Fachbeiträge
Aufbruch in neue Lernwelten?
von Christine Fackiner
Bedeutet Web Based Training tatsächlich einen Aufbruch in neue Lern- und Wissenswelten, oder ist WBT bloß ein neuer Name für das altbekannte Computer Based Training (CBT) in neuer Verpackung? Das Fazit von Christine Fackiner: WBT bietet dann etwas Neues, wenn es nicht als einzelnes Lernmodul verstanden wird, sondern als Lernplattform mit vielfältigen Kommunikations- und Informationskanälen.
Von Christine
Inhaltsübersicht:
- CBT und WBT
- Offene Lernwelt
- Vielfältige Informationsquellen
- Didaktisches Neuland?
- Übergang zum Lernenden Unternehmen
- Virtuelle Gruppen
- Herausforderung für die Bildungskonzeptionisten
- Integration in ein Gesamtkonzept
- Fazit
Geht es um das Thema Web Based Training (WBT) oder Online-Lernen,
so vermittelt dessen Metaphorik eine gewaltige Aufbruchsstimmung:
Neue Wissens- und Lernwelten werden entdeckt; das Online-Lern-Einstiegsprojekt
der Deutschen Bank hieß z.B. Columbus ganz gleich,
ob dabei der alte Spanier oder eine amerikanische Raumfähre
Pate stand, in beiden Fällen bricht man auf in neue Welten
neue Lernwelten natürlich. Ist da was dran, oder ist
WBT bloß ein neuer Name für das altbekannte Computer
Based Training (CBT), das sich ohne neue Verpackung nicht mehr gut
verkaufen lässt?
Computer Based
Training ist die Bezeichnung für eine Lehr- und Lernmethode,
bei der ein Lernender oder auch mehrere Lernende gemeinsam ein computergestütztes
Trainingsprogramm bearbeiten. CBT-Programme können sehr unterschiedlich
strukturiert sein: Die Palette reicht von Programmen, in denen schrittweise
Inhalte präsentiert und in Übungen angewandt werden, über
Testprogramme bis hin zu komplexen Simulationsprogrammen. CBT-Programme
werden meist auf CD-ROM distribuiert.
Was ist nun
im Unterschied dazu Web Based Training, auch netzbasiertes oder
Online-Lernen genannt? Dieser Begriff wird bisher nicht einheitlich
genutzt. Teilweise werden als WBTs herkömmliche CBT-Programme
bezeichnet, die statt auf einer CD-ROM nun im Internet oder im firmeneigenen
Intranet verteilt werden. Ginge es jedoch nur um einen neuen Weg,
auf dem Lernmodule zu ihren Anwendern kommen, wäre dies zwar
ein durchaus wichtiger Beitrag zur Lösung manch eines organisatorischen
Problems, aber die Entdecker-Metaphorik wäre fehl am Platz;
neue Lernwelten werden so nicht erobert.
Netzbasiertes
Lernen kann aber viel mehr sein, und erst da wird es auch didaktisch
spannend. WBT ist dann etwas Neues, wenn nicht nur ein einzelnes
WBT-Lernmodul im Blick ist, das seine Anwender online erreicht,
sondern wenn es als System verstanden wird, als eine Lernplattform,
auf der vielfältige Kommunikations- und Informationskanäle
zur Verfügung stehen.
Lernwelt
Lernen am Computer
wird auf solchen Plattformen zum Lernen in einer offenen Lernwelt.
Zum einen ist
die Lernwelt offen durch Kommunikation. Im Unterschied zum Lernen
an einem nicht vernetzten Computer kann über eine WBT-Lernplattform
nämlich kommuniziert werden: Vertiefende Fragen zu einem Lernprogramm
oder zu einem praktischen Problem am Arbeitsplatz kann ein Online-Tutor,
ein Experte oder ein Kollegen per E-Mail beantworten. Sollte das
Thema viele interessieren, kann diese Frage in einem öffentlichen
Bereich als Frequently Asked Question (FAQ) abgelegt oder in einem
Forum diskutiert werden. Und zu ganz aktuellen Fragen lässt
sich auch eine Online-Konferenz per Chat, über Audio- oder
gar über Videoconferencing organisieren.
Vielfältige Informationsquellen
Offen ist die
Lernwelt auch inhaltlich: Lernen an einem vernetzten Computer beschränkt
sich nicht mehr auf die Bearbeitung von statischen Programmen, die
ein Autor irgenwann einmal vorkonzipiert hat. Denn im Netz können
beliebige Informationsquellen firmeninterne oder externe
genutzt werden.
Der Autor eines
Lernprogramms hat dann nicht weniger Arbeit, sondern eine zusätzliche:
Nach wie vor wird er Lerninhalte didaktisch als Lernmodule aufbereiten.
