Fachbeiträge
Wissensmanagement in deutschen Unternehmen - eine Bestandsaufnahme
von Prof. Dr. Kurt W. Koeder und Norbert E. Rohleder
Wissen als nachhaltige Ressource gewinnt in Wertschöpfungsprozessen immer mehr an Bedeutung. Zwar ist die Weitergabe von Wissen in Unternehmen keine Erfindung des ausgehenden 20. Jahrhunderts, aber es systematisch zu erfassen, aufzubereiten und zu nutzen ist vor allem für weltweit agierende Unternehmen zur Notwendigkeit geworden. Auch deutsche Unternehmen müssen, wollen sie im internationalen Markt bestehen, Wissen gezielt generieren und verteilen. Große Mengen an Wissen gehen täglich in der Organisation verloren und müssen mühsam wiedergewonnen werden. Die Unternehmen haben reagiert, doch eine aktuelle Studie der Fachhochschule Mainz zeigt, dass die systematische Nutzung der Ressource Wissen noch lange nicht selbstverständlich ist.
Inhaltsübersicht
- Diskussionsstand und Konzeptentwicklung
- Die organisatorische Einbindung
- Die praktische Umsetzung
- Fazit
Wissen als nachhaltige Ressource gewinnt in Wertschöpfungsprozessen
immer mehr an Bedeutung. Zwar ist die Weitergabe von Wissen in Unternehmen keine
Erfindung des ausgehenden 20. Jahrhunderts, aber es systematisch zu erfassen,
aufzubereiten und zu nutzen ist vor allem für weltweit agierende Unternehmen
zur Notwendigkeit geworden. Auch deutsche Unternehmen müssen, wollen sie
im internationalen Markt bestehen, Wissen gezielt generieren und verteilen.
Große Mengen an Wissen gehen täglich in der Organisation verloren
und müssen mühsam wiedergewonnen werden. Die Unternehmen haben reagiert,
doch eine Studie der Fachhochschule Mainz zeigt, dass die systematische Nutzung
der Ressource Wissen noch lange nicht selbstverständlich ist.
Im Herbst 2003 wurden 65 ausgewählte Führungskräfte und Entscheidungsträger
aus unterschiedlichen Branchen wie Finanzdienstleistungen (z.B. Deutsche Bank,
Dresdner Bank, Allianz), Automobilherstellung (z.B. DaimlerChrysler, BMW), Pharmazie
(z.B. Merck, Bayer), Telekommunikation (z.B. Siemens, IBM), Energieversorgung
(z.B. RWE, EWR) und Handel (z.B. Quelle, Karstadt) befragt. Die Rücklaufquote
der anonym durchgeführten Befragung lag bei 32 Prozent. Dabei sind die
Finanzdienstleister mit acht Unternehmen überdurchschnittlich stark vertreten.
Die Größenordnung der befragten Unternehmen reicht von unter 1.000
bis über 50.000 Mitarbeiter und der überwiegende Teil realisiert einen
Jahresumsatz von über 500 Millionen Euro.
Diskussionsstand und Konzeptentwicklung
Neue Managementstrategien erfolgreich zu implementieren, setzt Akzeptanz, theoretisches
Wissen und praktikable Umsetzungskonzepte voraus. Das gilt auch für das
Wissensmanagement. Deshalb wurden die Teilnehmer zunächst dazu befragt,
welche Bedeutung Wissensmanagement für sie hat, welchen Stellenwert das
Thema im Unternehmen einnimmt und ob bereits praxisorientierte Konzepte erarbeitet
wurden. Trotz der intensiv geführten Diskussion um die Ressource Wissen
in den letzten Jahren beurteilen die Befragten die Bedeutung des Wissensmanagements
eher vorsichtig. So geht zwar ein Drittel davon aus, dass Wissensmanagement
im Bewusstsein der meisten Unternehmen präsent ist, aber immerhin knapp
die Hälfte meint, Wissensmanagement sei lediglich ein Trend, und 5 Teilnehmer
meinen sogar, Wissensmanagement sei ein neuer Begriff für bekannte Strategien.
Dass das Thema allgemein überbewertet wird, glaubt mit drei Befragten allerdings
nur ein geringer Teil und immerhin vier Befragte versprechen sich für die
Zukunft große Erfolge von der Umsetzung von Wissensmanagement-Konzepten
in ihrem Unternehmen.
