2016/9 | Fachbeitrag | Wissenstransfer

Wissenstransfer in Firmen hilft bei der Weiterentwicklung

von Moschos Moschokarfis

Inhaltsübersicht:

Zumindest im deutschsprachigen Raum gilt unter Chefs und Führungskräften gemeinhin noch der Grundsatz, dass trotz Liberalisierung, Globalisierung und Internationalität ein gewisses traditionelles Grundschema in jedem Unternehmen erhalten bleiben sollte. Es bildet den Charakter einer Firma und trägt ebenfalls dazu bei, dass sich Angestellte sprichwörtlich pudelwohl und heimisch auf der Arbeit fühlen. Doch mit der fortschreitenden Anglisierung der deutschen Sprache, Europäisierung von Wirtschaftsstandards und Internationalisierung von Märkten droht der Verlust von Tradition. Gut, dass viele alteingesessene Mitarbeiter im Unternehmen tätig sind, die – man muss es so sagen – dank ihrer Erfahrung selbst den jungen Studienabsolventen, die den Generationswechsel in Unternehmen einleiten sollen, mitunter noch einiges voraushaben.

Erfahrung und modernes Know-how miteinander zu verbinden, das ist die große Herausforderung, der sich alle Unternehmer und Führungskräfte gegenübersehen. Aber mitunter gestaltet sich dieser Prozess schwieriger, als man vorerst erwarten würde. Bei einer Umfrage des „Europa-Institut Erfahrung & Management — METIS“ stellte sich heraus, dass 85 Prozent aller befragten Führungskräfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz um die Relevanz von Erfahrung für wirtschaftlichen Erfolg wissen.

Die aus der Umfrage abgeleitete Studie mit der betreffenden Bezeichnung „Erfahrung“ zeigt jedoch auch, dass es an Methodik, Organisation und ganz einfach der praktischen Umsetzung scheitert. Unternehmer Heinz Patzelt von Sportwettentest kann dies nur bestätigen: „Erfahrungswissen muss als eines der wichtigsten Güter in der Organisation verankert werden. Gerade in unserem Bereich ist dies immens wichtig. Doch die Realität sieht oft anders aus.“ Aber woran liegt das?

Kleine Unternehmen ohne Vorteil

Auf den ersten Blick erscheint es nur logisch, dass gerade kleinere Betriebe auf Wissenstransfer setzen, um erfolgreich am Markt tätig zu sein. Gerade im handwerklichen Bereich gilt es als Usus, die langjährige Erfahrung von älteren Mitarbeitern auf neue Angestellte zu übertragen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Denn die Studie der METIS ergab, dass es vor allem die großen Wirtschaftsunternehmen unserer Volkswirtschaften sind, die sich die Vorteile des Wissenstransfers zunutze machen.

Der Grund hierfür ist denkbar simpel, denn die Führungskräfte kleinerer Firmen gaben an, dass es schlichtweg ein Zeitfaktor sei, der ihnen im Weg stünde: „Man sollte glauben, wenn es um Erfahrung geht, dann schlagen flexiblere kleine Unternehmen formal durchorganisierte Großbetriebe. In Wahrheit läuft es umgekehrt, weil die kleineren Unternehmen sagen, dass sie keine Zeit haben, sich darum zu kümmern und so einen strategisch wichtigen Vorteil verschenken“, so Prof. Dr. Dr. Sebastian Eschenbach von der FH Burgenland.

Den „strategischen Vorteil“ weiß man also vor allem in großen Unternehmen zu nutzen. Jene Führungskräfte sehen insbesondere vier Vorteile, die sich aus der Vermittlung und Weitergabe von praktischer und theoretischer Erfahrung ergeben:

  1. Lösungen für operative Probleme
  2. Strategische Entscheidungen
  3. Krisenbewältigung
  4. Identifikation und Nutzen von inner- und außerbetrieblichen Zusammenhängen

Auf der anderen Seite wurden zugleich Probleme identifiziert, die sich ergeben, wenn eben kein Wissenstransfer in Unternehmen erfolgt. Auch hier wurde vordergründig auf vier Problemstellen hingewiesen:

