Fachbeiträge
Die 10 Gebote der Archivmigration
von Werner Broermann
Die Flurbereinigung im Markt für Dokumentenmanagement-Systeme (DMS) und das Fusionsfieber, das etliche DMS-Kunden gepackt hat, sind nicht folgenlos geblieben: Archivmigrationen sind zunehmend zum Albtraum von IT-Abteilungen geworden. Licht ins Dunkel bringen hier die 10 Gebote der Archivmigration, in denen Werner Broermann eine hilfreiche Liste von Dos and Don’ts zusammengestellt hat.
Inhaltsübersicht:
- 1. Gebot: Du sollst keine anderen DMS-Systeme haben neben mir
- 2. Gebot: Du sollst den Namen deines Standards nicht unnütz gebrauchen
- 3. Gebot: Du sollst den Feiertag nicht heiligen
- 4. Gebot: Du sollst dein Altarchiv ehren
- 5. Gebot: Du sollst nicht dein Altarchiv abschalten
- 6. Gebot: Du sollst nicht ehebrechen
- 7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
- 8. Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten
- 9. Gebot: Du sollst begehren deines Nächsten Unternehmen
- 10. Gebot: Du sollst begehren deines Nächsten Erfahrungen
Über das Für und Wider einer Migration steht vieles geschrieben. Die Migrations-Bibel wird man vergebens suchen. Die zu beachtenden Grundsätze sind im Gegensatz zur christlichen Sittenlehre eher pragmatischer Natur und damit ziemlich unsittlich. |
Die Flurbereinigung im Markt für Dokumentenmanagement-Systeme (DMS)
und das Fusionsfieber, das etliche DMS-Kunden gepackt hat, sind nicht
folgenlos geblieben: Archivmigrationen sind zunehmend zum Albtraum von
IT-Abteilungen geworden. Licht ins Dunkel bringen die folgenden Gebote in
verweltlichter Form. Entsprechend zählt die Nichtbefolgung des einen
oder anderen Gebots auch nicht gleich als Todsünde, könnte es
aber werden...
1. Gebot: Du sollst keine anderen DMS-Systeme haben neben mir
Was auf ungeliebten DMS-Anbietern wie ein Fluch lastet, führt
IT-Verantwortliche immer wieder in Versuchung, wenn sie mit Fusionen,
historischen Abteilungslösungen, Betriebssystemwechseln,
System-Weiterentwicklungen und infolgedessen auch mit einem weiteren
DMS-System konfrontiert sind. Schöpferische Fantasie kann man den
Anbietern von DMS-Systemen wahrlich nicht absprechen. Ihre variantenreichen
Lösungen und fehlende oder nicht übernommene Standards in Sachen
Schnittstellen, Speichermedien und Formate lassen den Ersatz eines
DMS-Systems rasch zu einem umfangreichen Projekt werden. Dabei kann es
richtig zur Sache gehen, je nachdem, was zu konvertieren ist und welche
Systeme daran beteiligt sind. Die schiere Menge des archivierten Materials
setzt dem Sinn eines solchen Vorhabens Grenzen in Form von Kosten und/oder
Zeit.
Die Alternative ist daher bei weitem nicht immer die Migration des gesamten
Archivs – bei allen Vorteilen, die ein Neuaufsetzen mit sich bringt.
Die Variante, die alten Speichermedien in die Laufwerke des neuen Systems
zu integrieren und sich dadurch auf das Transferieren von Archivattributen,
Dokumenten-IDs und gegebenenfalls Anwendungen zu beschränken,
scheitert in den meisten Fällen an der mangelnden Kompatibilität
der Medien bzw. der eigenwilligen Ablageform ihrer Daten. In einigen
Fällen kommt man deshalb besser oder auch ausschließlich nur zum
Ziel, wenn der Meta-Client, das gemeinsame Portal oder die intelligenter
ansteuernde Anwendung sowohl auf das neue als auch das alte System zugreift
und dabei so tut, als ob alle Dokumente aus dem gleichen Topf kämen.
Das Angebot an Filtern, Formatkonvertern oder Multiformat-Viewern, die im
Moment des Zugriffs die alten Dokumente in die geeignete Form bringen und
anzeigen, liefert dafür die entscheidenden Bausteine. Dies sind
häufig die On-the-Fly-Varianten der gleichen Komponenten, die bei
einer Archivmigration batchorientiert das Massengeschäft erledigen.
2. Gebot: Du sollst den Namen deines Standards nicht unnütz gebrauchen
Standards sind nur so gut wie ihre Einhaltung bzw. Umsetzung. So ist selbst
TIFF nicht gleich TIFF, denn kaum ein Viewer beherrscht alle TIFF-Varianten
– und dabei handelt es sich hier immerhin um einen Quasi-Standard!
