Fachbeiträge

Ausgabe 6 / /2006
Fachbeitrag Qualitätsmanagement

Mit Geschichten Potenziale aufdecken

von Dr. Karin Thier und Erwin Hesser

Durch kreative Methoden zu einem umfassenden Qualitätsmanagement verspricht das so genannte „Story Telling". Wie erste Einsätze in der Praxis zeigen, können damit neue Wege bei der Kennzahlenoptimierung und Potenzialerhöhung in Unternehmen beschritten werden. Denn damit kann man das „verborgene" Know-how der Mitarbeiter anzapfen. Wie mit „Story Telling" wertvolle Informationen gesichert und weitergegeben werden, erfahren Sie im folgenden Artikel. Click here to find out more!

Von Dr. Karin Thier und Erwin Hesser

Inhaltsübersicht:

 

 

 

 

Oberstes Gebot für Unternehmen ist die Wirtschaftlichkeit. Doch beim Streben nach Gewinnmaximierung nutzen sie ihre wichtigste Ressource oftmals nicht genug: die eigenen Mitarbeiter. Deren Verbesserungsideen und die aus Projekten gewonnenen Erfahrungen verhallen häufig ungehört. Dabei kann man das „schlummernde" Mitarbeiterwissen mit der geeigneten Methode wecken und gewinnbringend umsetzen. Lesen Sie hier, wie „Story Telling" wertvolles Know-how an die Oberfläche kehrt und damit Zeit und Kosten spart.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Ideenpotenzial der eigenen Mitarbeiter nutzen

 

 

 

Unternehmen leben vom Einsatz und den Anregungen ihrer Mitarbeiter. Viele Organisationen vernachlässigen jedoch diesen Aspekt. Und ein flächendeckendes Informations- und Wissensnetz bleibt weitgehend verborgen. Erkunden Unternehmen dieses Netz, stoßen sie auf Verbesserungsvorschläge, Lösungsmöglichkeiten, innovative Ansätze, Fehlerquellen, Redundanzen und Reibungsverluste, die verdeckte Kostentreiber und -einsparpotenziale darstellen.

 

 

 

 

Wie aber kann man diesen verdeckten Potenzialen auf die Schliche kommen? Ein viel versprechender Ansatz ist die zielgerichtete und qualitative Förderung der Ideen von Mitarbeitern im Rahmen der „Story Telling"-Methode (ST). Dabei handelt es sich um eine kreative Methode, die sich im „Best Practice" des Qualitätsmanagement als KVP/TQM Ansatz bewährt hat. Durch den Einsatz von „Story Telling" filtert das Unternehmen Vorzüge und Schwachstellen heraus.

 

 

 

 

 

Aber was verbirgt sich genau hinter dem Begriff „Story Telling"?
Im Qualitätsmanagement ist unter „Story Telling" eine Methode zu verstehen, die Mitte der 90er Jahre in den USA von Wissenschaftlern, Managern und Praktikern entwickelt wurde, um unternehmensrelevante, aber bislang unausgesprochene Erfahrungen und Ideen von Mitarbeitern über bestimmte Prozesse und Abläufe aufzudecken und zu dokumentieren. Dabei arbeitet die Methode mit den „Stories", die Mitarbeiter zu bestimmten kennzahlenrelevanten Themen, Abläufen und Prozessen im Unternehmen erzählen können. Im Mittelpunkt stehen die Mitarbeiter und ihr Wissenspotenzial. Ziel ist, neben den bekannten Unternehmensgrößen Raum für das Unerwartete und Neue zuzulassen.

 

 

 

 

 

 

 

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Wie funktioniert „Story Telling"?

 

 

 

Ausgangspunkt von „Story Telling" ist meist ein konkretes Problem im Unternehmen, beispielsweise ein strategisch wichtiges Pilotprojekt, bei dem es zu Schwierigkeiten mit Kunden und Zulieferern kam, eine Produkteinführung, die länger als geplant dauerte oder eine Reorganisation.

 

 

 

 

In der Planungsphase wird festgelegt, welche Kennzahlen, Prozesse oder Abläufe das Unternehmen mit „Story Telling" näher beleuchten möchte.
Im nächsten Schritt werden Interviews mit Mitarbeitern geführt, um das (Erfahrungs-) Wissen zu erheben. Dabei ist es wichtig, so unterschiedliche Perspektiven (vom Praktikanten, über die Sekretärin bis zum Projektleiter) wie möglich zu berücksichtigen. In den Interviews erzählen die Mitarbeiter, was sie erlebt haben, wie es ihnen erging und vor allem welche Erfahrungen, Tipps und Verbesserungen sie für folgende Projekte sehen.
Im Anschluss daran werden die Interviews ausgewertet und in Form einer gemeinsam erzählten „Erfahrungsgeschichte" aufbereitet.

