Fachbeiträge
Telelearning – der neue Megatrend?
von Klaus H. Fehrlage
Unternehmen sind heute darauf angewiesen, dass sich ihre Mitarbeiter regelmäßig neues Wissen erschließen; andererseits kann es sich kaum ein Unternehmen leisten, tagelang auf seine wichtigsten Spezialisten zu verzichten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma weist das selbstgesteuerte Lernen in multimedialen Lernarrangements. Klaus H. Fehrlage gibt einen Überblick über die Ansätze zur Verbindung von Selbstlernen mit multimedialen Lernsystemen und Werkzeugen des Wissensmangements in Lernarrangements.
Von
Inhaltsübersicht:
- Der Wandel ist überfällig
- Lernarrangements für das Selbstlernen
- Integration von Kunden, Zulieferern und Partnern
- Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Telelearning und Wissensmanagement
- Wissen braucht Management
- Fazit
Unternehmen
sind heute darauf angewiesen, dass sich ihre Mitarbeiter regelmäßig
neues Wissen erschließen. Andererseits kann es sich kaum ein
Unternehmen leisten, tagelang auf seine wichtigsten Spezialisten
zu verzichten. Daher gilt es, Qualifizierungskonzepte zu entwickeln,
die mit kleiner werdenden Budgets die Lernprozesse der Mitarbeiter
effektiver gestalten.
Einen Ausweg
aus diesem Dilemma weist das selbstgesteuerte Lernen in multimedialen
Lernarrangements. Der folgende Beitrag gibt Ihnen einen Überblick
über die Ansätze zur Verbindung von Selbstlernen mit multimedialen
Lernsystemen und Werkzeugen des Wissensmanagements in Lernarrangements.
Die alte Ära
der Belehrungsanstalten nach dem Modell des "Nürnberger
Trichters" geht endgültig zu Ende. Doch noch immer verstellt
das prägende Bild der belehrenden Schule aus der eigenen Lernerfahrung
den notwendigen Wandel zu einem dynamischen, ständigen Selbstlernprozess.
In den Aus- und Weiterbildungseinrichtungen der Unternehmen und
bei öffentlichen wie privaten Bildungsträgern sind bisher
kaum Ansätze erkennbar, sich auf den Bedarf der Wirtschaft
nach den heute wichtigen Schlüsselqualifikationen einzustellen.
Zwar werden
neue Ansätze diskutiert und der Ruf nach multimedialen Lernsystemen
sowie der Vernetzung von Schulen und Bildungseinrichtungen wird
immer lauter. Auch gibt es bereits über 20.000 Lernprogramme
allein im deutschsprachigen Raum jedoch keine Orientierung,
keine Einordnung im Hinblick auf Zielgruppen und Fachgebiete und
kaum sinnvolle Qualitätskriterien.
Dabei werden
der Mangel an Kompetenzen und die Bedeutung des Wissens einzelner
Mitarbeiter wie auch des gesamten Unternehmens für die Wertschöpfung
in der Wirtschaft immer deutlicher. Die Forderung der Industrie,
die fehlenden Fachkräfte auf dem Weltmarkt zu beschaffen (Stichwort:
Green Card), steht als aktuelles Beispiel für die drängende
Situation aber auch die Hilflosigkeit, rechtzeitig eigenständige
Konzepte für eine nachhaltige Qualifizierung zu entwickeln.
Während
sich in den letzten Jahren das Angebotsprofil in der beruflichen
Weiterbildung kaum verändert hat, haben die Formen der informellen
beruflichen Bildung rasant zugenommen. Dem Berichtssystem Weiterbildung
(Infratest Burke Sozialforschung 1998) ist zu entnehmen, dass die
arbeitsplatznahen Lernprozesse durch
- Selbstlernen und gegenseitige Hilfe
- Anlernen, Beobachten und Ausprobieren
- Fachliteratur und Fachmessen
- Werkstattzirkel und Austauschprogramme
in den letzten
Jahren Steigerungsraten von zum Teil über 100% aufweisen. Auch
das selbstgesteuerte Lernen mit neuen Medien gehört dazu. Dies
verdeutlicht den breiten Qualifizierungsbedarf.