  1. Steigende Kosten
  2. Verzögerungen
  3. Operative Planungsfehler
  4. Ineffiziente Organisation

Probleme bei Organisation und Methodik

Unternehmer tun demnach gut daran, ihren Fokus vermehrt darauf zu setzen, Erfahrung, Wissen und daraus resultierend auch Know-how an neue Mitarbeiter weiterzugeben. Aber wie kann dies konkret funktionieren? Überraschenderweise stellte die Studie ebenfalls heraus, dass selbst junge Manager selten bis nie auf moderne Wissenstransfer-Methoden und –techniken, auch aus dem digitalen Bereich, zurückgreifen. Hierzu zählen zum Beispiel:

  • Communities of Practice: Der Austausch von Ideen, Erfahrung, Einsichten und Erkenntnisse innerhalb einer Gruppe von Personen, um das gegenseitige Lernen zu unterstützen.
  • Storytelling: Narrativer Wissenstransfer, der sich in sechs Schritte unterteilt: Planen, Interviewen, Extrahieren, Schreiben, Validieren, Verbreiten
  • Social-Media-Plattformen: Mitarbeiter vernetzen, um Wissensaustausch und Kommunikation zu fördern und zu vereinfachen.
  • World Cafés: Gut geeignet, um große Gruppen von Menschen „an einen Tisch zu bringen“ und kollektives Wissen zutage zu fördern.

Der Grund, weswegen diese nachweislich brauchbaren Methoden nicht zur Anwendung gelangen, liegt in einer unnachgiebigen Skepsis, mit der viele Führungskräfte derartig „neumodernen“ Techniken begegnen. Hier wäre es gewiss wünschenswert, wenn Unternehmer diesen Techniken aufgeschlossener entgegentreten würden.

Darüber hinaus stehen Manager aber auch vor ganz anderen, eher personellen Hürden, die nicht zuletzt auf typische Generationskonflikte oder auch veraltete Organisationsformen im Unternehmen selbst zurückzuführen sind. „Der Erfahrungs­aus­tausch wird durch Hierarchien und Organisationsgrenzen limitiert, digitale und netzwerkorientierte Ansätze werden nicht regelmäßig eingesetzt“, sagt Jürg Eggenberger, Geschäftsleiter der Schweizer Kader Organisation SKO.

Personenzentrierter Wissenstransfer soll helfen

Studien belegen, dass die Qualität des Wissenstransfers auch von der Beziehung von Wissensgeber und Wissensnehmer abhängt. Eine positive persönliche Beziehung beider Akteure ist somit Grundvoraussetzung für einen nachhaltig erfolgreichen Erfahrungsaustausch. Insbesondere informelle Gespräche könnten somit der Schlüssel sein, die Qualität des Wissenstransfers auf eine neue Ebene zu führen.

Hierzu ist es aber auch vonnöten, dass gerade Wissensgeber ihre individuellen Einstellungen ändern und ihre Betriebsblindheit á la „Das haben wir schon immer so gemacht“ aufgeben. Denn Wissensaustausch ist ein alternierender Prozess. So wie erfahrene Mitarbeiter Erfahrung weitergeben, können neue Angestellte mit einem offenen und wenig limitierten Blick oft neue Lösungen und Wege für alte Probleme aufzeigen.

Hier bedarf es vor allen Dingen der Offenheit von Unternehmensmitarbeitern – auch über Abteilungen und hierarchische Grenzen hinweg -, um Innovationen und Prozessoptimierungen tatsächlich identifizieren zu können. Darüber hinaus erscheint es sinnig, Anreize zu schaffen, die erfolgreichen Wissenstransfer belohnen. Denn aktuell schaffen Unternehmen nur wenig Motivation für derartige Entwicklungen. „Der Austausch von Erfahrung wird, obwohl ihn die Führungskräfte für wichtig halten, kaum belohnt“, erklären die die Verantwortlichen der Studie.

 

 

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