Fachbeiträge

Ausgabe 5 / /2000
Fachbeitrag Weiterbildung

Telelearning – der neue Megatrend?

von Klaus H. Fehrlage

Unternehmen sind heute darauf angewiesen, dass sich ihre Mitarbeiter regelmäßig neues Wissen erschließen; andererseits kann es sich kaum ein Unternehmen leisten, tagelang auf seine wichtigsten Spezialisten zu verzichten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma weist das selbstgesteuerte Lernen in multimedialen Lernarrangements. Klaus H. Fehrlage gibt einen Überblick über die Ansätze zur Verbindung von Selbstlernen mit multimedialen Lernsystemen und Werkzeugen des Wissensmangements in Lernarrangements.

 

Von

Klaus H. Fehrlage

 

Inhaltsübersicht:

 

Unternehmen

sind heute darauf angewiesen, dass sich ihre Mitarbeiter regelmäßig

neues Wissen erschließen. Andererseits kann es sich kaum ein

Unternehmen leisten, tagelang auf seine wichtigsten Spezialisten

zu verzichten. Daher gilt es, Qualifizierungskonzepte zu entwickeln,

die mit kleiner werdenden Budgets die Lernprozesse der Mitarbeiter

effektiver gestalten.

 

 

Einen Ausweg

aus diesem Dilemma weist das selbstgesteuerte Lernen in multimedialen

Lernarrangements. Der folgende Beitrag gibt Ihnen einen Überblick

über die Ansätze zur Verbindung von Selbstlernen mit multimedialen

Lernsystemen und Werkzeugen des Wissensmanagements in Lernarrangements.

 

 


Der Wandel ist überfällig

 

 

 

Die alte Ära

der Belehrungsanstalten nach dem Modell des "Nürnberger

Trichters" geht endgültig zu Ende. Doch noch immer verstellt

das prägende Bild der belehrenden Schule aus der eigenen Lernerfahrung

den notwendigen Wandel zu einem dynamischen, ständigen Selbstlernprozess.

In den Aus- und Weiterbildungseinrichtungen der Unternehmen und

bei öffentlichen wie privaten Bildungsträgern sind bisher

kaum Ansätze erkennbar, sich auf den Bedarf der Wirtschaft

nach den heute wichtigen Schlüsselqualifikationen einzustellen.

 

 

Zwar werden

neue Ansätze diskutiert und der Ruf nach multimedialen Lernsystemen

sowie der Vernetzung von Schulen und Bildungseinrichtungen wird

immer lauter. Auch gibt es bereits über 20.000 Lernprogramme

allein im deutschsprachigen Raum – jedoch keine Orientierung,

keine Einordnung im Hinblick auf Zielgruppen und Fachgebiete und

kaum sinnvolle Qualitätskriterien.

 

 

 

Dabei werden

der Mangel an Kompetenzen und die Bedeutung des Wissens einzelner

Mitarbeiter wie auch des gesamten Unternehmens für die Wertschöpfung

in der Wirtschaft immer deutlicher. Die Forderung der Industrie,

die fehlenden Fachkräfte auf dem Weltmarkt zu beschaffen (Stichwort:

Green Card), steht als aktuelles Beispiel für die drängende

Situation – aber auch die Hilflosigkeit, rechtzeitig eigenständige

Konzepte für eine nachhaltige Qualifizierung zu entwickeln.

 

 

Während

sich in den letzten Jahren das Angebotsprofil in der beruflichen

Weiterbildung kaum verändert hat, haben die Formen der informellen

beruflichen Bildung rasant zugenommen. Dem Berichtssystem Weiterbildung

(Infratest Burke Sozialforschung 1998) ist zu entnehmen, dass die

arbeitsplatznahen Lernprozesse durch

 

 

  • Selbstlernen und gegenseitige Hilfe
  • Anlernen, Beobachten und Ausprobieren
  • Fachliteratur und Fachmessen
  • Werkstattzirkel und Austauschprogramme

 

in den letzten

Jahren Steigerungsraten von zum Teil über 100% aufweisen. Auch

das selbstgesteuerte Lernen mit neuen Medien gehört dazu. Dies

verdeutlicht den breiten Qualifizierungsbedarf.