Strukturkonservative
Bildungspolitiker, Programmplaner, Lehrer und Trainer des Bildungswesens
einerseits und technikgläubige Entwickler von Lernmaschinen
andererseits haben sich bisher gegenseitig blockiert. Eine ideologische
Debatte wurde geführt ohne die Suche nach einem gangbaren
Mittelweg, der die Stärken des Bildungswesens mit neuen Lerntechnologien
und arbeitsplatznahen Selbstlernkonzepten verbinden kann.
Jetzt ist ein
gewaltiger Kraftakt nötig, um den nötigen Schneeballeffekt
für eine neue Lernwelt und die dazu erforderliche Selbsterneuerung
der Kompetenzen zu erzeugen. Sollen die wachsenden Massenprobleme
des Bildungsmarkts gelöst werden, so gilt es nun, rasch multiplizierbare
Modelle und Selbstlernkonzepte zu entwickeln.
Lernarrangements für das Selbstlernen
Bietet angesichts
dieser Situation Telelearning eine Lösung der Probleme? Und
wo sollten Unternehmen und Bildungsträger ansetzen?
Nur Lernen
erzeugt oder erweitert Wissen, das zu Kompetenzen führt, welche
in Unternehmen und in der Gesellschaft Innovationen generieren.
Dazu müssen Unternehmen und Bildungseinrichtungen eine Lernkultur
entwickeln, in der die permanente Weiterentwicklung von Qualifikationen
und neue, flexible Formen des Lernens im Mittelpunkt stehen.
Dabei haben
die Möglichkeiten der Vernetzung und der Nutzung des Internets
Bewegung in die Entwicklung neuer Selbstlernkonzepte gebracht: Erst
das Telelearning oder Teletutoring ermöglicht die Kombination
der Vorteile multimedialer Aufbereitung von Lerninhalten und des
Zugriffs auf das Wissen der Welt "just in time" mit einer
betreuenden Kommunikation durch Teletutoren und der Lernenden untereinander
zu erfolgreichen Lernarrangements.
Multimediale Lernarrangements |
Arbeiten und Lernen verschmelzen zunehmend. Die Vernetzung der Arbeitsplätze und die Integration von multimedialen Lernsystemen, Medien und Wissenbeständen ermöglichen neue, flexible Formen des Lernens. Multimediale Lernarrangements verbinden bedarfsorientiert ausgewählte Lernprogramme und Wissenswerkzeuge mit der koordinierenden Begleitung durch einen Teletutor und der didaktischen Dramaturgie fördernder Kommunikationsprozesse zu einer wachsenden Selbstlernkompetenz und eigenverantwortlichen Lernprozess-Steuerung der Lernenden. Durch systematisch entwickelte Lernarrangements und eine flexibel wachsende Wissensbasis wird persönliches Wissen zugleich zu kollektivem Wissen und einem wesentlichen Wertetreiber des Unternehmens. |
Multimediale
Lernarrangements, die diesen Lern- und Kommunikationsprozess organisieren,
werden einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Aufbau
lernender Organisationen sein. Hier werden aufwendig entwickelte
Selbstlern-Module mit Fragen aus der Praxis, bedarfsorientierten
Aufgabenstellungen und den Interessen der Lerner kombiniert. Eine
entscheidende Bedeutung hat dabei die didaktische Dramaturgie, mit
der die Lernenden einerseits zum eigenverantwortlichen Lernen geführt
werden und andererseits der Kommunikations- und Diskussionsprozess
in begleitenden Meetings per Telefon, E-Mail oder Newsgroup angestoßen
und lebendig gehalten wird.
Die wichtigste
Rolle im Lernarrangement spielt neben dem selbstverantwortlichen
Lerner der Teletutor: Die zu Tutoren und Lernberatern umgeschulten
Trainer müssen in viel komplexeren und flexibleren Zusammenhängen
als nur in virtuellen Classrooms die Motivation der Lerner erhalten
und das Vertrauen und die Offenheit für die Kommunikation entwickeln.