Auch wenn 15 der befragten Unternehmen davon ausgehen, dass Wissensmanagement
in den nächsten zwei bis drei Jahren für sie an Bedeutung gewinnen
wird, ist der gegenwärtige Stellenwert des Themas eher gering. Und vier
Unternehmen, die sich schon länger mit Wissensmanagement befassen, prognostizieren,
dass die Wichtigkeit dieses Themas in ihrem Betrieb stagnieren wird, für
ein Unternehmen wird Wissensmanagement sogar an Bedeutung verlieren. Diese aktuelle
Einschätzung deutet vor dem Hintergrund der positiven Prognosen darauf
hin, dass sich die meisten Unternehmen bisher nur rudimentär mit Wissensmanagement
auseinandergesetzt haben. Da bislang keine weitreichenden Erfahrungen vorliegen,
sehen sie deshalb noch Möglichkeiten, entsprechende Initiativen zu starten.
Dass Wissensmanagement sich in vielen Unternehmen noch nicht etabliert hat,
zeigt sich auch am Stand der theoretischen Diskussion und der konzeptionellen
Entwicklung. Zwar ist drei Viertel der Befragten klar, dass das Thema ein Umdenken
in Richtung Wissenskultur und -strategie bedeutet, doch an der konkreten Ausgestaltung
fehlt es zumeist. So bietet lediglich ein Unternehmen eine eigenständige
Definition an und umschreibt Wissensmanagement mit „Wissen über den
Umgang mit der Ressource Wissen“. Insgesamt 19 Teilnehmer schließen
sich der in der einschlägigen Literatur vorherrschenden Definition von
Wissensmanagement an. Sie sehen es als ein komplexes strategisches Führungskonzept,
mit dem ein Unternehmen sein relevantes Wissen ganzheitlich, ziel- und zukunftsorientiert
als wertsteigernde Ressource gestaltet. Dabei wird die Wissensbasis aus individuellem
und kollektivem Wissen bewusst, aktiv und systematisch entwickelt, damit sie
zum Erreichen der Unternehmensziele beiträgt. Ein Teilnehmer schränkt
ein, dass „Wissensmanagement oft nur die EDV-technische Umsetzung des
Wissensmanagements meint und derzeit noch kulturelle und strategische Elemente
vernachlässigt werden“.
Hier zeigt sich, dass die organisationsinterne Diskussion häufig über
die Vorgaben des in der Fachliteratur geführten Diskurses nicht hinausgeht.
Dieser wird zwar aktuell verfolgt, aber bislang für das eigene Unternehmen
nicht adaptiert. So verwundert es nicht, dass nur wenige der befragten Betriebe
ein konkretes Konzept zur Implementierung von Wissensmanagement vorlegen können.
Immerhin existiert in fünf der Unternehmen eine Wissensmanagement-Strategie
und weitere vier planen eine solche für die Zukunft. Doch nur ein Unternehmen
gibt an, Wissensmanagement als Leitbild definiert zu haben. Eine solche Positionierung
ist aber die Voraussetzung für ein ganzheitliches strategisches Wissensmanagement
und dokumentiert seine Wichtigkeit und Bedeutung auf breiter Ebene. Auch hier
bestätigt sich die Annahme, dass bis dato Wissensmanagement eher durch
einzelne Initiativen als ganzheitliche und umfassende Konzepte in den Unternehmen
integriert ist.
Das Fehlen umfassender Wissensmanagement-Konzepte zeigt sich auch in den Zielbestimmungen.
Zwar werden durchaus mit Wissensmanagement verbundene Unternehmensziele definiert
– mit Know-how-Verbesserung und Effizienzsteigerung (jeweils 16 Nennungen)
dominieren hier deutlich die mittel- bis langfristig ausgerichteten Ziele. Doch
erschöpft sich die Formulierung der Ziele bei der Hälfte der Unternehmen
in allgemeinen Aussagen bzw. Absichtserklärungen. Nur in drei der befragten
Unternehmen sind die Ziele genauer dokumentiert und beschrieben. Diese Ergebnisse
lassen vermuten, dass es in großen deutschen Unternehmen nur sehr vereinzelt
Zielvereinbarungssysteme für Wissensmanagement-Aktivitäten gibt und
die Betriebe noch weit von einem Management by Knowledge Objectives entfernt
sind. Wissensmanagement wird, das legt der Stand der Strategieentwicklung nahe,
offenbar häufiger auf operativer Ebene umgesetzt als auf Leitungsebene
festgeschrieben.
