Fachbeiträge
Erfolgsfaktor Führungs- und Unternehmenskultur
von Matthias Dreschert
In vielen Unternehmen ist die Produktion weitgehend optimiert – durch technische Innovationen und ein weiteres Verschlanken der Prozesse lässt sich die Leistung kaum noch steigern. Allerdings eröffnet eine optimierte Unternehmens- und Führungskultur oftmals erhebliche Potenziale für eine Steigerung der Produktivität. Dies hat auch die Honsel GmbH & Co. KG in Meschede erkannt, wie Matthias Dreschert berichtet. In einer Befragung ermittelte der Automobilindustriezulieferer die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter und verglich die Daten mit denen anderer Unternehmen, um hieraus Verbesserungspotenziale abzuleiten.
Von Matthias
Inhaltsübersicht:
- Mitarbeiterbefragung ist kein Sonderprojekt
- Einbindung des Betriebsrats
- Vergleich mit anderen Unternehmen
- Motivation der Mitarbeiter ermittelt
- Qualitäts- statt Tonnendenken
In vielen Unternehmen ist die Produktion weitgehend optimiert.
Doch lässt sich über eine verbesserte Führungs- und
Unternehmenskultur die Leistung noch deutlich steigern. Dies hat
auch der Spezialist für Leichtmetallprodukte Honsel mit Sitz
in Meschede erkannt. Der Automobilindustriezulieferer ermittelte
daher, wie zufrieden seine Mitarbeiter sind und verglich die Daten
mit denen anderer Unternehmen, um hieraus Verbesserungspotenziale
abzuleiten.
„Durch technische Innovationen und ein weiteres Verschlanken
der Prozesse können wir unsere Produktivität kaum noch
steigern“, sagt Hellmuth Knauber. „Hier sind die Potenziale
weitgehend ausgereizt. Unter anderem, weil wir mit EFQM und Six
Sigma unsere Produktionsabläufe kontinuierlich verbessern“,
betont der Leiter Personalmanagement bei der Honsel GmbH & Co.
KG. Quantensprünge könne der Automobilindustriezulieferer
nur noch erzielen, indem er Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit
und Führungsqualität gezielt beeinflusse. Deshalb regten
die Personalmanager des Unternehmens vor zwei Jahren eine Mitarbeiterbefragung
an, um zu ermitteln,
- wie zufrieden die über 3.000 Honsel-Mitarbeiter in Deutschland mit ihrer Arbeitssituation und der (Führungs-) Kultur des Unternehmens sind
- wie sie die Marktposition des Unternehmens und die Qualität seiner Produkte/Leistungen einschätzen und
- wie sich das Unternehmen aus Mitarbeitersicht noch stärker als kompetenter Entwicklungs- und Lieferpartner für Leichtmetallprodukte profilieren kann
Mitarbeiterbefragung ist kein Sonderprojekt
Der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Honsel-Gruppe, Dr.
Engelbert Heimes, stimmte dem Vorschlag sofort zu. Insbesondere
auch, weil die Mitarbeiterbefragung kein Sonderprojekt sein sollte.
Sie sollte vielmehr in das Honsel-Management-System integriert sein
und wie die EFQM- und Six-Sigma-Initiative dazu beitragen, dass
die Unternehmensgruppe ihre Ziele erreicht. So wurde dem Leiter
des Bereichs Six Sigma, Klaus Mazurczyk, die Leitung der Mitarbeiterbefragung
übertragen.
Im Juni 2001 begannen die Projektverantwortlichen mit der Vorbereitung
des „Sag Deine Meinung“ getauften Projekts. Dabei wurden
sie von der ISR International Survey Research GmbH, Frankfurt am
Main, unterstützt. Für ISR als Partner entschied sich
Honsel, weil das auf Organisationsanalysen durch Mitarbeiter-, Kunden-
und Lieferantenbefragungen spezialisierte Beratungsunternehmen jährlich
circa 1,5 Millionen Mitarbeiter von Unternehmen weltweit befragt.
Mit den dabei gewonnenen Daten erstellt es nationale und branchenbezogene
Benchmarks. Diese Vergleichsinstrumente wollte Honsel zur Interpretation
der bei der Befragung seiner Mitarbeiter gewonnenen Daten nutzen.