Sie organisieren und kontrollieren u.a. das selbstverantwortliche
Zeitmanagement der Lernenden und helfen, Lernschwierigkeiten zu
überwinden.
Integration von Kunden, Zulieferern und Partnern
Lernarrangements
sind jedoch nicht nur für das Selbstlernen und das Lernen von
Mitarbeiter-Gruppen zu entwickeln über das Internet,
über Wissensportale und -communities wird auch der Kunde in
den lernenden Prozess der Organisation eingebunden. Neue Konzepte
des One-to-one-Marketings und Customer Relationship Managements
beziehen die Kunden direkt in den Lernprozess des Unternehmens ein.
Integriert in die E-Commerce-Plattformen werden die Interessen,
Wünsche und Fragen des Kunden sorgsam für neue Innovationen
ausgewertet und die Produkt- und Dienstleistungsangebote auf der
Basis individueller Kundenprofile angepasst.
Darüber
hinaus bildet sich bei größeren, global orientierten
Unternehmen bereits ein Lernen zwischen den Organisationen heraus:
Partnerunternehmen und Zulieferer werden in den virtuellen Lernverbund
integriert. Wie beim Lernen der einzelnen Mitarbeiter im Team stehen
auch diese Lernorganisationen im Spannungsfeld zwischen der Wissensteilung
zum Vorteil des Verbundes und dem Schutz der Einzelinteressen. Das
Wissenmanagement braucht daher ein sicheres Gespür für
die Entwicklung des notwendigen Vertrauens.
Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Telelearning
und Wissensmanagement
Dieser Paradigmenwechsel
erfordert zunächst ein Umdenken; die bisherigen Verfahren müssen
hinterfragt und neue Ansätze erprobt werden. Voraussetzung
für einen erfolgreichen Einsatz von Telelearning und Wissensmanagement
sind u.a. folgende Faktoren:
- Aufbau einer leistungsfähigen Netzwerk-Infrastruktur (vom Internet-Zugang bis zur Knowledge Base)
- Entwicklung der erforderlichen Schlüsselqualifikationen und Kernkompetenzen
- Entwicklung von Beziehungen, von Vertrauen und einer neuen Werte-Ordnung
- systematische Aufbereitung lernbereiten Wissens und Bereitstellung in multimedialen Lernarrangements
Zu diesem Umdenken
gehört, dass ein neuer Blickwinkel zum gesamten Lernprozess
gefunden werden muss: Nicht mehr inhaltsorientierte Lehrangebote,
sondern bedarfsorientiertes, handlungsbezogenes und selbstgesteuertes
Lernen steht im Mittelpunkt. Wie im Internet, wo die nächste
gesuchte Information in autonomer Entscheidung nur einen Mausklick
entfernt ist, ist auch beim Selbstlernprozess der Lernende der Experte:
Er unterscheidet viel eigenständiger als bisher, welche Informationen,
Problemlösungsstrategien und Lernmodule für ihn und seine
Aufgaben nützlich und wesentlich sind.
Aus dieser
Entscheidungsnotwendigkeit heraus verlagert sich die Verantwortung
für den Lernprozess auf den Lerner. Er benötigt dazu eine
Reihe von Kompetenzen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden:
- Medienkompetenz, um das Internet, die Wissensbasis und die Telelearning-Angebote effektiv nutzen zu können
- Selbstlernkompetenz, um Wissens- und Lernangebote sinnvoll auszuwählen, sich selbst zu organisieren und zu motivieren
- Sozial- und Kommunikationskompetenz, um in kooperativen Selbstlerngruppen an der Entwicklung von Problemlösungen und neuem Wissen kreativ mitzuwirken
Wissen lässt
sich nur dann sinnvoll aufbereiten, multiplizieren und nutzen, wenn
die Lösungen praxisgerecht konfektioniert sind. Auf der Grundlage
der Erkenntnisse des individuellen Selbstlernens gilt es, ein Management
des unternehmensweiten Wissens aufzubauen und lernbereites Wissen
zu schaffen. Wichtige Wissenselemente, die definiert sind, müssen
dazu für die entsprechenden Zielgruppen und übergreifenden
Nutzungsszenarien in Lernarrangements umgesetzt und bedarfsorientiert
angeboten werden.