 

 

 

 

Praxisbeispiel: Verbesserung der Projektkultur durch „Story Telling"

 

 

Am Beispiel des Softwaredienstleisters Infortik (Name des Unternehmens verändert) soll nun aufgezeigt werden, wie man „Story Telling" in der Unternehmenspraxis sinnvoll einsetzen kann.

 

 

 

 

 

Infortik bekommt eine Angebotsaufforderung eines strategisch wichtigen Kunden für ein großes E-Business-Projekt. Innerhalb von wenigen Tagen erwartet der Kunde ein umfangreiches Angebot. Obwohl der Auftrag für das Unternehmen Routine ist, läuft bei der Angebotserstellung einiges schief: Die Teamzusammenstellung läuft schleppend, Verantwortlichkeiten bleiben ungeklärt, Informationen werden nicht weitergegeben und es kommt zu Doppelarbeiten. Und das, obwohl die Angebotsprozesse im Projektmanagement (PM) - Handbuch ausführlich dokumentiert sind. Letztendlich dauert der „Routineprozess" zehn Tage. Für die Geschäftsleitung sind diese ungeplanten und kostenintensiven Personalressourcen eine unhaltbare Situation. Da man im Unternehmen überzeugt ist, dass die Schuld an diesen Kostentreibern weniger bei den fachlichen Kenntnissen der Mitarbeiter zu suchen ist, sondern eher bei den „weichen", zwischenmenschlichen Faktoren, beschließt das Unternehmen die „Story Telling"-Methode einzusetzen.

 

 

 

 

 

Im Folgenden einige der erarbeiteten Lösungsvorschläge:

 

 

 

 

 

  • Verbindliche Teamzusammenstellung: Obwohl im PM-Handbuch klar geregelt ist, wer den Auftragsverantwortlichen bei der Erstellung des Angebots unterstützen soll, sah die Praxis anders aus: Verantwortliche Mitarbeiter ließen sich nicht aus dem Tagesgeschäft reißen, andere sagten zu, waren aber nicht erreichbar. Ständig mussten weitere Mitarbeiter zeitaufwändig in den Angebotsprozess eingeführt werden. Ein möglicher Verbesserungsvorschlag: Künftig müssen die Verantwortlichen den Ernst der Lage deutlicher vermitteln und einmal getroffene Zusagen zur Mitarbeit müssen verbindlich sein.
  • Mündliche Kommunikation versus dokumentierte Ergebnisse: Die Erfahrungsgeschichte machte deutlich, dass die Teammitglieder untereinander über den anstehenden Angebotsprozess kommuniziert hatten, die Ergebnisse aber nur unzureichend oder nicht einheitlich dokumentiert wurden. Darüber hinaus hatten nicht alle Beteiligten Zugang zu wichtigen Informationen. Es kam daher zu unnötigen Doppelarbeiten und Missverständnissen. Wie sich herausstellte, wiesen die internen Prozesse des Unternehmens hier noch einige Lücken auf. So fehlte im Prozess, wann, wie und wo dokumentiert wird.
  • Eigentliche und reelle Entscheidungsbefugnisse: In der Unternehmensrealität wird nichts ohne die Geschäftsleitung entschieden und die Angebotsverantwortlichen halten immer erst Rücksprache. Ist niemand zu erreichen, wie im Fall der Erfahrungsgeschichte, kommt es zu Verzögerungen und Entscheidungen werden nicht gefällt.

 

 

 

 

Hier wurde deutlich, dass sich in der Unternehmenskultur etwas ändern muss. Für eine raschere Abwicklung muss die Geschäftsleitung Verantwortung abgeben und ein stärkeres Vertrauen in die Mitarbeiter setzen.

 

 

 

 

Das erfreuliche Ergebnis: Die konsequente Rückführung der Verbesserungsideen aus der Erfahrungsgeschichte in die Prozesse des Unternehmens brachte eine durchschnittliche Halbierung der benötigten Zeit- und Personalressourcen für den Angebotserstellungsprozess.

 

 

 

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