Fachbeiträge
Motivieren für die Wissensteilung und die Wissensentwicklung
von Klaus North und Nadja Varlese
Aussagen wie "Ich werde nicht dafür bezahlt, dass ich anderen helfe, sondern dafür, dass mein Geschäft läuft", machen anschaulich, wie gängige Anreiz- und Entlohnungssysteme, die in erster Linie auf der Motivation über materielle Anreize aufbauen, der Wissensteilung und Wissensnutzung oft im Wege stehen. Auch sind weder das Wissen eines Mitarbeiters noch sein qualitativer Beitrag zur organisationalen Wissensbasis adäquat messbar. Es müssen also neue Wege beschritten werden, meinen Klaus North und Nadja Varlese. Dazu können z.B. gruppenbezogene Vergütung, die Vereinbarung individueller Wissensziele oder wissensbezogene Kriterien in der Mitarbeiterbeurteilung gehören.
Von Klaus
Inhaltsübersicht:
- Anreizsysteme
- Gruppenbezogene Vergütung
- Management by Knowledge Objectives
- Integration von Wissenszielen in Arbeitsprozesse
- Wissensbezogene Kriterien in Mitarbeiterbeurteilung und -entwicklung
- Anerkennung
- Freiräume
- Wissen teilen gewinnt Meilen
- Fazit
In vielen
Veröffentlichungen zum Thema Wissensmanagement wird die mangelnde
Bereitschaft der Mitarbeiter zur Wissensteilung unterstrichen [1].
Aussagen wie "Wissen ist Macht" oder "Ich werde nicht
dafür bezahlt, dass ich Ihnen helfe, sondern dafür, dass
mein Geschäft läuft" zeigen, dass das Mitarbeiterverhalten
und die bestehenden Zielsysteme einer effizienten Wissensteilung
und Wissensnutzung oft im Wege stehen. Wenn jedoch Wissensmanagement
zum Unternehmenserfolg beitragen soll, müssen die Mitarbeiter
zur Teilnahme an einer wissensbasierten Unternehmenskultur motiviert
werden. Hierzu können Anreizsysteme beitragen.
Unter Anreizsystem
im engeren Sinne sind alle Maßnahmen zu verstehen, deren vorrangiges
Ziel die Erhöhung der Mitarbeiter-Motivation ist [2].
Für Unternehmen sind diejenigen Anreize interessant, welche
die Motivation im Sinne der Erreichung des Unternehmensziels fördern.
Anreizsysteme
können nur dann adäquat wirken, wenn sie auf die zu Grunde
liegende Motivation der Menschen ausgerichtet sind. Die Motivationsforschung
unterscheidet idealtypisch zwischen extrinsischer Motivation, die
im Wesentlichen durch materielle Anreize zu steuern ist, und intrinsischer
Motivation, für die Selbstverwirklichung und Anerkennung mehr
bedeutet.
Arbeitsmotive | Anreize |
extrinsische
| materielle Anreize,
|
intrinsische
| Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der Arbeit (durch einen entsprechenden Führungsstil):
|
Je mehr
sich die Wirtschaft hin zu wissensbasierten Organisationen, wie
z.B. Beratungsunternehmen, entwickelt, desto bedeutungsvoller wird
es für den Unternehmenserfolg, die Wissensarbeiter im Unternehmen
zur Nutzung, Teilung und Entwicklung ihres Wissens zu bewegen. Anreizsysteme,
die die Motivationsstrukturen hochqualifizierter Mitarbeiter berücksichtigen,
gewinnen in der Folge an Bedeutung.
Während
herkömmliche Formen der leistungsbezogenen Entlohnung vielfach
auf extrinsischer Motivation aufbauen, ist für die Wissensteilung
und Wissensentwicklung die intrinsische Motivation ausschlaggebend
[3]. Bestimmte und
oft gerade die wichtigsten Teile des in einer Firma vorkommenden
Wissens lassen sich weder aufschreiben noch in Symbolen ausdrücken.
Dieses implizite Wissen ist nicht messbar, mehrere Mitarbeiter sind
an der Übertragung beteiligt, ohne dass der jeweilige Einzelbeitrag
für eine Wissens-Prämie ermittelt werden könnte.