Trotz der fehlenden umfassenden Konzeption und der nur punktuell geführten
Diskussion wird die unternehmensexterne fachliche Debatte rund um das Thema
Wissensmanagement intensiv beobachtet. So nutzen die Unternehmen eine große
Bandbreite verschiedener Informationsquellen, um neue Entwicklungen auf dem
Gebiet zu verfolgen. An erster Stelle stehen dabei Fachzeitschriften und das
Internet sowie Bücher. Für die Implementierung eines unternehmensumfassenden
Wissensmanagements sind vorzugsweise schriftliche Informationsquellen allerdings
kaum ausreichend. Notwendig wären hier Expertenaustausch sowie der Besuch
von einschlägigen Seminaren und Konferenzen. Von diesen Möglichkeiten
machen jedoch nur einige der Befragten Gebrauch.
Genutzte Informationsquellen zum Thema Wissensmanagement |
Genutzte Informationsquellen zum Thema Wissensmanagement
Beim Entwickeln neuer Projekte beziehen Unternehmen üblicherweise auch
externe Beratungsleistungen ein. Doch nur zwei der befragten Unternehmen gaben
an, sich bei ihrem Wissensmanagement von externen Beratern unterstützen
zu lassen. Jeweils ein weiteres Unternehmen spricht von gelegentlicher und projektbezogener
Unterstützung bzw. von der Nutzung interner Beratungsleistungen.
Angesichts der bislang in vielen Unternehmen sehr inkonsistenten Implementierung
eines Wissensmanagement-Systems überrascht es nicht, dass sich nur sechs
der Befragten dazu äußern, ob ihre Erwartungen erfüllt wurden.
Dabei zeigt sich, dass gerade eine bereichsübergreifende Integration von
Wissensmanagement bislang nur unzureichend gelungen ist. Beklagt werden vor
allem die mangelnde Anerkennung von Wissensmanagement-Experten als Berufsgruppe,
die nicht optimale Nutzung vorhandener IT-Instrumente, die fehlende Verabschiedung
eines strategischen Wissensmanagement-Konzeptes und, damit verbunden, die unzureichende
Strukturierung und Organisation des Wissensmanagements. Positiv konstatieren
die Unternehmen u.a. eine verbesserte Vertrauenskultur und erhöhte Transparenz,
einen Informationstransfer über Abteilungsgrenzen hinweg und die Bewahrung
expliziten Know-hows.
Die organisatorische Einbindung
Ein weiterer Indikator für den Stand des Wissensmanagements in einem Unternehmen
ist seine organisatorische Einbindung und systematische Implementierung. Eine
systematische und datierbare Einführung des Wissensmanagements kann knapp
die Hälfte der befragten Unternehmen vorweisen. Die übrigen Befragten
nutzen nur einzelne Elemente eines Wissensmanagement-Konzeptes oder verzichten
auf die strategische Verankerung. Bemerkenswert ist, dass Unternehmen, die bereits
Ende der 90er Jahre mit der Einführung von Wissensmanagement begonnen haben,
durchweg Unternehmen mit einer sehr hohen Beschäftigtenzahl sind. Offenbar
haben die Großunternehmen schon frühzeitig die Notwendigkeit erkannt,
Wissen als Ressource gezielt zu nutzen und entsprechende Konzepte zu implementieren.
Allerdings lässt sich nicht sagen, ob der Zeitpunkt der Implementierung
tatsächlich die Entwicklung und Anwendung neuer Tools meint oder aber bereits
vorhandene Systeme, wie z.B. Yellow Pages oder Suchmaschinen, die angesichts
der Aktualität des Themas als systematisches Wissensmanagement neu klassifiziert
wurden.
In zwei Dritteln der befragten Unternehmen ging die Initiative für das
Wissensmanagement vom Personalbereich oder dem Management aus. Dies lässt
die Vermutung zu, dass Wissensmanagement, zumindest in seiner theoretischen
Ausrichtung, nicht nur als IT-Thema gesehen, sondern als unternehmensumfassende
Managementmethode verstanden wird. Möglicherweise dominiert aber auch nach
wie vor bereichsorientiertes Denken in den Unternehmen, so dass von der Fachbereichsebene
nur wenig Initiative für ein abteilungs- oder ressortübergreifendes
Wissensmanagement ausgeht.