 

 

 

Strukturkonservative

Bildungspolitiker, Programmplaner, Lehrer und Trainer des Bildungswesens

einerseits und technikgläubige Entwickler von Lernmaschinen

andererseits haben sich bisher gegenseitig blockiert. Eine ideologische

Debatte wurde geführt – ohne die Suche nach einem gangbaren

Mittelweg, der die Stärken des Bildungswesens mit neuen Lerntechnologien

und arbeitsplatznahen Selbstlernkonzepten verbinden kann.

 

 

Jetzt ist ein

gewaltiger Kraftakt nötig, um den nötigen Schneeballeffekt

für eine neue Lernwelt und die dazu erforderliche Selbsterneuerung

der Kompetenzen zu erzeugen. Sollen die wachsenden Massenprobleme

des Bildungsmarkts gelöst werden, so gilt es nun, rasch multiplizierbare

Modelle und Selbstlernkonzepte zu entwickeln.

 

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Lernarrangements für das Selbstlernen

 

 

Bietet angesichts

dieser Situation Telelearning eine Lösung der Probleme? Und

wo sollten Unternehmen und Bildungsträger ansetzen?

 

 

Nur Lernen

erzeugt oder erweitert Wissen, das zu Kompetenzen führt, welche

in Unternehmen und in der Gesellschaft Innovationen generieren.

Dazu müssen Unternehmen und Bildungseinrichtungen eine Lernkultur

entwickeln, in der die permanente Weiterentwicklung von Qualifikationen

und neue, flexible Formen des Lernens im Mittelpunkt stehen.

 

 

Dabei haben

die Möglichkeiten der Vernetzung und der Nutzung des Internets

Bewegung in die Entwicklung neuer Selbstlernkonzepte gebracht: Erst

das Telelearning oder Teletutoring ermöglicht die Kombination

der Vorteile multimedialer Aufbereitung von Lerninhalten und des

Zugriffs auf das Wissen der Welt "just in time" mit einer

betreuenden Kommunikation durch Teletutoren und der Lernenden untereinander

zu erfolgreichen Lernarrangements.

 

 

 

Multimediale Lernarrangements

Arbeiten und Lernen verschmelzen zunehmend. Die Vernetzung der Arbeitsplätze und die Integration von multimedialen Lernsystemen, Medien und Wissenbeständen ermöglichen neue, flexible Formen des Lernens.

Multimediale Lernarrangements verbinden bedarfsorientiert ausgewählte Lernprogramme und Wissenswerkzeuge mit der koordinierenden Begleitung durch einen Teletutor und der didaktischen Dramaturgie fördernder Kommunikationsprozesse zu einer wachsenden Selbstlernkompetenz und eigenverantwortlichen Lernprozess-Steuerung der Lernenden.

Durch systematisch entwickelte Lernarrangements und eine flexibel wachsende Wissensbasis wird persönliches Wissen zugleich zu kollektivem Wissen und einem wesentlichen Wertetreiber des Unternehmens.

 

 

Multimediale

Lernarrangements, die diesen Lern- und Kommunikationsprozess organisieren,

werden einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Aufbau

lernender Organisationen sein. Hier werden aufwendig entwickelte

Selbstlern-Module mit Fragen aus der Praxis, bedarfsorientierten

Aufgabenstellungen und den Interessen der Lerner kombiniert. Eine

entscheidende Bedeutung hat dabei die didaktische Dramaturgie, mit

der die Lernenden einerseits zum eigenverantwortlichen Lernen geführt

werden und andererseits der Kommunikations- und Diskussionsprozess

in begleitenden Meetings per Telefon, E-Mail oder Newsgroup angestoßen

und lebendig gehalten wird.

 

 

 

Die wichtigste

Rolle im Lernarrangement spielt neben dem selbstverantwortlichen

Lerner der Teletutor: Die zu Tutoren und Lernberatern umgeschulten

Trainer müssen in viel komplexeren und flexibleren Zusammenhängen

als nur in virtuellen Classrooms die Motivation der Lerner erhalten

und das Vertrauen und die Offenheit für die Kommunikation entwickeln.