Weitere solcher Beispiele lassen sich beliebig aufreihen. Gutgläubig
ist also, wer nicht prüft und testet, ob beide Seiten bzw. Alt- und
Neusystem wirklich von demselben reden. Auch hier können auf dem Markt
angebotene Komponenten für die richtige Verständigung sorgen.
3. Gebot: Du sollst den Feiertag nicht heiligen
Wenn Daten migriert werden müssen, wird dieser Kelch an der
IT-Abteilung meistens nicht vorbeigehen. Welche Zeit wäre denn
geeigneter für Datenmigrationen als die, in der die Anwender einem
beim Zugriff auf die Dokumente nicht in die Quere kommen können!
4. Gebot: Du sollst dein Altarchiv ehren
Wer sagt denn, dass mit den Eltern eines DMS-Produkts auch gleich
das Produkt selbst eine Insolvenz nicht überlebt? Die spektakulären
Zusammenbrüche haben trotz aller eifriger (und interessierter)
Totengesänge auf Seiten des Wettbewerbs Firmen und Infrastrukturen
entstehen lassen, die eine Weiterführung dieser Produkte nicht
unbedingt zu einem Himmelsfahrtskommando machen.
5. Gebot: Du sollst nicht dein Altarchiv abschalten
Denn in den meisten Fällen haben die Dokumente ein absehbares
Verfallsdatum. So erledigt sich das Altarchiv-Problem beim Parallelbetrieb
mit dem Neuarchiv meistens von selbst (Ergänzung zu Gebot 1,
Variante 2 und 3).
6. Gebot: Du sollst nicht ehebrechen
Da man im DMS-Umfeld seinen Lieferanten nicht wie sein Hemd wechseln kann,
gehen Archiv-Lieferant und Anwender ein enges Verhältnis auf
längere Zeit ein. Seitensprünge mit anderen Anbietern sind
dementsprechend abzuwägen, werden in der Regel nicht gerade als
vertrauensbildende Maßnahme gewertet und könnten das vorzeitige
Ende der Beziehung mit immensen Scheidungskosten einläuten. So viel
zum Thema Migrations-Vermeidung.
Aber selbst wenn es dann doch zur Trennung kommen sollte – die
Interessenslage beider Seiten liefert dafür ja die bekannten
Anlässe –, sollte nicht vergessen werden, dass bei
proprietären Schnittstellen und Formaten des Altarchivs der Anwender
auch bei der Migration auf den Altarchiv-Lieferanten angewiesen sein kann.
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
So schön die Vorstellung von paradiesischen Zuständen auch sein
mag: Eine Migration ist in aller Regel nicht auf eine andere Umgebung
übertragbar. Systemumgebung und Anwendungsszenarien stimmen selten
überein. Je ähnlicher die Archivsysteme sind, um so einfacher mag
die Migration werden und um so eher mag sie durch den Anbieter des
Neuarchivs unterstützt sein. Spätestens bei
Betriebssystemwechseln zwischen unterschiedlichen Lieferanten ist meistens
mit einem aufwendigeren Projekt zu rechnen, bei dem sowohl erfahrene
externe Unterstützung als auch geeignete Software-Komponenten zur
Migration gefragt sind.
8. Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten
Migrationen sind ein Dauerbrenner, die nächste kommt bestimmt. Auch
wenn fast jedes Migrationsprojekt der Diktion folgt, es sei das letzte
seiner Art: Die Marktentwicklung der letzten Jahre auf Anbieter- wie auf
Anwenderseite sind ein Beleg für das Gegenteil. Der Anwender ist daher
gut beraten, wenn er sich mit dem Systemwechsel auf zukünftige
Migrationsmaßnahmen einstellt und auf Systemkomponenten
zurückgreift, die entsprechend zukunftsorientiert angelegt sind.
9. Gebot: Du sollst begehren deines Nächsten Unternehmen
Dieses Credo der Fusionsprotagonisten in den Vorständen beschert den
zusammengeworfenen IT-Abteilungen gerade auf der Archivseite in aller Regel
viel Arbeit und der Finanzabteilung gewaltige Kostenblöcke. Mit wahrer
Freude über das Geschaffene wird gesegnet, wer auch in eine
sorgfältige Projektplanung und Abwägung unterschiedlicher
Migrationsszenarien investiert, damit sich das Projekt nicht erst dann
amortisiert, wenn die nächste Archivmigration ansteht.
10. Gebot: Du sollst begehren deines Nächsten Erfahrungen
Migrationen kennzeichnet zwar ein gewisser Bumerang-Effekt, dennoch sind
sie kein alltägliches Geschäft. Hintergrundinformationen und
Erfahrungen vergleichbarer Projekte anderer Anwender sind für
Projektplaner bestens geeignet, um Entscheidungshilfen bezüglich der
Vorgehensweise und verwendbarer Komponenten zu erhalten.
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