Zur Förderung des Wissenstransfers ist eine mit den Zielen
des Unternehmens kompatible intrinsische Motivation erforderlich.
Auch kreative Tätigkeiten im Hinblick auf die Wissensentwicklung
beruhen weitgehend auf intrinsischer Motivation. Ebenso werden Lernprozesse
durch intrinsische Motivation gefördert ("Ich lerne, weil
mich das Thema interessiert") gegenüber der extrinsischen
Motivation ("Ich lerne, weil ich dafür etwas bekomme").
Bei der Ausgestaltung
wissensorientierter Anreizsysteme ist zu beachten, dass jeder Mitarbeiter
des Unternehmens ein Wissensträger ist, den es durch individuell
gestaltbare Anreizsysteme zur Erreichung der Wissens- und Unternehmensziele
zu motivieren gilt. Doch ist die Bezugsgröße für
Wissensmanagement schwer zu definieren: Die bloße Menge an
Wissen, die ein Mitarbeiter erwirbt und kollektiv verfügbar
macht, stellt keine geeignete Bezugsgröße dar, da sie
keinen Rückschluss auf Qualität und Nutzen zulässt.
Aus diesem Grund sollten mit den Mitarbeitern konkrete Wissensziele
als Bezugsgröße für das Anreizsystem vereinbart
werden.
Der Trend zur
Gruppenarbeit macht die Wissens(ver)teilung zu einem zentralen Erfolgsfaktor.
Die auf Leistung des Individuums ausgerichteten Anreizsysteme sind
jedoch ein dominierendes Hindernis beim Wissensaufbau und -transfer
innerhalb einer Gruppe. Der Wissenstransfer kann durch eine gruppenorientierte
Vergütung gefördert werden. So vergibt ein Unternehmen
keinen individuellen Bonus, sondern macht diesen abhängig von
Team-, Bereichs- und Unternehmensergebnissen. Die Mitarbeiter werden
dadurch motiviert, gemeinsam Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten
und zu realisieren.
Eine andere
Möglichkeit ist die Kopplung eines erheblichen Teils des Gehaltes
an den Gesamterfolg des Unternehmens. Durch diesen finanziellen
Anreiz werden die Mitarbeiter motiviert, im Sinne des Gesamterfolgs
des Unternehmens zu handeln. Während diese Vergütungsform
in den USA und Europa vielfach für obere Führungskräfte
gilt, ist in Japan eine erfolgsabhängige, variable Vergütung
auch für Arbeiter und Angestellte üblich.
In den USA
bezieht das Topmanagement häufig den größten Teil
des Einkommens aus so genannten Stock Options. Stock Options geben
den Mitarbeitern das Recht, Aktien des eigenen Unternehmens zu einem
festen Preis an einem bestimmten Termin zu erwerben. Die Differenz
zwischen dem dann geltenden Kurs und dem durchschnittlichen Wachstum
der Branche gemessen an einem Branchenindex kann der
Mitarbeiter als attraktives Zusatz-Einkommen verbuchen. Bei der
Kaffeehaus-Kette Starbucks sind sogar sämtliche Angestellte
per Stock Options direkt am Unternehmenserfolg beteiligt. Dadurch
besteht ein Interesse, das persönliche Wissen auch über
die Grenzen des eigenen Verantwortungsbereichs zum Nutzen des Gesamtunternehmens
einzusetzen.
Management by Knowledge Objectives
Beim Management
by Objectives werden zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter Ziele
vereinbart, die Verantwortung jedes Einzelnen in Form von erwarteten
Ergebnissen definiert und das Ergebnis schließlich anhand
von Soll/Ist-Vergleichen gemessen.
Eine Erweiterung
des Zielkatalogs um individuelle Wissensziele wird als Management
by Knowledge Objectives bezeichnet. Dabei sind die operativen und
strategischen Wissensziele Ausgangspunkt der Zielvereinbarungen.
Die Ziele können sich sowohl auf die Erweiterung der persönlichen
Kompetenz richten als auch auf die Weitergabe von Wissen (z.B. beim
Einarbeiten eines Nachfolgers). Die Qualifizierungsziele werden
periodisch gemessen und angepasst. Der Mitarbeiter selbst ist aufgefordert,
sich an der Zielbildung zu beteiligen.