Fünf Unternehmen geben an, dass Wissensmanagement von einer entsprechend
bezeichneten Abteilung bearbeitet und betreut wird. In vier Unternehmen ist
das Thema einem Projekt zugeordnet und in drei Firmen liegt es im Verantwortungsbereich
des Personalwesens. Dabei ist Wissensmanagement meist in der oberen Hierarchieebene
der Betriebe angesiedelt. Es ist davon auszugehen, dass die Ausführungsverantwortung
zwar häufig an bestimmte Unternehmensbereiche delegiert wird, allerdings
behält sich das (Top-) Management richtungsweisende Entscheidungen und
organisatorische Änderungen vor.
Zu den primären Nutzern des implementierten Wissensmanagement-Systems
gehören bei knapp der Hälfte der befragten Unternehmen der Vertrieb
und das Management sowie der Personalbereich einschließlich Aus- und Weiterbildung.
Vergleicht man die Angaben zu Nutzern und Initiatoren, so zeigt sich, dass Wissensmanagement-Systeme
eine recht breite Nutzerbasis haben. Das unterstreicht ihre Querschnittsfunktion
in allen Unternehmensbereichen und belegt, dass Wissensmanagement zumindest
bei den Großunternehmen bereits Bestandteil der betrieblichen Praxis ist.
Allerdings wird auch deutlich, dass die Generierung von Wissen im Gegensatz
zur Wissensnutzung an bestimmte Organisationseinheiten delegiert wird. So geht
beispielsweise vom Vertrieb als einem der stärksten Nutzer von Wissensressourcen
keine entsprechende Initiative aus.
Die organisatorische Einbindung verweist darauf, dass sich die Einführung
von Wissensmanagement bei keinem der befragten Unternehmen auf sichtbar die
Unternehmensorganisation und -kultur ausgewirkt hat, auch wenn solche Effekte
Wissensmanagement charakterisieren sollen. Damit liegt die Vermutung nahe, dass
das Umsetzen von Wissensmanagement möglicherweise schon bei bereichsspezifischen
Initiativen, sicher aber bei organisationsumfassenden Wissensmanagement-Konzeptionen
ein langwieriger Prozess ist, der nur zögerlich die Unternehmensorganisation
und -kultur beeinflusst. Für ein erfolgreiches Wissensmanagement ist somit
Geduld bei allen Beteiligten gefragt.
Die praktische Umsetzung
Wissensmanagement-Systeme werden mangels breit angelegter Strategien oft nur
punktuell umgesetzt. Ein typischer Wissensmanagement-Prozess hat sich daher
bislang nur in wenigen Großunternehmen ausgebildet.
Wissensmanagement-Prozess eines großen deutschen Versicherungskonzerns |
Trotz der in fast allen befragten Unternehmen fehlenden Prozessbeschreibungen
lassen sich einige wichtige Aspekte bei der Erhaltung und Schaffung des unternehmensinternen
Wissens festhalten. Zunächst stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten
ein Unternehmen bereitstellt, um individuelles Wissen in organisationales zu
transformieren. Und obwohl diese Möglichkeiten vielfältig sind, antwortete
nur knapp über die Hälfte der Teilnehmer auf diese Frage. Im Vordergrund
stehen bei den Transformationsprozessen der Austausch von Informationen und
das Einrichten von IT-Infrastrukturen. Der Informationsaustausch findet dabei
vor allem über Workshops, Besprechungen, Seminare und Beiträge in
Mitarbeiterzeitschriften statt. Im Kontext der IT-Strukturen werden die Nutzung
des Intranets, Arbeitsabläufe abbildende Technologieplattformen und Web
Based Trainings genannt. Über die Hälfte der Unternehmen nutzt Suchmaschinen
und Portale bzw. Newsgroups sowie Mailsysteme bzw. Mailinglisten. Zehn Unternehmen
geben an, E-Learning einzusetzen. Für ebenfalls zehn Unternehmen sind Customer-Relationship-Management-Systeme
Bestandteile des Wissensmanagements. Als weitere Informationssysteme kommen
Listen von Frequently Asked Questions, Workflowsysteme und Dokumenten- bzw.
Content-Management-Systeme zum Einsatz. Allerdings planen jeweils fünf
Unternehmen, künftig verstärkt Expertendatenbanken (Yellow Pages)
und Data-Warehouse-Systeme einzusetzen.