Im September 2001 hatte das Projektteam, dem auch Mitglieder des
Betriebsrats und ISR-Berater angehörten, den benötigten
Fragebogen erstellt. Er gliederte sich in drei Teile: Mit dem ersten
Teil sollten die relevanten Mitarbeiterdaten erfasst werden. Die
Fragen im zweiten Teil zielten darauf ab, die Arbeitszufriedenheit
der Mitarbeiter zu ermitteln und wie sie die (Markt-) Situation
von Honsel und die verschiedenen Qualitäts- und Erfolgssteigerungsprogramme
des Unternehmens beurteilen. Im dritten Teil des Fragebogens konnten
die Mitarbeiter persönliche Kommentare zu den insgesamt sieben
Fragenkomplexen abgeben.
Einbindung des Betriebsrats
Im Dezember 2001 stellten die Betriebsräte in Betriebsversammlungen
an den vier deutschen Honsel-Standorten Meschede, Nürnberg,
Soest und Bestwig den Mitarbeitern die Befragung vor. Sie versicherten
ihnen, dass diese freiwillig und anonym erfolge. Jeder Mitarbeiter
erhielt zudem eine Broschüre mit den wichtigsten Informationen
über die Befragung.
Im Januar und Februar 2002 fand die eigentliche Befragung statt.
Hierbei spielten die Betriebsräte eine Schlüsselrolle.
Sie standen den Mitarbeitern als Ansprechpartner zur Verfügung.
„Rund um die Uhr“, wie Knauber betont. Schließlich
produzieren die Honsel-Werke im Schicht-Betrieb. Über 80 Prozent
der Mitarbeiter nahmen an der Befragung teil. „Für eine
anonyme und freiwillige Mitarbeiterbefragung ein extrem hoher Wert“,
versichert Dr. Michaela Dabringhausen, Leiterin der deutschen Niederlassung
von ISR.
Vergleich mit anderen Unternehmen
Im April 2002 präsentierte ISR die zentralen Ergebnisse der
Geschäftsführung und dem Management-Führungskreis.
Hierfür ordnete ISR die Antworten der Mitarbeiter 17 Kategorien
zu. Dabei zeigte sich: Die Honsel-Mitarbeiter sind mit ihrer Arbeit
und ihrem Arbeitsumfeld weitgehend zufrieden. Auch ihre direkte
Führung und die Unternehmensführung beurteilten sie zumeist
positiv. Weniger zufrieden sind sie mit der Belohnung und Anerkennung
für ihre Arbeit und mit den Abläufen, die sich ihrem Einfluss
entziehen.
Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung bei der Honsel GmbH & Co. KG |
Solche Zahlen sind erste Indizien dafür, wo die Stärken
und Schwächen eines Unternehmens liegen. Isoliert betrachtet
ist ihre Aussagekraft jedoch gering. Deshalb verglich ISR die bei
den einzelnen Fragen und Fragenkomplexen ermittelten Durchschnittswerte
mit denen anderer deutscher Unternehmen. Hierbei ergaben sich einige
interessante Befunde. So zeigte sich etwa, dass bei Honsel zwar
nur 46 Prozent der Mitarbeiter meinen, ihr Unternehmen sei kundenorientiert.
Trotzdem ist Honsel in diesem Bereich Spitze, denn dieser Wert liegt
8 Prozent höher als durchschnittlich bei anderen Unternehmen.
Ähnlich ist es im Bereich Qualität, zumindest wenn man
die Antworten auf die einzelnen Fragen betrachtet.
Vergleich der Befragungsergebnisse mit den Durchschnittswerten anderer Unternehmen |
Das umgekehrte Bild ergab sich beim Fragenkomplex „Direkte
Führung“: Zwar beurteilen 59 Prozent der Honsel-Mitarbeiter
ihre unmittelbaren Vorgesetzten positiv, dies sind aber 5 Prozent
weniger als bei den anderen Unternehmen. Die Auswertung nach Hierarchieebenen
offenbarte zudem, wo die größten Abweichungen bestehen:
auf der Ebene der Vorarbeiter und Meister. Eine Ursache hierfür,
so Knauber: „Ihre Funktion hat sich stark gewandelt“.
Motivation der Mitarbeiter ermittelt
Die ISR-Berater ermittelten auch, wie verbunden sich die Honsel-Mitarbeiter
dem Unternehmen fühlen. Dabei zeigte sich, dass sich die Vorarbeiter
– also die Mitarbeiter auf der unmittelbar wertschöpfenden
Ebene – am wenigsten mit dem Unternehmen identifizieren. Dies
ist in vielen Produktionsunternehmen der Fall. Trotzdem will Honsel
hier verstärkt aktiv werden, zumal die weitere Analyse zeigte:
Die Defizite der Vorgesetzten im Bereich Führung wirken sich
unmittelbar auf die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit
aus.
