Fachbeiträge
Das Ohr am Kunden
von Stefan Helmke, Matthias Uebel, Tobias Wunsch
Die Kunden sind wählerischer geworden. Sie überdenken Investitionen kritischer als noch vor einigen Jahren. Für Unternehmen bedeutet das: Nur wer das richtige Produkt zum richtigen Preis anbietet, erhält den Zuschlag. Oder anders gesagt: Nur diejenigen Unternehmen, die Ihre Klientel auch tatsächlich kennen, können deren Wünsche und Bedürfnisse in Produkten und Dienstleistungen realisieren. Kundenanalysen und -segmentierungen sind hier oftmals wettbewerbsentscheidend.
Von Stefan Helmke, Matthias Uebel und Tobias Wunsch
Inhaltsübersicht:
Seinen Markt und seine Kunden zu kennen, ist die Basis für zielgerichtetes Marketing und einen zielgerichteten Vertrieb bzw. Verkauf. Die Qualität der Umsetzung in diesem Erfolgsfaktor bestimmt entscheidend die Profitabilität des Unternehmens. Das ausgeprägteste Kundenwissen haben Verkäufer inne. Für eine übergeordnete, strategische Sicht muss dieses Wissen gebündelt werden. Nur so entsteht ein geschärftes Bild aus der Zusammenfassung der Einzelsituationen. Erst dann lassen sich Kundengruppen bilden, die – ergänzt um ökonomische Erfolgsgrößen – eine erste Basis für eine systematische Marktbearbeitung erlauben. Darauf aufbauend können Unternehmen nach dem Integrated Customer Decisions-Konzept (ICD) agieren. Es besagt, dass alle Entscheidungen in einer dynamische Markt- und Kundenbearbeitung auf dem relevanten, qualitativen und quantitativen Wissen über Kunden basieren.
Kundenwissen sammeln – aber wie?
Neben dem expliziten Wissen der Verkaufsmannschaft existiert zudem implizites Wissen aus der Historie der Kundenbeziehung. Diese so genannten Business Rules bieten erhebliche Erfolgspotenziale, da sie die Kundenbearbeitung weiter verfeinern. Ein Beispiel für eine Business Rule könnte lauten: „Wenn es uns gelingt, einem Kunden im ersten Jahr Produkt xy zu verkaufen, ist sein Umsatz im nächsten Jahr um 20 Prozent höher als der des Durchschnittskunden“. Diese Business Rules müssen mit den Kundengruppen verbunden werden, um erfolgreich am Markt zu agieren.
Doch welches Kundenwissen sollten Unternehmen in welcher Form erheben? Hier ergibt sich folgendes Dilemma: Die Auswahl ist schwierig und das Erheben und Sammeln von Wissen verursacht Kosten. Einfach alles zu erheben, ist schon aus diesem Grund nicht der richtige Ansatz. Bei der Auswahl helfen Kundenentwicklungsmusteranalysen, die die Informationen vorfiltern. Dazu muss da Unternehmen zunächst klären, welche Fragestellungen es beantworten möchte, z.B. „Welche Kunden werden im nächsten Jahr unser Produkt xy kaufen?“. Zusätzlich sollte es immer eine erforschende Data Mining-Komponente im Methodeneinsatz berücksichtigen, um völlig neue Zusammenhänge aufzudecken.
Leider gibt es nicht auf jede Frage eine 100-prozentige Antwort. Es existieren aber stets Indikatoren, die zumindest zu 80 Prozent zutreffen – und das ist in der Regel deutlich besser, als einfach intuitiv und nach dem eigenen Gutdünken zu agieren. Sicherlich darf das Bauchgefühl nicht fehlen, aber eine Anreicherung um methodisch abgesicherte Erkenntnisse machen Entschlüsse nachvollziehbarer und warnen vor Fehlentscheidungen. Ausgehend von den Zielfragestellungen, werden mit Hilfe von Tiefeninterviews und statistischen Verfahren Ergebnisse erarbeitet. Diese beiden methodischen Ansätze werden integriert eingesetzt. So können sie qualitativ und quantitativ ausgeprägtes Wissen kombinieren. Nur auf quantitatives Wissen zu setzen, hieße, viele Faktoren zu vernachlässigen, die den Menschen als solchen ausmachen. Nur auf qualitatives Wissen zu setzen, hieße im schlimmsten Fall, die ökonomische Erfolgskomponente zu vergessen.
Aus dem Methodeneinsatz ergeben sich Kundenmuster sowie eine Auflistung derjenigen Indikatoren, die den zu erklärenden Sachzusammenhang verdeutlichen. Projekterfahrungen zeigen, dass immer wieder „Aha“-Erlebnisse den hohen Wert dieses methodischen Vorgehens untermauern. Die Kundenmuster werden anschließend zu Kundengruppen mit treffenden Bezeichnungen zusammengefasst. Methodisch erfolgt die Bildung der Kundengruppen mit Hilfe der Clusteranalyse, einem multivariaten statistischen Verfahren, das sämtliche Einflussfaktoren – sowohl explizite als auch implizite – berücksichtigt. Die Clusteranalyse fasst Kunden in möglichst einheitliche Gruppen zusammen.
Häufig sind sich Unternehmen unsicher, wie viele Kundengruppen sie bilden sollten (Granulierung der Kundensegmentierung). Aus der Perspektive der Marktbearbeitung macht die Bildung von Kundengruppen dann Sinn, wenn diese auch sinnvoll unterschiedlich bearbeitet werden sollen. Als Nebenbedingung ist zu berücksichtigen, dass eine differenziertere Bearbeitung auch zu höheren Kosten führt. Diese Investition muss jedes Unternehmen mit dem erwarteten Nutzen abgleichen. Erfahrungsgemäß sind aber fünf bis acht Kundengruppen für die meisten Unternehmen eine sinnvolle Größe.
Um die Bedeutung der Thematik im Unternehmen zu forcieren, eignet sich die Durchführung von Planspielworkshops, wie z.B. das Targeto. Diese Planspielworkshops verdeutlichen, welche Bedeutung das fundierte, übergreifende Wissen über Kunden für den Unternehmenserfolg hat. Die Ergebnisse werden sofort sichtbar, da sich die Erfolge (Gewinn, Umsatz, Kosten) entsprechend der Entscheidungen der Teilnehmer verändern. Darauf aufbauend lässt sich eine Kundengruppierung für das eigene Unternehmen wesentlich leichter entwickeln und etablieren, da bereits die notwendige Akzeptanz auf Marketing- und Vertriebsseite besteht. Die Kundengruppierung schafft die Basis für ein optimiertes Kundenmanagement, das sich in einer verbesserten, differenzierteren Kundenbearbeitung äußert.
Für die einzelnen Kundengruppen muss das Unternehmen integrierte Bearbeitungsketten entwickeln, die die Bedürfnisse der einzelnen Kundengruppen berücksichtigen. Auch die Neukundengewinnung wird durch die Kundensegmentierung erleichtert. Durch ein systematisches Vorgehen in diesem Bereich lassen sich die Erfolge einzelner Marketingaktionen besser messen. Dieses Wissen können Unternehmen dazu nutzen, die Bearbeitungsketten im Sinne einer lernenden Organisation kontinuierlich zu optimieren. So kann mittelfristig ein Best-Practice-Standard für das eigene Unternehmen erreicht werden. Dies liefert wiederum die Basis für einen optimierten Budgeteinsatz im Kundenmanagement, da es eine Steuerung nach Profitabilitätsgesichtspunkten ermöglicht.
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