Fachbeiträge
Die Produktivität von Wissensarbeit steigern – aber wie?
von Marc S. Tenbieg
In unserem heutigen Wirtschaftsdenken ist der effektive Umgang mit der Ressource Wissen zu einer der wichtigsten Managementaufgaben geworden. Denn das in einem Unternehmen vorhandene Wissen kann in hohem Maße dazu beitragen, Produkte und Dienstleistungen aufzuwerten und damit einen höheren Unternehmenswert bzw. eine größere Wertschöpfung zu schaffen. Als Konsequenz daraus hat sich mittlerweile der Begriff der Wissensproduktivität im Management etabliert. Aber wie lässt sich diese steigern? Marc S. Tenbieg skizziert drei Dimensionen, in denen ein Unternehmen die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen sollte.
Inhaltsübersicht:
- Vom Taylorismus zur New Economy
- Die Produktivität von Wissensarbeit
- Zielgerichtetes Handeln
- Organisiertes Lernen
- Kombination von Expertisen
- Fazit
In unserem heutigen Wirtschaftsdenken ist der effektive Umgang mit der Ressource
Wissen zu einer der wichtigsten Managementaufgaben geworden. Denn das in einem
Unternehmen vorhandene Wissen kann in hohem Maße dazu beitragen, Produkte
und Dienstleistungen aufzuwerten und damit einen höheren Unternehmenswert
bzw. eine größere Wertschöpfung zu schaffen. Als Konsequenz
daraus hat sich mittlerweile der Begriff der Wissensproduktivität im Management
etabliert.
Vom Taylorismus zur New Economy
Der mit Abstand einflussreichste Vordenker auf dem Gebiet der Produktivitätsverbesserung
war Frederick W. Taylor, der im Rahmen seines Scientific Managements nach der
effektivsten Methode suchte, um die Produktivität von Arbeitsabläufen
zu steigern. Als Reaktion auf den Taylorismus folgte die Theorie der Human Relations,
mit der die Bedeutung der Humanfaktoren zur Erhöhung der Unternehmensproduktivität
unterstrichen wurde. Unter der Führung von George Elton Mayo wurden zudem
auch noch Sozialfaktoren, wie z.B. die Moral und das Gruppengefühl, als
wichtige Faktoren zur Beeinflussung der Produktivität identifiziert.
Mit dem Aufkommen der Computertechnologie in den 70er Jahren wuchs das Vertrauen
in die bislang stetig zunehmende Unternehmensproduktivität. Dienten Computer
nicht schließlich von Beginn an dazu, die Produktivität zu erhöhen?
Doch im Jahr 1987 stellte Robert Solow fest: „You see the computer age
everywhere, except in the productivity statistics“. In den darauffolgenden
Jahren wurde dieser paradoxe Zustand wegdiskutiert mit der Argumentation, dass
die Produktivität zwar gestiegen sei, diese Steigerungen aber aufgrund
von Messfehlern in den Statistiken nicht ausgewiesen worden seien. Eine der
Annahmen der so genannten New Economy war, dass Computer auch weiterhin maßgeblich
zu einer stetigen Verbesserung der Produktivität beitragen würden.
Und die Revolution der Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichte
es durch die Kombination von Automatisierung (Computer und Software), Kommunikationsmitteln
(Satelliten, Glasfaser, Internet) und dem Wissen über Informationen, dass
die Produktivität tatsächlich schneller anstieg als die Lohnkosten
pro Produkteinheit.
Bei den einst vorherrschenden linearen Produktionsprozessen, in denen die Unterschiede
zwischen Input und Output für jeden Einzelnen klar erkennbar waren, war
es noch relativ einfach, die jeweilige Prozessproduktivität zu messen.
Mit dem stetig zunehmenden Anteil wissensgetriebener Produktionsprozesse ist
dieser Nachweis jedoch weit schwieriger geworden. In diesem Zusammenhang muss
man bedenken, dass hier der Faktor Qualität der erbrachten Leistung nur
vordergründig zu betrachten und zu messen ist. Klassische Messverfahren
stoßen dabei an ihre Grenzen.
Die Produktivität von Wissensarbeit
Es war Peter F. Drucker, der die Produktivität auf Basis von Wissen zum
zentralen Managementthema machte [1]. Analog zur 50-prozentigen Erhöhung
der Produktivität im industriellen Zeitalter sieht er eine verbesserte
Produktivität der heutigen Wissensarbeiter als die größte Managementherausforderung
des 21. Jahrhunderts an.