Eingesetzte und geplante Informationssysteme für das Wissensmanagement |
Angesichts des breiten Spektrums der genannten Transformationsmöglichkeiten
kann davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen vor dem Hintergrund ihrer
Organisationsprozessplanungen per se entsprechende Maßnahmen ergreifen,
um individuelles in kollektives Wissen umzuwandeln, ohne dabei vordergründig
Konzeptionen zum Wissensmanagement zu verfolgen. Allerdings deuten die Antworten
darauf hin, dass Wissensmanagement häufig mit dem Vorhandensein und Nutzen
entsprechender IT-Infrastukturen gleichgesetzt wird und lediglich als Synonym
für die Wissensdokumentation und breitflächige Wissensstreuung über
Datenbanken verstanden wird.
Ein entscheidender Aspekt bei der Umsetzung eines Wissensmanagement-Systems
ist das Einbinden der Mitarbeiter. Während in einschlägigen Veröffentlichungen
immer wieder an den Wissenstransfer gekoppelte Anreizsysteme gefordert werden,
um Mitarbeiter zum Erzeugen, Weitergeben und Nutzen von Wissen zu motivieren,
scheint es an der praktischen Umsetzung dieser Empfehlungen zu mangeln. Nur
sieben der befragten Unternehmen haben auf diese Frage geantwortet, wobei ausschließlich
eine erfolgsorientierte Vergütung und ein Verbesserungssystem mit Prämienzahlungen
als Anreize genannt werden. Eines der Unternehmen begründet das Fehlen
entsprechender Anreizsysteme damit, dass die Probleme größer als
der Nutzen seien. Allerdings schätzen die befragten Unternehmen die Bereitschaft
ihrer Mitarbeiter, ihr Wissen weiterzugeben, ohnehin als hoch ein. Dabei ist
aber zu bedenken, dass hier vor allem der persönliche, nicht systematisierte
Austausch der Mitarbeiter untereinander, z.B. innerhalb eines Teams oder einer
Arbeitsgruppe, in, vor und nach Sitzungen bzw. Besprechungen oder während
der Arbeitszeit, gemeint ist.
Die sich abzeichnende Tendenz, die praktische Umsetzung von Wissensmanagement
vordergründig auf die Nutzung entsprechender Technologien zu konzentrieren,
aber den Faktor Mensch dabei nicht konsequent einzubinden, zeigt sich auch in
der Zielerreichung. So wird die Zielvorgabe Wissenstransparenz zwar in den meisten
der befragten Unternehmen erfüllt, d.h. die Unternehmen haben einen guten
Überblick über die Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer Mitarbeiter
und über die kollektiven Kompetenzen ihrer Organisation, das Niveau der
Wissensverteilung aber wird als eher gering bewertet. Die Mitarbeiter haben
demnach nur einen unzureichenden Zugriff auf das im Unternehmen vorhandene Wissen.
Das impliziert einen Verbesserungsbedarf im Austausch von Wissen, beispielsweise
durch die Schaffung von Communities of Practice, den Abbau von Barrieren bei
der persönlichen Wissensverteilung, z.B. durch die Implementierung von
Anreizsystemen, oder das Einrichten entsprechender Infrastrukturen.
Als Ursache für die geringe Wissensverteilung und als Hemmnisse bei der
erfolgreichen Umsetzung von Wissensmanagement nennen fast alle Befragten aus
einer Auswahl vorgegebener Antworten existierende Wissensegoismen. Als weitere
Barrieren identifizieren sie abgrenzendes Führungsverhalten (15 Nennungen)
und mangelnden Informations- und Erfahrungsaustausch (12 Nennungen). Aber nicht
nur ein Zuwenig an Wissen, auch ein Zuviel kann erfolgreiches Wissensmanagement
behindern: Ein Informationsüberangebot (12 Nennungen) und zu lange Suchzeiten
für relevantes Wissen (11 Nennungen) bezeichnen die Befragten ebenfalls
als Störfaktoren. Um diese Hindernisse einzudämmen, ist es offensichtlich
notwendig, die in den Unternehmen vorhandenen IT-Systeme noch zielbezogener
zu nutzen bzw. auszubauen und in ein systematisches Wissensmanagement zu integrieren.
