Fachbeiträge
Steuerung und Erfolgsmessung im Wissensmanagement mit Balanced Scorecards
von Holger Nohr
Eines der wichtigsten Themen in der Diskussion um Wissensmanagement ist die Bewertung des Wissens bzw. des Wissenskapitals eines Unternehmens. Werkzeuge zur Bewertung und Bilanzierung des Wissenskapitals sind bereits in vielfältiger Weise entwickelt worden. Viele dieser Ansätze beruhen letztlich auf der Anwendung der Balanced Scorecard (BSC). Dazu müssen aus dem im Unternehmen angewendeten Wissensmanagement-Modell Wissensperspektiven abgeleitet und in die BSC integriert werden. Wie das geht, zeigt beispielhaft Holger Nohr.
Von Holger
Inhaltsübersicht:
- Die Balanced Scorecard
- Wissensperspektiven
- Wissensziele definieren, Strategien bestimmen
- Kennzahlen der Wissensperspektiven
- Fazit
Eines der wichtigsten Themen in der
Diskussion um das Wissensmanagement ist die Bewertung des Wissens
bzw. des Wissenskapitals eines Unternehmens [1].
Dabei geht es einerseits um die Steuerung von organisationalen Wissens-
und Lernprozessen innerhalb des Unternehmens und andererseits um
die Bilanzierung des Wissenskapitals für die Shareholder. Gefragt
sind daher innovative Steuerungs- und Controllingwerkzeuge.
Werkzeuge zur Bewertung und Bilanzierung
des Wissenskapitals sind bereits in vielfältiger Weise entwickelt
worden. Viele dieser Ansätze beruhen letztlich auf der Anwendung
der Balanced Scorecard (BSC) von Kaplan und Norton [2;
3]. Da die BSC nicht für die Bewertung
des Wissenskapitals entwickelt wurde, ist eine Anpassung des Konzepts
notwendig und in Form des Skandia Navigator bereits erfolgreich
durchgeführt.
Ein wichtiger Teilaspekt, der bislang
eher vernachlässigt wird, ist die angemessene Steuerung und
Erfolgsbewertung von Wissensmanagement-Projekten. Auch für
diese Aufgabe ist die BSC ein geeignetes Mittel vorausgesetzt,
sie wird konkret an das Wissensmanagement-Modell eines Unternehmens
angepasst.
Kurz gefasst:
|
Die Balanced Scorecard
Die Balanced Scorecard ist ein Steuerungs- und Kontrollsystem,
das strategische und operative Planung verbindet und Unternehmen
aus Sicht der wichtigsten Perspektiven betrachtet [4].
Diese Perspektiven werden durch strategische Zielsetzungen, konkrete
Kennzahlen und einen Zeithorizont beschrieben. Kaplan und Norton
[2] schlagen ursprünglich vier Perspektiven
vor:
- die Finanzperspektive
- die Kundenperspektive
- die interne Prozessperspektive
- die Lern- und Wachstumsperspektive
Bereits durch das Umsetzen strategischer Ziele in operative Handlungen
und das Entwickeln relevanter Kennzahlen zur Erfolgskontrolle wird
der Austausch von Wissen quer durch das Unternehmen gefördert
[5].
Die ursprünglich vorgeschlagenen Perspektiven sind in vielfältiger
Weise abgewandelt und erweitert worden. Diese flexible Anpassung
macht das Konzept der BSC für Unternehmen attraktiv.
Die Deutsche Bank hat das Konzept der BSC übernommen. Sie
nennt es den "Vierklang" und richtet ihre vier Perspektiven
auf die Aktionäre, die Kunden, die Mitarbeiter und die Gesellschaft
aus. Der schwedische Finanzdienstleister Skandia hat seine Adaption
zur Bewertung des Intellectual Capital den "Skandia Navigator"
genannt und fünf Perspektiven gewählt:
- den Finanzfokus
- den Kundenfokus
- den Humanfokus
- den Prozessfokus
- den Erneuerungs- und Entwicklungsfokus [1]
Der Humanfokus steht im Mittelpunkt dieses Modells, da er unmittelbar
Auswirkungen auf alle anderen Perspektiven hat.
Für die Anwendung der BSC zur Steuerung und Bewertung von
Wissensmanagement-Projekten müssen Perspektiven konkret auf
diesen Ansatz ausgerichtet werden. Solche Wissensperspektiven sollten
dabei aus dem im Unternehmen angewendeten Modell des Wissensmanagements
abgeleitet werden. In diesem Beitrag werden spezifische Wissensperspektiven
aus dem bekannten Genfer Baustein-Modell von Probst et al. [6]
Wissensperspektiven
Die Wissensperspektiven orientieren sich an den operativen Bausteinen
des Wissensmanagements, wie sie von Probst et al. aus konkreten
Wissensproblemen von Unternehmen abgeleitet wurden. Das Baustein-Modell
wurde aus der Praxis heraus entwickelt und ist heute Grundlage vieler
Wissensmanagement-Projekte in Unternehmen.