Sie organisieren und kontrollieren u.a. das selbstverantwortliche

Zeitmanagement der Lernenden und helfen, Lernschwierigkeiten zu

überwinden.

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Integration von Kunden, Zulieferern und Partnern

 

 

Lernarrangements

sind jedoch nicht nur für das Selbstlernen und das Lernen von

Mitarbeiter-Gruppen zu entwickeln – über das Internet,

über Wissensportale und -communities wird auch der Kunde in

den lernenden Prozess der Organisation eingebunden. Neue Konzepte

des One-to-one-Marketings und Customer Relationship Managements

beziehen die Kunden direkt in den Lernprozess des Unternehmens ein.

Integriert in die E-Commerce-Plattformen werden die Interessen,

Wünsche und Fragen des Kunden sorgsam für neue Innovationen

ausgewertet und die Produkt- und Dienstleistungsangebote auf der

Basis individueller Kundenprofile angepasst.

 

 

 

Darüber

hinaus bildet sich bei größeren, global orientierten

Unternehmen bereits ein Lernen zwischen den Organisationen heraus:

Partnerunternehmen und Zulieferer werden in den virtuellen Lernverbund

integriert. Wie beim Lernen der einzelnen Mitarbeiter im Team stehen

auch diese Lernorganisationen im Spannungsfeld zwischen der Wissensteilung

zum Vorteil des Verbundes und dem Schutz der Einzelinteressen. Das

Wissenmanagement braucht daher ein sicheres Gespür für

die Entwicklung des notwendigen Vertrauens.

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Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Telelearning

und Wissensmanagement

 

 

Dieser Paradigmenwechsel

erfordert zunächst ein Umdenken; die bisherigen Verfahren müssen

hinterfragt und neue Ansätze erprobt werden. Voraussetzung

für einen erfolgreichen Einsatz von Telelearning und Wissensmanagement

sind u.a. folgende Faktoren:

 

 

  • Aufbau einer leistungsfähigen Netzwerk-Infrastruktur (vom Internet-Zugang bis zur Knowledge Base)
  • Entwicklung der erforderlichen Schlüsselqualifikationen und Kernkompetenzen
  • Entwicklung von Beziehungen, von Vertrauen und einer neuen Werte-Ordnung
  • systematische Aufbereitung lernbereiten Wissens und Bereitstellung in multimedialen Lernarrangements

 

 

Zu diesem Umdenken

gehört, dass ein neuer Blickwinkel zum gesamten Lernprozess

gefunden werden muss: Nicht mehr inhaltsorientierte Lehrangebote,

sondern bedarfsorientiertes, handlungsbezogenes und selbstgesteuertes

Lernen steht im Mittelpunkt. Wie im Internet, wo die nächste

gesuchte Information in autonomer Entscheidung nur einen Mausklick

entfernt ist, ist auch beim Selbstlernprozess der Lernende der Experte:

Er unterscheidet viel eigenständiger als bisher, welche Informationen,

Problemlösungsstrategien und Lernmodule für ihn und seine

Aufgaben nützlich und wesentlich sind.

 

 

Aus dieser

Entscheidungsnotwendigkeit heraus verlagert sich die Verantwortung

für den Lernprozess auf den Lerner. Er benötigt dazu eine

Reihe von Kompetenzen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden:

 

  • Medienkompetenz, um das Internet, die Wissensbasis und die Telelearning-Angebote effektiv nutzen zu können
  • Selbstlernkompetenz, um Wissens- und Lernangebote sinnvoll auszuwählen, sich selbst zu organisieren und zu motivieren
  • Sozial- und Kommunikationskompetenz, um in kooperativen Selbstlerngruppen an der Entwicklung von Problemlösungen und neuem Wissen kreativ mitzuwirken

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Wissen braucht Management

 

 

 

Wissen lässt

sich nur dann sinnvoll aufbereiten, multiplizieren und nutzen, wenn

die Lösungen praxisgerecht konfektioniert sind. Auf der Grundlage

der Erkenntnisse des individuellen Selbstlernens gilt es, ein Management

des unternehmensweiten Wissens aufzubauen und lernbereites Wissen

zu schaffen. Wichtige Wissenselemente, die definiert sind, müssen

dazu für die entsprechenden Zielgruppen und übergreifenden

Nutzungsszenarien in Lernarrangements umgesetzt und bedarfsorientiert

angeboten werden.