Ein amerikanisches
Industrieunternehmen hat kombiniert mit den Zielvereinbarungen Anreize
in Form von Prämien geschaffen: Dazu wird in so genannten Skill
Blocks das für bestimmte Tätigkeiten benötigte Wissen
definiert. Ein erfolgreicher Abschluss eines Skill Blocks führt
zu einer Gehaltserhöhung. Dabei muss sich der Mitarbeiter einer
Prüfung unterziehen, die der Vorgesetzte und diejenigen Kollegen,
die diesen Skill Block bereits beherrschen, bewerten. Durch dieses
Anreizsystem wurden eine erhöhte Flexibilität und spürbareVerbesserungen
der Arbeitsprozesse erreicht.
Integration von Wissenszielen in Arbeitsprozesse
Eine andere
Variante der Zielvereinbarungen ist die Integration von Wissenszielen
in den Arbeitsprozess, an dem dann die Entlohnung anknüpft.
So kann z.B. bei einem Beratungsunternehmen die Leistung der Berater
nach verschiedenen Kriterien bewertet werden, wovon eines lautet:
"Beitrag zum Wissensbestand der Firma sowie dessen Nutzung".
Bei einem anderen Unternehmen wird ein Teil der Entlohnung des einzelnen
Mitarbeiters von seinen Aktivitäten bei der Wissensweitergabe
(z.B. in so genannten Lessons Learned) bestimmt. Die Wissensunterstützung
geht in die jährliche Mitarbeiterbeurteilung ein.
Wissensbezogene Kriterien in Mitarbeiterbeurteilung
und
-entwicklung
In der Mitarbeiterbeurteilung
und in periodisch stattfindenden Mitarbeitergesprächen (beispielsweise
nach Projektabschlüssen) werden zunehmend Kriterien des Wissensaufbaus
präzisiert. Leitfragen können sein:
- Was haben Sie im vergangenen Jahr getan, um Ihre eigene Kompetenz zu steigern?
- Was haben Sie zur Weiterentwicklung der organisationalen Wissensbasis des Unternehmens beigetragen (z.B. durch Mitarbeit in Netzwerken, Einstellung von Projektprofilen in die Datenbanken etc.)?
- Was haben Sie als Vorgesetzter getan, damit die Ihnen zugeordneten Mitarbeiter ihre Kompetenz entwickelt und ihr Wissen weitergegeben haben?
Die Integration
von Wissensmanagement in die Mitarbeiterbeurteilung stellt sicher,
dass die Mitarbeiter langfristig angehalten sind, Wissensmanagement
aktiv zu betreiben, um sich im Unternehmen zu entwickeln. Dies bedeutet
jedoch auch eine Neudefinition von Karriere, die auf der Anerkennung
der fachlichen und sozialen Kompetenz beruht.
Anerkennung
als Fachmann auf einem Gebiet ist ein wichtiger Anreiz zur Verstärkung
intrinsischer Motivation. Mit dieser Anerkennung ist zugleich die
Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verbunden. Das verbreitete
Engagement in Vereinen, Berufsverbänden und Ehrenämtern
zeigt, wie stark motivierend Anerkennung wirkt.
Die Möglichkeit,
sich als Mitarbeiter mit der eigenen Homepage im Intranet zu präsentieren
und ein Wettbewerb über die am meisten von den individuellen
Homepages heruntergeladenen Dokumente sind Möglichkeiten, Engagement
für Wissensteilung zu honorieren.
Oder das Beratungsunternehmen
CSC Ploenzke AG fragt beispielsweise: "Karriere, was ist das
eigentlich?" Und beantwortet die Frage:
Bei CSC Ploenzke haben Sie Karriere gemacht,
Kurz, wenn Sie gefragt sind, bei Kunden und Kollegen. |
Das Unternehmen
American Management Systems (AMS) hat das Lotus-Notes-basierte System
Virtual Knowledge Center eingeführt. Die Berater, die Fallstudien
in das System einstellen, werden auf einer Bronzeplatte am Hauptsitz
von AMS in Fairfax namentlich aufgeführt. Zusätzlich werden
die am meisten genutzten Dokumente des Virtual Knowledge Centers
veröffentlicht. Die Berater mit der höchsten Platzierung
haben die Möglichkeit, an der jährlichen Veranstaltung
Knowledge Center Conference teilzunehmen. AMS berichtet, dass im
ersten Quartal nach Einführung dieser Anreize 50 neue Studien
in das System eingestellt wurden. Dies entspricht der kompletten
Leistung des Vorjahres.