Auf der strategischen Ebene besteht das Modell aus den zwei Bausteinen
Wissensziele und Wissensbewertung. Beide Bausteine sind zentral
für die Anwendung der BSC. Strategische Ziele sind Grundlage
jeder Wissensperspektive. Die Bewertung des Wissens ist neben der
Steuerung Grund für die Einführung der BSC.
Die strategischen Ziele des Wissensmanagements, die für die
einzelnen Perspektiven angeführt werden, sind beispielhaft
gewählt. Jedes Unternehmen muss für sich geeignete Strategien
aus den Unternehmenszielen ableiten.
Auf der operativen Ebene besteht das Modell aus sechs Bausteinen.
Der Baustein der Wissensidentifikation (Wissenstransparenz) wird
nicht als Perspektive für die BSC vorgesehen, da dieser Prozess
einem BSC-basierten Managementprozess notwendig vorausgehen muss.
Die Bausteine Wissenserwerb und Wissensentwicklung werden in einer
Perspektive des Wissensaufbaus zusammengefasst.
Die vier verbleibenden Wissensperspektiven werden nachfolgend kurz
beschrieben.
Perspektive des Wissensaufbaus
Die Perspektive des Wissensaufbaus befasst sich mit dem Wissenserwerb
und der Wissensentwicklung. Sie zielt auf einen Auf- und Ausbau
der organisationalen Wissensbasis ab. Strategien dieser Perspektive
befassen sich mit dem Erwerb externen Wissens und der Entwicklung
organisationalen Wissens.
Strategien dieses Bereiches können der Aufbau strategischer
Allianzen, der Erwerb von Wissensprodukten oder das Anwerben von
Experten sein. Ziele im Bereich der Wissensentwicklung können
der Ausbau der Forschung und Entwicklung, Forschungskooperationen
und Lessons-Learned-Programme sein. Auch der Aufbau von Strukturen
zur Förderung des organisationalen Lernens, wie z.B. Think
Tanks oder Lernarenen, können zu Strategien dieser Perspektive
gehören.
Perspektive der Wissensnutzung
Die Perspektive der Wissensnutzung beschäftigt sich mit dem
produktiven Einsatz organisationalen Wissens. Dabei geht es sowohl
um die Nutzbarmachung als auch um die Nutzung der organisationalen
Wissensbasis. Strategien dieser Perspektive beschäftigen sich
mit der Erschließung des Expertenwissens über Wissenslandkarten,
Gelbe Seiten oder Expertenverzeichnisse.
Außerdem sollten in dieser Perspektive Methoden und Prozesse
entwickelt werden, die eine aktive Nutzung neuen Wissens fördern.
Dies kann über die Entwicklung von Anreizsystemen geschehen
oder über die Bereitstellung geeigneter Infrastruktur, die
einen Austausch von Ideen und Erfahrungen ermöglicht. Darüber
hinaus kann die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit der zur
Verfügung stehenden Systeme, die Erhöhung der Nutzung
der organisationalen Wissensbasis durch das Intranet und Datenbanken,
eine bessere Nutzung von Patenten und Lizenzen usw. die Wissensnutzung
verbessern.
Perspektive der Wissens(ver)teilung
Die Wissens(ver)teilungsperspektive befasst sich mit der optimalen
Verteilung des Wissens im Unternehmen und den Maßnahmen, um
diese Verteilung sicherzustellen.
Dazu gehört zum einen die Sicherstellung geeigneter Verteilungsstrukturen
wie z.B. Intranet oder Groupware-Systeme, zum anderen gehört
dazu auch der Transfer von Best Practices, die Einführung von
Anreizsystemen, die Erstellung von Sitzungsprotokollen für
alle relevanten Meetings. Gibt es in Unternehmen spezielle Abteilungen
für die Beschaffung von Informationen, kann die Strategie hier
sein, die Antwort- und Beschaffungszeiten zu verkürzen.
Perspektive der Wissensbewahrung
Die Perspektive der Wissensbewahrung beschäftigt sich mit
der dauerhaften Speicherung des Wissens. Ziele, die hier verfolgt
werden, sind die elektronische Datenerfassung, die Erschließung
und Aufbereitung (Indizierung, Systematisierung) und die gezielte
Aussonderung vorhandenen Wissens. "Die Herausforderung liegt
darin, wertvolle und wertlose Erfahrungen voneinander zu trennen
und die wertvollen Daten, Informationen und Fähigkeiten in
organisatorische Systeme zu überführen, in denen sie für
die Gesamtunternehmung nutzbar werden." [6,
S. 297]. Daher ist es wichtig, Verfahren für ein gezieltes
Verlernen veralteten Wissens zu finden.
