassian – als Grundlage für das neue Intranet führten.

Neben der Desktop-Version realisierte das Melsunger Familienunternehmen auch eine Mobile-Variante (Smartphone und Tablet), um Kollegen außerhalb der Büro- und Computerarbeitsplätze mitzunehmen. Umgesetzt hat B. Braun sein Social Intranet, das sich mit einem individuellen Design-Theme visuell mühelos in die Online-Welt des Unternehmens eingliedert, zusammen mit dem Dienstleister //SEIBERT/MEDIA.

Be part of it: Jeder darf editieren und kommentieren

Der technische und organisatorische Ansatz des BKC – die Wiki-Lösung – folgt dem Konzept: Jeder darf editieren. Dieser gemeinschaftliche Editier-Gedanke überwindet die ersten Hürden, an denen viele klassische Intranets scheitern. Gemeint ist die Hemmschwelle, selbst Inhalte beizutragen bzw. sie mit anderen zu teilen, weil der Zugang zum System oder zu den Editoren durch „Flaschenhälse“ erschwert bzw. als kompliziert wahrgenommen wird (One Administrator‘s Syndrome). Hier leidet automatisch die Akzeptanz des Systems und produktives Wissensmanagement als auch soziale Zusammenarbeit haben es sehr schwer.

Im BKC können Nutzer in so genannten Collaboration Spaces mit einem Klick Intranet-Dokumente anlegen, bestehende Inhalte editieren und diese gemeinschaftlich weiterentwickeln. Das durchdachte Berechtigungsmanagement sorgt dabei auf Gruppen- und Nutzerebene für das richtige Maß an Informationssicherheit.

Confluence bietet zusätzlich zahlreiche soziale Funktionen, die die meisten Anwender aus ihrer Social-Media-Nutzung kennen. Dokumente können per Klick „geliked“ werden, User können Beiträge und Seiten kommentieren, Themen diskutieren und natürlich über eine Share-Funktion mit anderen teilen. Automatische E-Mail-Benachrichtigungen unterstützen den Fluss der Kommunikation. Sowohl die gemeinsame Arbeit am Inhalt als auch die schnellen Feedback-Möglichkeiten tragen maßgeblich dazu bei, soziale Aspekte im Intranet zu stärken.

Mehr Wert: Hilfreiche Features

Confluence bietet eine gute technische Basis, greift aber im Hinblick auf einige Anforderungen, die große Unternehmen an ein Intranet stellen, zu kurz. Insbesondere kann es in seiner Funktionenvielfalt für weniger technikaffine Nutzer schnell zu komplex sein. Erst durch eigens entwickelte und nahtlos integrierte Erweiterungen des Grundsystems und das Entfernen einiger rein Wiki-spezifischer Elemente entsteht ein schlankes, nutzerfreundliches personalisiertes Nutzererlebnis, das dem Unternehmen dennoch die Kontrolle über den Informationsfluss erlaubt.

Jeder BKC-Nutzer kann bestimmte Bereiche der Oberfläche individuell gestalten und erhält über seine gut individuell organisierte Startseite Zugang zu genau den Themen, die ihn interessieren. Ein von Administratoren frei konfigurierbares globales Navigationsmenü, das in Form eines Confluence-Plugins realisiert wurde und auf den Einstellungen im Profil eines Nutzers basiert, erleichtert den Zugriff auf standort- bzw. landesspezifische Inhalte im System, inklusive Multi-Language-Unterstützung: Ein Mitarbeiter in Brasilien hat also eine andere Hauptnavigation mit anderen Menüpunkten und Verknüpfungen als sein Kollege in Deutschland. Diese Personalisierung reduziert signifikant die Komplexität und führt zu mehr Nutzerfreundlichkeit.

Zahlreiche Informationskanäle können per Klick abonniert und zu einem individuellen Newsfeed zusammengestellt werden. Das System unterstützt aber auch die klassische Intranet-1.0-Kommunikation „von oben nach unten“, um zu gewährleisten, dass wichtige Unternehmensinformationen die richtigen Nutzergruppen erreichen. Hier greift ebenfalls die Personalisierung über die Profilmerkmale: B. Braun-Kollegen am Standort Melsungen erhalten andere Nachrichten als die am Standort Penang (Malaysia), nämlich nur die, die relevant sind.

Durch die geschickte Integration anderer Software-Systeme wird das BKC zum Ausgangspunkt und Cockpit der täglichen Arbeit: Es besteht einfacher Zugriff auf derzeit mehr als 300 interne und externe Apps – vom globalen Jobmarkt über eine Weltzeituhr und den Brand Guide bis hin zur Zeiterfassung. Aus diesem Anwendungspool wählen die Mitarbeiter für sie hilfreiche Apps aus, fügen sie frei auf ihrer Startseite hinzu und können sie über kleine Symbole direkt aufrufen, ähnlich wie bei Smartphone-Apps.

Die konzernweite Expertensuche auf Basis erweiterter User-Profile ist über ein separates Eingabefeld überall im Intranet verfügbar und führt nach Eingabe eines Schlüsselworts zu einer Liste mit den gesuchten Ansprechpartnern, geordnet nach Relevanz.

Steigende Nutzung, begeisterter Zuspruch

Ein Jahr nach Start des internationalen Rollouts besteht das BKC aus 220 Kollaborationsräumen und mehr als 95.000 Dokumenten – Tendenz steigend. Derzeit kommen monatlich etwa 2.400 neue Seiten hinzu. Knapp 10.000 Seiten werden durch die User aktualisiert. In einem durchschnittlichen Monat wird das BKC 30.000-mal besucht. Rund 900.000 Seitenaufrufe generieren die Anwender dabei.

Kollegen weltweit sind begeistert. In Deutschland erreicht das Social BKC 78 Prozent mehr Seitenaufrufe als das Vorgänger-Intranet. In Brasilien stiegen die Seitenaufrufe um unglaubliche 550 Prozent und die Zahl der Besucher erhöhte sich um 33 Prozent. Auch die Newskanäle leben und werden rege genutzt. Pro Monat werden etwa 360 Blogposts erstellt und mit der BKC-Community geteilt. Neue und bestehende Inhalte erhalten monatlich durchschnittlich 3.700 Likes und 360 Kommentare.

„Der Erfolg des BKC und das Feedback unserer Kollegen weltweit zeigen uns, dass ein Social Intranet für B. Braun genau der richtige Weg ist, um Sharing Expertise zu unterstützen und eine transparente Informationskultur zu leben“, sagt Tillmanns-Estorf. „Ich selbst mag die Individualität sowie die simple und intuitive Anwendung des Systems, die gute Akzeptanz der Mitarbeiter findet.“

Fazit

Das BKC auf Basis des Confluence-Wiki-Systems von Atlassian ist schlank, sozial und flexibel und erfüllt gleichzeitig die zentralen Anforderungen eines großen und internationalen Unternehmens wie B. Braun.

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