Durch solche Lernmodule lassen sich gut Themen vermitteln, die nicht
täglich aktualisierungsbedüftig sind. Zusätzlich
wird sich der Autor aber überlegen, welche Adressen im Internet
oder im Intranet der Firma aktuelle oder besonders interessante
Informationen zum Thema bieten. So wird er beispielsweise den grundsätzlichen
Unterschied zwischen Rente und Aktie nach wie vor in einem Lernmodul
erklären. Für Informationen über aktuelle Trends
wird er aber besser Links auf ausgewählte Internet-Seiten von
Banken oder Institutionen anbieten.
Bei der didaktischen
Begutachtung von Computer Based Training wird zu Recht auf die Grenzen
dieses Lernmediums hingewiesen: Mit CBT allein lassen sich z.B.
keine diskussionsbedürftigen Themen vermitteln; Lernziele im
Bereich der kommunikativen und sozialen Kompetenz sind ebenfalls
nicht allein durch CBT zu erreichen.
Mit Web Based
Training haben sich diese Grenzen ein ganzes Stück weit verschoben:
Denn Lernen am Computer kann auf einer WBT-Lernplattform viel mehr
sein als die individuelle Auseinandersetzung mit einer Lernkonserve.
Eingebettet in virtuelle Gruppenarbeit sind auch diskussionsbedürftige
Themen für den Computer kein Tabu mehr. Und was die kommunikativen
und sozialen Kompetenzen betrifft: Es gibt wohl kaum eine bessere
Möglichkeit, Kompetenzen in der zunehmend wichtiger werdenden
Online-Kommunikation und für die Arbeit in virtuellen Gruppen
zu erwerben als durch Online-Lernen.
Übergang zum Lernenden Unternehmen
Mit der Einführung
von WBT-Lernplattformen scheint auch das Lernende Unternehmen einen
Schritt voranzukommen. Zwar sind die meisten Plattformen erst im
Stadium von Pilotprojekten, aber die Konzepte sind vielversprechend:
Auf einigen dieser Plattformen wird auch der Aufbau firmeninterner
Wissenspools organisiert. Diese Pools sollen durch Informationsinput
von Experten entstehen, aber vor allem auch durch die Eingabe des
Praxiswissens der Mitarbeiter. Ziel ist es, so die gesammelten Erfahrungen
aus der täglichen Arbeitspraxis dem gesamten Unternehmen verfügbar
zu machen.
In diversen
Pilotprojekten hat sich ein zusätzliches Phänomen gezeigt:
Der Einsatz von WBT-Lernplattformen förderte den spontanen
Austausch der Lernenden untereinander. In einigen Fällen sind
dadurch Lerngruppen entstanden, die über den aktuellen Lernanlass
hinaus bis hin in die Arbeitspraxis Bestand hatten.
Herausforderung für die Bildungskonzeptionisten
Selbstgesteuertes
Lernen, Wissenspools oder virtuelle Gruppen funktionieren jedoch
nicht von selbst. Es reicht nicht, eine Plattform für das Lernen
im Netz bereit zu stellen, die diese Prozesse technisch ermöglicht.
Hier sind die Bildungsplaner gefordert, denn Selbstlernprozesse
und das Lernen voneinander müssen initiiert werden. Die Lernenden
müssen auf das Lernen mit neuen Medien vorbereitet werden und
sie müssen auch beim Lernen betreut sein.
Integration in ein Gesamtkonzept
Wichtig ist
mehr denn je die Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Aus-
und Weiterbildung, in dem das medienunterstützte Lernen und
Kommunizieren immer nur ein wenn auch wichtiger werdender
Baustein bleiben wird. Durch die WBT-Lernplattformen werden
weder Computer-Lernprogramme überflüssig, die online verteilt
WBT-Lernmodule heißen, noch Präsenzveranstaltungen.
So dienen Lernmodule
beispielsweise optimal dazu, sich allein zunächst Grundlagen
zu erarbeiten. Aufsetzend auf einem so vorbereiteten homogenen Wissensstand
der Teilnehmer können dann in Präsenzveranstaltungen Übungen
an Geräten durchgeführt oder Fallbeispiele im Team bearbeitet
werden. Im Anschluss an die Präsenzveranstaltungen ist es durch
Online-Kommunikation möglich, dass die Lerngruppe untereinander
und mit ihrem Tutor in Kontakt bleibt, selbst wenn die Teilnehmer
an unterschiedlichen Orten wohnen. Die oft geforderte Verzahnung
von Lernen und Arbeiten lässt sich auf diese Weise einfacher
organisieren.
Wie eine solche
Konzeption im Detail aussieht, welche Rolle die verschiedenen Medien
dabei spielen, wie Präsenzveranstaltungen oder Online-Kommunikation
realisiert werden: Dies ist letztendlich für jede Zielgruppe
individuell zu bestimmen.
Durch WBT wird
die Lernwelt vielfältiger. Die bisherigen Lernmethoden werden
deshalb keineswegs überflüssig, denn eine Online-Kommunikation
ersetzt natürlich nicht den Live-Kontakt. Aber der ist weder
immer gewünscht noch immer möglich. WBT sollte also vor
allem als Zusatzangebot für Lern-, Informations- und Kommunikationsprozesse
verstanden werden, die sonst oft gar nicht stattgefunden hätten.
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