Da sich alle Aktivitäten im Wissensmanagement letztlich im
Unternehmenserfolg niederschlagen müssen, ist eine Finanzperspektive
neben den genannten Wissensperspektiven sinnvoll. Damit besteht
eine Balanced Scorecard für die Steuerung und Erfolgskontrolle
von Wissensmanagement-Projekten aus fünf Perspektiven:
Perspektiven einer für das Wissensmanagement adaptierten Balanced Scorecard |
Wissensziele definieren, Strategien bestimmen
Die Definition von Wissenszielen ist der entscheidende Schritt
bei der Erarbeitung einer BSC, da durch diese Bestimmung die organisationalen
Lernprozesse eine Richtung erhalten und Erfolg oder Misserfolg von
Wissensmanagement-Projekten überprüfbar gemacht werden.
Wissensziele leiten sich aus den Zielen und der Strategie des Unternehmens
ab und dürfen nicht isoliert betrachtet werden; sie sind vielmehr
eine bewusste Ergänzung herkömmlicher Planungsaktivitäten
Somit werden aus Unternehmenszielen normative, strategische und
operative Wissensziele abgeleitet. Strategische und operative Wissensziele
schlagen sich explizit in der Balanced Scorecard nieder.
Kennzahlen der Wissensperspektiven
Bei der Auswahl von Kennzahlen stellt sich heraus, ob Ziele sinnvoll
definiert und klar formuliert wurden. Ist dies nicht der Fall, lassen
sich Kennzahlen nur schwer finden.
Bei der Messung im Wissensmanagement ist Kreativität gefordert,
da Kennzahlen in diesem Bereich noch nicht etabliert sind. Trotzdem
können sich alle Ziele messen oder bewerten lassen, denn Zielerreichung
führt immer zu einer Veränderung und diese manifestiert
sich in irgendeiner Form.
Perspektive
| strategische Ziele
| Kennzahlen
|
Wissens-
| strategische Allianzen aufbauen | Anzahl der strategischen Allianzen |
Experten anwerben | Anzahl der Experten | |
spezifisches Wissen aufbauen | Wissensportfolio | |
Lessons-Learned- | Verhältnis abgeschlossener Projekte / Lessons-Learned-Workshops | |
Wissens- | Abdeckungsgrad von Wissenslandkarten erhöhen | Verhältnis von Experten zu verzeichneten Experten |
Intranets oder Datenbanken benutzerfreundlich gestalten | Befragung der Nutzer | |
Nutzungsmotivation steigern | Befragung der Mitarbeiter; | |
Nutzung von Patenten erhöhen | Anzahl verwendeter Patente | |
Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter steigern | Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen; | |
Wissens- | Groupware-Systeme nutzen | Anschluss der Mitarbeiter an Systeme |
Intranet nutzen | Ausstattung der Arbeitsplätze | |
Sitzungsprotokolle erstellen | Verhältnis von Meetings zu erstellten Protokollen | |
Wissens- | Qualität der Wissensbasis erhöhen | Qualitätsindex |
Wissen erschließen und aufbereiten | Abdeckungsgrad | |
Die hier genannten Kennzahlen sind Vorschläge, deren Überprüfung in der Praxis noch aussteht. Auch ist eine Vielzahl anderer Kennzahlen denkbar. |
Fazit
Mit der Balanced Scorecard liegt ein flexibles Steuerungs- und
Messinstrument vor, das geeignet ist, sowohl das so genannte Intellectual
Capital eines Unternehmens als auch Wissensmanagement-Projekte im
engeren Sinne zu managen. Eine Synergie ergibt sich aus der Verbindung
der BSC mit dem Bausteinkonzept des Wissensmanagements. Erheblicher
Forschungsbedarf besteht zur Zeit bei der Entwicklung geeigneter
Kennzahlen.
Literatur
[1] Edvinsson, L./Brünig, G.: Aktivposten
Wissenskapital: Unsichtbare Werte bilanzierbar machen. Wiesbaden
2000.
[2] Kaplan, R/Norton, D.: Balanced Scorecard
Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart 1997.
[3] Kaps, G./Nohr, H.: Erfolgsmessung im Wissensmanagement
mit Balanced Scorecards. In: nfd Information Wissenschaft
und Praxis 52 (2001) 2, S. 89-97, und 3, S. 151-158.
[4] Forst, A.: Was leistet die Balanced Scorecard?
In: wissensmanagement 6/2001, S. 4-9.
[5] Horváth, P.: Wissensmanagement steuern:
Die Balanced Scorecard als innovatives Controllinginstrument. In:
Antoni, C.H./Sommerlatte, T. (Hrsg.): Spezialreport Wissensmanagement:
Wie deutsche Firmen ihr Wissen profitabel machen. Düsseldorf
1999, S. 55-63.
[6] Probst, G./Raub, S./Romhardt, K.: Wissen
managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen.
3. Aufl. Frankfurt/M. 1999.
[7] Kaps, G.: Erfolgsmessung im Wissensmanagement
unter Anwendung von Balanced Scorecards. Fachhochschule Stuttgart
2001 (Arbeitspapiere Wissensmanagement 2/2001).
www.hbi-stuttgart.de/nohr/Km/KmAP/KmAP.htm.
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