Zeit ist für
Wissensarbeiter ein immer knapper werdendes Gut. Wissensteilung
und Wissensentwicklung können daher mit dem Schenken von Zeit
und dem Schaffen von Freiräumen honoriert werden: Die Möglichkeit,
für ein halbes Jahr Urlaub zu nehmen, ein MBA-Programm zu besuchen
oder 10% der Arbeitszeit zur freien Verfügung zu haben, können
stärkere Anreize sein als Bezahlung und hierarchischer Aufstieg.
Auch die Möglichkeit, mit führenden Experten in einem
Projektteam zu arbeiten, komplexe Probleme zu lösen, Fortschritte
in ihrem Berufsfeld mitzugestalten oder die Freiheit in der Suche
nach neuen Lösungen, gut ausgestattete Arbeitsplätze und
Anerkennung für ihre Leistungen motivieren Wissensarbeiter.
Zur Sensibilisierung
und Motivation für Wissensmanagement sind spielerische Anreize
nützlich, die formale Anreizsysteme ergänzen. So wurde
in einer Unternehmensberatung die Initiative "Wissen teilen
gewinnt Meilen" ins Leben gerufen, die inzwischen von einer
Reihe von Unternehmen genutzt wird.
Wir wollen dazu motivieren Wissen zu teilen, den Kollegen Hilfe anzubieten, erfolgreiche Konzepte aus der Projektarbeit offensiv zur Verfügung zu stellen. Hierzu wollen wir die Mitarbeiter in unserer Organisation finden, die Wissen aktiv an andere weitergeben. Die Spielregeln:
|
Die Bereitschaft
zu Wissensaustausch und Wissensgenerierung wird in Zukunft immer
mehr den Unternehmenserfolg bestimmen, so dass die Unternehmensleitung
in besonderer Weise gefordert ist, die Mitarbeiter dahingehend zu
motivieren. Sie sollte in die aktive und systematische Gestaltung
der Anreizsysteme für ihre Mitarbeiter mehr Engagement investieren,
als dies bislang in den meisten Unternehmen im Rahmen von Wissensmanagement
der Fall ist. Insbesondere sollten intrinsische Motive durch entsprechende
Anreize unterstützt werden. Die Unternehmensleitung leistet
damit einen maßgeblichen Beitrag zu einer zeitgemäßen,
mitarbeiterorientierten, zugleich wissensbejahenden Unternehmenskultur.
[1] North,
K.: Wissensorientierte Unternehmensführung. 2. Aufl. Wiesbaden
1999.
[2] Frese,
E.: Grundlagen der Organisation. 7. Aufl. Wiesbaden 1998.
[3] Frey, B.S./Osterloh,
M.: Pay for Performance Immer empfehlenswert? In: Führung
und Organisation 2/2000, S. 64-69.
Varlese, N.:
Entwicklung eines Anreizsystems zur Förderung von Knowledge
Management am Beispiel einer Unternehmensberatung. Diplomarbeit
Fachhochschule Wiesbaden. Fachbereich Wirtschaft 2000.
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren
Fachbeitrag Kolumne
Der Mensch macht's wenn er es denn macht
von Uwe Döring-Katerkamp
Fachbeitrag Kolumne
Große Studie zu Motivation und Anreizsystemen
von Uwe Döring-Katerkamp
Fachbeitrag Kolumne
Schluss mit lustig!
von Uwe Döring-Katerkamp
Fachbeitrag Anreizsysteme
Sind Ihre Mitarbeiter im Flow?
von Veronika Stiene
Titelthema Weiterbildung
Wissensmanagement, Weiterbildung & Motivation – eine Generationenfrage
von Klaus Steven