Bei Bewertung der praktischen Umsetzung von Wissensmanagement ist interessant,
dass die Wissensweitergabe in kleineren Betriebseinheiten, wie Teams oder Arbeitsgruppen,
offenbar keine Schwierigkeit darstellt. Daraus lässt sich schließen,
dass hier überwiegend entsprechende Instrumente und Foren, wie z.B. Communities
of Practice, den Wissens- und Erfahrungsaustausch fördern und dadurch die
Wissensgenerierung forcieren. Es bietet sich daher an, projektbezogen bereichsinterne
oder -übergreifende Personennetze zu implementieren, in denen entsprechende
Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum hinweg kommunizieren, kooperieren,
sich austauschen und dadurch Wissen teilen und voneinander lernen. Auf diese
Art und Weise lassen sich möglicherweise die Produktentwicklungszeiten
reduzieren und ein früherer Markteintritt realisieren. Solche oder ähnliche
Knotenpunkte für die Kommunikation werden in den Unternehmen scheinbar
aber noch zu wenig berücksichtigt und es ist zu vermuten, dass deshalb
Mitarbeiterpotenziale nicht vollends ausgeschöpft werden und mögliche
Synergien ungenutzt bleiben.
Fazit
Die Studie hat gezeigt, dass Wissensmanagement in deutschen Unternehmen kein
Modethema ist, sondern dauerhaft Bedeutung als Teil der Unternehmensführung
haben wird. Allerdings krankt die Implementierung von Wissensmanagement-Systemen
an fehlenden Strategien und bereichsübergreifenden Konzeptionen sowie an
einer mangelnden Integration der Mitarbeiter. Ziel des Managements muss es deshalb
sein, ganzheitliche Wissensmanagement-Konzepte zu entwickeln, die alle relevanten
Bausteine berücksichtigen und durch moderne Technologien unterstützt
werden. Das Management des Wissens darf sich dabei nicht auf Prozesse und Technologien
beschränken, sondern muss vielfältige weiche Faktoren gestalten. Dies
beinhaltet einerseits die Entwicklung geeigneter Motivations- und Anreizmechanismen,
welche die Bereitschaft der Mitarbeiter fördern, aktiven Wissensaustausch
zu betreiben. Andererseits muss eine wissensorientierte Unternehmenskultur etabliert
werden, die das individuelle und das organisationale Wissen als einen, wenn
nicht gar den wichtigsten Faktor zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
begreift.
Der zunehmend unternehmensübergreifenden Leistungserstellung in Unternehmensnetzwerken
ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Beziehungen zu den Kooperationspartnern
stärker in den Fokus der Managementbemühungen rücken. Das Management
der Organisationsform Netzwerk gewinnt neben dem Management des Einzelunternehmens
deshalb an Bedeutung.
Um den Defiziten im Bereich des Wissensmanagements gezielt begegnen zu können,
muss die Forschung weitere Erklärungsansätze und Lösungen liefern.
Um Motivationsmechanismen und Anreizsysteme attraktiv zu gestalten, sind Erkenntnisse
darüber notwendig, wie sich Individuen im Arbeitsumfeld zur Partizipation
am Wissensmanagement und zur Explikation impliziten Wissens bewegen lassen.
Solche Erkenntnisse müssten insbesondere auch in Bezug auf Kollektive,
seien dies Abteilungen oder Projektgruppen innerhalb einer Organisation oder
aber Akteure innerhalb eines Unternehmensnetzwerks, generiert werden.
Eine weitere Forderung an die Forschung ist, die Nutzenpotenziale von Wissensmanagement-Konzepten
quantifizierbar zu machen. Mit Hilfe quantitativer Werte lässt sich die
Investition in Wissensmanagement-Systeme auch in konjunkturell schlechtem Umfeld
wesentlich einfacher rechtfertigen als mit allgemeinen qualitativen Aussagen.
Hierzu müssten Controllingkonzepte für das Wissensmanagement entwickelt
werden. Das setzt allerdings voraus, dass Wissen identifizierbar, bewertbar
und letztlich messbar gemacht wird.
Die großen deutschen Unternehmen haben die Bedeutung der Ressource Wissen
erkannt. Das macht das Interesse an der Thematik deutlich. Es mangelt jedoch
vielfach noch an der expliziten Berücksichtigung des Wissensmanagements
als Teil der Unternehmensführung. Erfolgreich werden diejenigen sein, denen
es gelingt, durch ein gezieltes Management der Wissensressourcen wettbewerbsüberlegene
Leistungen zu erbringen und die Kundenbedürfnisse optimal zu erfüllen.
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