Aber wie geschieht die konkrete Umsetzung in einem solchen immateriellen, schwer
durchschaubaren und variablen wissensbasierten Produktionsprozess? Dazu sollen
nachfolgend die verschiedenen Ausprägungen der Wissensproduktivität
näher betrachtet werden:
- zielgerichtetes Handeln
- organisiertes Lernen
- Kombination von Expertisen
Zielgerichtetes Handeln
Zielgerichtetes Handeln in einem Unternehmen ist gekennzeichnet durch das Verhältnis
von Zielsetzung (Was will man erreichen?) und Effektivität (Wie schnell
und mit welchem Aufwand erreicht man das Ziel?). Misst man den Grad und die
Qualität der Zielerreichung sowie die Zeit und Energie, mit der das Ziel
erreicht wurde, kann daraus die Produktivität abgeleitet werden.
In der heutigen Wissensgesellschaft sind wir jedoch einer immerwährenden
Informationsflut ausgesetzt. Darüber hinaus haben Wissensarbeiter die Angewohnheit,
sich immer wieder zu fragen: „Was weiß ich? Was habe ich gelernt?
Wie kann ich meine Kenntnisse zur optimalen Lösung des Problems einsetzen?“.
Um zu verhindern, dass zu viel Zeit und Energie zum Aneignen von Wissen verbraucht
wird, das später sowieso nicht zielorientiert genutzt werden kann, muss
nach Drucker ein Prozess etabliert werden, der Wissen in Ergebnisse umwandelt.
Nur so kann Wissen im Unternehmen auch zur Produktivität beitragen.
Als Ergänzung hierzu verfeinert Mathieu Weggemann den Begriff des zielgerichteten
Handelns um die Komponente der strategischen Wissensgebiete, auch Kernkompetenzen
genannt [2]. Und Harm H. Tillema weist auf die Notwendigkeit hin, eine Verbindung
zwischen der individuellen Kompetenz eines Wissensarbeiters zu der jeweiligen
Unternehmensstrategie herzustellen [3]. Wissensproduktivität ist somit
keine Frage der Genialität, sondern eine Frage der Organisation. Die Verantwortung
hierfür liegt in erster Linie beim Management.
Organisiertes Lernen
Zweite zentrale Erfolgskomponente sind die Themen Lernen und Lernfähigkeit.
Ausgehend von der Annahme, dass der Faktor Lernen in einem Produktionsprozess
Wissen erzeugt, ist die Produktivität auch abhängig von der Lernfähigkeit
einer Organisation.
Einer der wichtigsten Verfechter dieser Theorie ist Joseph Kessels [4]. Er
hat das Lernen aus einer ökonomischen Perspektive betrachtet. In der Wissensgesellschaft
und -ökonomie liegt seiner Auffassung nach die zentrale Aufgabe eines Unternehmens
darin, Produkte und Leistungen mit Wissen aufzuwerten. Unternehmen, die ihre
Lernprozesse nicht organisieren können, verspielen somit ihren wirtschaftlichen
Erfolg. Das Lernen und die Lernfähigkeit einer Organisation tragen laut
Kessels maßgeblich dazu bei, die Wissensproduktivität zu steigern.
Auch Tillema unterstützt diesen Ansatz und betont, dass Wissensproduktivität
das Produkt ist aus der Lernfähigkeit eines jeden einzelnen Wissensarbeiters
und der Fähigkeit des Unternehmens, Lernprozesse zu organisieren und geeignete
Lernumgebungen zu schaffen [3]. Hieraus entstand auch der Lösungsansatz,
für die Wissensarbeiter kollaborative Infrastrukturen zum Austausch von
Wissen und zur Kommunikation zu schaffen. Ziel ist es, Wissen lösungsorientiert
zu vertiefen und zu verbreiten.
Im Gegensatz zu den strategischen Wissenszielen eines Unternehmens liegt die
Lernverantwortung bei jedem einzelnen Wissensarbeiter. Das setzt voraus, dass
Wissensarbeiter auch über entsprechende Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten
im Unternehmen verfügen. In diesem Zusammenhang müssen Lernumgebungen
auch als Wissensnetzwerke verstanden und aufgebaut werden, in denen jeder Wissensarbeiter
seinen individuellen Weg gehen kann.
Kombination von Expertisen
Die dritte Erfolgskomponente besteht in der Fähigkeit eines Unternehmens,
die vorhandene Expertise seiner Wissensarbeiter mit der Expertise anderer zu
kombinieren – unternehmensweit oder sogar unternehmensübergreifend
(Kunden, Lieferanten, Partner). Voraussetzung dafür sind eine etablierte,
wissensfreundliche Unternehmenskultur sowie ein Prozessdenken in Kompetenzdimensionen.
Wissensproduktivität ist somit auch das Resultat aus dem Zusammentreffen
individueller Lernstile. Rationale und emotionale, geordnete und chaotische,
analytische und kreative, planmäßige und intuitive Lernstile und
Denkmuster wirken sich gleichermaßen auf die Wissensproduktivität
aus.
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