Damit die Mitarbeiter
gemäß ihren Erfahrungen, Qualifikationen, Interessen
und Wissensbedarfe mit den richtigen Informationen versorgt werden
können, müssen die angebotenen Informationen individuell
auf vom Mitarbeiter selbst zu pflegende Profile abgestimmt werden.
Sozusagen im Self-Service führen die Mitarbeiter dabei auch
ihre Personalakte und ihr Qualifikationsprofil. Auf der Grundlage
einer klaren Zielvereinbarung entwickeln sie so das erforderliche
Selbst-Bewusstsein die Voraussetzung für Selbstlernen
und Selbstverantwortung für den Arbeits- und Lernprozess.
Das Wissensmanagement
trägt dafür Sorge, dass der Lernende dabei nicht sich
selbst überlassen bleibt. Die Kommunikation mit Tutoren und
Trainern, besonders aber mit Mit-Lernern und Kollegen, muss planvoll
organisiert werden. Flexibel sollten dazu alle Möglichkeiten
(Telefon, E-Mail, Newsgroup, Chat, Meeting, informelle Treffen und
Events) genutzt werden können.
Definierte Wissenselemente müssen für die verschiedenen Zielgruppen und Nutzungsszenarien in Lernarrangements umgesetzt und bedarfsorientiert angeboten werden. |
Wichtige Aufgaben
sind auch die Entwicklung neuer Werte-Ordnungen und Gratifikationsmodelle,
die der neuen Eigenverantwortung der Mitarbeiter entsprechen. Für
den Aufbau einer lernenden Organisation muss sich der Wissenserwerb
und Wissensaustausch lohnen. Vertrauen als Grundlage für die
gemeinsame Nutzung des Wissens braucht gesicherte Absprachen und
Vereinbarungen. Vertrauen wächst nur in Gesprächen, im
offenen, informellen Informationsaustausch untereinander. Diese
Teamfähigkeit gezielt zu entwickeln, ist eine der wichtigsten
Aufgaben des Wissensmanagements.
Dazu brauchen
die einzelnen Lerner und Gruppen allerdings einen definierten Rahmen,
d.h. Ziele und Entscheidungsspielräume, Zeit und Geld. Auf
dieser Grundlage kann man dann jedoch fest auf die Selbststeuerung
und die Selbstorganisationskraft der Mitarbeiter und Teams bauen,
die über kurz oder lang zu einer neuen lernenden Unternehmensorganisation
führen. Wissensmanagement und Selbstlernen werden so zu einem
langfristigen, nachhaltigen Prozess der Unternehmens- und Persönlichkeitsentwicklung.
Mit dieser
neuen Ausrichtung der Lernorganisation auf Lernarrangements für
Telelearning und Wissensmanagement schlägt man mehrere Fliegen
mit einer Klappe: Wenn der Rollenwechsel von Lernenden, Trainern
und des Managements gelingt und zur Entwicklung bedarfsorientierter
Lernarrangements führt, dann steigert Telelearning die Ausbildungsqualität,
flexibilisiert die Arbeitszeit, reduziert die Kosten und führt
schneller zu erfolgreichen Innovationen.
In den Unternehmen,
die dies berücksichtigen, führen Telelearning und Wissensmanagement
bereits heute zu neuer Dynamik und mehr Wertschöpfung. Die
Shareholder-Value-Gesellschaft hat sich an den Börsen der Welt
längst für die strategische Nutzung von Wissen und Information
in diesem Sinne entschieden. Nur Unternehmen und Bildungsträger,
die beweisen, dass sie eine lernende Organisation bilden und das
Wissen und Lernen ihrer Mitarbeiter vernetzen, schreiben in den
Augen der Analysten und der Fachpresse eine Erfolgsstory und schaffen
die nötige Anziehungskraft für das Kapital der Anleger.
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