Nachdem ISR die Geschäftsführung über die Befragungsergebnisse
informiert hatte, präsentierten die Berater diese den Führungsteams
der Bereiche. Die Mitarbeiter wurden im Juni 2002 mit einem Faltblatt
über die Ergebnisse informiert. Dann folgte die größte
Herausforderung: Welche Maßnahmen werden aus der Befragung
abgeleitet? Und: Wie werden diese umgesetzt? Vereinbart wurde, dass
für das Entwickeln der bereichsbezogenen Maßnahmen die
so genannten Excellence Teams zuständig sein sollen. Diese
Teams waren schon vor der Befragung in allen Unternehmensbereichen
etabliert worden, um die verschiedenen Aktivitäten, mit denen
Honsel seine strategischen Ziele anstrebt, zu bündeln.
Die Excellence Teams, denen auch die Qualitätsmanager der
Six-Sigma- und EFQM-Projekte angehören, werteten die bereichsbezogenen
Ergebnisse aus. Dann definierten sie Schwerpunktthemen und leiteten
daraus konkrete Maßnahmen ab. Dabei griffen sie vorrangig
jene Themen auf, bei denen der Zufriedenheitswert ihres Bereichs
niedriger war als 60 Prozent, niedriger als im Gesamtunternehmen
Honsel und niedriger als beim Benchmark.
Das für die Holding zuständige Excellence Team definierte
zudem bereichsübergreifende Maßnahmen. Diese betrafen
vor allem die Bereiche Mitarbeiterführung und -kommunikation.
Ende Juli 2002 waren alle Maßnahmenpläne erstellt. Die
wichtigsten und dringendsten Maßnahmen wurden in die Zielsetzungen
der Bereiche für das Jahr 2003 aufgenommen.
Ein Schwerpunkt lag auf dem Führungsverhalten der unteren
Führungskräfte, da diese, wie die Befragung zeigte, zum
Teil Probleme mit dem Wahrnehmen ihrer Führungsaufgabe haben.
Deshalb startete das Unternehmen bereits im September 2002 ein Qualifizierungsprogramm
für diese Zielgruppe. Ein weiteres Ergebnis der Befragung:
Viele Mitarbeiter fühlen sich nicht ausreichend über die
Bereichs- und Unternehmensziele informiert. Also wurde auch dieses
Thema in die Führungstrainings integriert. Zudem wurde die
Mitarbeiterzeitschrift „Der Honselaner“ zu einer Kommunikationsplattform
für die Mitarbeiter umgestaltet. Außerdem richtete das
Unternehmen in den Betriebsstätten so genannte Showrooms ein.
Dort können sich die Mitarbeiter an Terminals via Intranet
über neue Entwicklungen und aktuelle Maßnahmen informieren.
Verbessert wurde auch das Vorschlagswesen.
Qualitäts- statt Tonnendenken
Bei der Befragung ermittelte Honsel auch, wie stark die verschiedenen
Qualitätsinitiativen im Bewusstsein der Mitarbeiter verankert
sind. Dabei zeigte sich: Die meisten Mitarbeiter haben nicht mehr
das „Tonnendenken“, das früher für Gießerei-Mitarbeiter
typisch war. Qualität zu produzieren, ist für sie mindestens
ebenso wichtig, wie einen hohen Output zu erzielen. Das beweist:
Honsel ist auf dem richtigen Weg.
Um eine hohe Verbindlichkeit zu erzeugen, lässt sich Geschäftsführer
Dr. Engelbert Heimes monatlich über den Grad der Umsetzung
der vereinbarten Maßnahmen in allen Bereichen informieren.
Wichtiger als alle Einzelmaßnahmen ist Honsel jedoch, dass
im Unternehmen eine neue Führungskultur entsteht. Zudem möchte
Honsel unternehmensweit ein Management-System etablieren, das auch
Faktoren wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie Führungsqualität
umfasst. Dies ist dem Unternehmen, so Mazurczyk, mit der Befragung
weitgehend gelungen. Nun verfügt es über die nötigen
Kennzahlen, um bei der nächsten Mitarbeiterbefragung Veränderungen
zu erfassen. Sie findet im Juni 2003 statt.
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