 

 

Damit die Mitarbeiter

gemäß ihren Erfahrungen, Qualifikationen, Interessen

und Wissensbedarfe mit den richtigen Informationen versorgt werden

können, müssen die angebotenen Informationen individuell

auf vom Mitarbeiter selbst zu pflegende Profile abgestimmt werden.

Sozusagen im Self-Service führen die Mitarbeiter dabei auch

ihre Personalakte und ihr Qualifikationsprofil. Auf der Grundlage

einer klaren Zielvereinbarung entwickeln sie so das erforderliche

Selbst-Bewusstsein – die Voraussetzung für Selbstlernen

und Selbstverantwortung – für den Arbeits- und Lernprozess.

 

 

 

Das Wissensmanagement

trägt dafür Sorge, dass der Lernende dabei nicht sich

selbst überlassen bleibt. Die Kommunikation mit Tutoren und

Trainern, besonders aber mit Mit-Lernern und Kollegen, muss planvoll

organisiert werden. Flexibel sollten dazu alle Möglichkeiten

(Telefon, E-Mail, Newsgroup, Chat, Meeting, informelle Treffen und

Events) genutzt werden können.

 

 

fehrlage picture

Definierte Wissenselemente müssen für die verschiedenen Zielgruppen und Nutzungsszenarien in Lernarrangements umgesetzt und bedarfsorientiert angeboten werden.

 

 

Wichtige Aufgaben

sind auch die Entwicklung neuer Werte-Ordnungen und Gratifikationsmodelle,

die der neuen Eigenverantwortung der Mitarbeiter entsprechen. Für

den Aufbau einer lernenden Organisation muss sich der Wissenserwerb

und Wissensaustausch lohnen. Vertrauen als Grundlage für die

gemeinsame Nutzung des Wissens braucht gesicherte Absprachen und

Vereinbarungen. Vertrauen wächst nur in Gesprächen, im

offenen, informellen Informationsaustausch untereinander. Diese

Teamfähigkeit gezielt zu entwickeln, ist eine der wichtigsten

Aufgaben des Wissensmanagements.

 

 

 

Dazu brauchen

die einzelnen Lerner und Gruppen allerdings einen definierten Rahmen,

d.h. Ziele und Entscheidungsspielräume, Zeit und Geld. Auf

dieser Grundlage kann man dann jedoch fest auf die Selbststeuerung

und die Selbstorganisationskraft der Mitarbeiter und Teams bauen,

die über kurz oder lang zu einer neuen lernenden Unternehmensorganisation

führen. Wissensmanagement und Selbstlernen werden so zu einem

langfristigen, nachhaltigen Prozess der Unternehmens- und Persönlichkeitsentwicklung.

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Fazit

 

 

Mit dieser

neuen Ausrichtung der Lernorganisation auf Lernarrangements für

Telelearning und Wissensmanagement schlägt man mehrere Fliegen

mit einer Klappe: Wenn der Rollenwechsel von Lernenden, Trainern

und des Managements gelingt und zur Entwicklung bedarfsorientierter

Lernarrangements führt, dann steigert Telelearning die Ausbildungsqualität,

flexibilisiert die Arbeitszeit, reduziert die Kosten und führt

schneller zu erfolgreichen Innovationen.

 

 

 

In den Unternehmen,

die dies berücksichtigen, führen Telelearning und Wissensmanagement

bereits heute zu neuer Dynamik und mehr Wertschöpfung. Die

Shareholder-Value-Gesellschaft hat sich an den Börsen der Welt

längst für die strategische Nutzung von Wissen und Information

in diesem Sinne entschieden. Nur Unternehmen und Bildungsträger,

die beweisen, dass sie eine lernende Organisation bilden und das

Wissen und Lernen ihrer Mitarbeiter vernetzen, schreiben in den

Augen der Analysten und der Fachpresse eine Erfolgsstory und schaffen

die nötige Anziehungskraft für das Kapital der Anleger.

 

 

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