Fachbeiträge
Des Trainers neue Werkzeuge:
von Oliver Ückerseifer
Was darf Mitarbeiterqualifizierung heute eigentlich kosten? Wenn sich diese Frage in der Geschäftsführung oder der Controllingabteilung stellt, reichen die Meinungen von "am besten nichts" über "nur so viel wie unbedingt nötig" bis hin zu "nicht mehr als letztes Jahr". Fallen durch eine Weiterbildungsmaßnahme die Schlüsselpersonen oder Kernkompetenzträger der Firma wie beispielsweise Ingenieure oder Konstrukteure für mehrere Tage aus, sind sich die meisten Firmenchefs jedoch einig: Das strategische Marktpotenzial eines Unternehmens steht hier in direktem Verhältnis zur Performance der Mitarbeiter. Oliver Ückerseifer rechnet anhand anschaulicher Praxisbeispiele vor, welche Schulungsmethoden im CAD-Bereich am effektivsten sind und wo sich auf einfache Weise Kosten einsparen lassen
Inhaltsübersicht:
- Das klassische Szenario:
Schulung extern, völliger Projektstillstand, keine Nachschulung möglich - Variante 1:
Inhouse-Schulung ohne Selbstlernanteil, kein völliger Projektstillstand, Nachschulung möglich - Variante 2:
Inhouse-Schulung mit Selbstlernanteil, geringer Projektstillstand, Nachschulung möglich - Fazit
Was darf Mitarbeiterqualifizierung heute
eigentlich kosten? Spätestens wenn diese Frage in der Geschäftsführung
oder der Controllingabteilung gestellt wird, dann klaffen die Meinungen
von "am besten nichts" über "nur so viel wie
unbedingt nötig" bis hin zu "nicht mehr als letztes
Jahr" auseinander. Betrifft die Weiterbildungsmaßnahme
unmittelbar die Schlüsselpersonen oder Kernkompetenzen der
Firma, wie dies etwa bei Ingenieuren oder Konstrukteuren der Fall
ist, sind sich die meisten Firmenchefs jedoch einig: Das strategische
Marktpotenzial eines Unternehmens steht hier in direktem Verhältnis
zur Performance der Mitarbeiter.
Automobil- und Flugzeugindustrie haben dies längst erkannt
und setzen die ständige Weiterbildung ihrer Ingenieure konsequent
um. Vor allem die nötigen Schulungen zur flächendeckenden
Einführung des CAD-Pogrammes Catia V5, welche Mitte 2003 beginnen
soll, lässt sich mit konventionellen Trainingsmethoden für
mittelständische Firmen aber kaum umsetzen, viel weniger finanzieren.
"Machen wir es den Konzernen einfach nach", sagt Christian
Fuchs, Trainer und Software-Consultant aus München. Rechen-
und Praxisbeispiele zeigen, welche Schulungsmethoden im CAD-Bereich
für Firmenchefs am effektivsten sind.
"Das altbekannte Prinzip des Training on the job erfährt
zur Zeit im Bereich Qualifizierung ein unerwartetes Comeback",
berichtet Christian Fuchs, Geschäftsführer der Unico Media
GmbH aus München. Fuchs begründet dies durch die Tatsache,
dass während einer typischen Schulung im Klassenzimmer praktisch
keine Projektarbeit möglich ist: "Viele Unternehmen wollen
und können den hohen Produktivitätsverlust während
und nach der Weiterbildung einfach nicht mehr bezahlen." Erfolgreiche
Trainingsmethoden in Großkonzernen kombinieren die Schulung
im Klassenverband mit dem Lernen auf Projektebene am Arbeitsplatz
nach Anforderung (just in time) oder mit Selbststudium. Diese Kombination
hat sich als deutlich günstiger erwiesen und verringert die
Projektausfallzeiten erheblich, denn das Personal bleibt dabei in
der Regel im Haus.
Das klassische Szenario:
Schulung extern, völliger Projektstillstand, keine Nachschulung möglich
Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: Eine Firma schickt 6 Ingenieure
auswärts auf eine CAD-Schulung von 10 Tagen Dauer. Der Mittelwert
beträgt hierfür nach einem Schnitt aktueller Preislisten
23.400 Euro (400 Euro pro Tag und Teilnehmer x 6 Teilnehmer x 10
Tage). Hotelkosten und Bahntickets sind hierbei noch unberücksichtigt.
Als zusätzlicher Ausfall müssen 60 Manntage Arbeitszeit
kalkuliert werden, was 3 Monatsgehältern entspricht. Die Tatsache,
dass in dieser Zeit die Projekte der jeweiligen Mitarbeiter stillstehen,
lässt sich kaum mit Zahlenwerten darstellen, ist aber ein weiteres
großes Manko. Bei einem mittleren Bruttogehalt von 3.800 Euro
pro Ingenieur beläuft sich die Summe dann auf stolze 37.800
Euro (23.400 Euro Schulungskosten plus 3.800 Euro Bruttogehalt pro
Ingenieur plus ca. 1.000 Euro Sozialabgaben für das Gehalt
x 3).
Arbeiten die 6 Ingenieure nicht sofort nach der noch frischen Schulung
an einem entsprechenden Projekt und bleiben somit beim Thema, "dann
gehen ca. 50% der Anfangsperformance innerhalb von nur ca. 10 Wochen
verloren und machen eigentlich schon wieder eine Nachschulung erforderlich",
weiß Fuchs aus seiner 12-jährigen Trainererfahrung zu
berichten. "Der Hauptnachteil einer Schulung außer Haus
ist, dass die Schulungsteilnehmer aus ihren aktuellen Projekten
herausgerissen werden und nicht in die Produktion eingebunden werden
können", bestätigt Georg Maier, Systemadministrator
für den CAD-Betrieb der Astrium AG in Ottobrunn. "Die
Ingenieure sind für die Firma nicht erreichbar und müssen
ohne weiteren Support alles Gelernte behalten, bis zum eigentlichen
Projekt". Einen deutlichen Vorteil sieht Maier daher in der
Schulung just in time. Sobald sich bei Astrium ein Projekt ankündigt,
wird eine auf die spezifischen Anforderungen angepasste Schulung
angesetzt. "Und zwar nicht mit der Gießkanne", so
Maier. "Das funktioniert nicht mehr. Nur spezifische Schulungsmodule
nach dem Prinzip 'Das muss ich können' kommen auf den Plan".
Variante 1:
Inhouse-Schulung ohne Selbstlernanteil, kein völliger Projektstillstand, Nachschulung möglich
Überträgt man dieses Szenario auf eine intern stattfindende
Weiterbildungsmaßnahme, so kostet die gleiche Schulung viele
Konzerne beim ersten Mal ca. 35.390 Euro alle weiteren Schulungen
kosten durch einen einfachen Trick jedoch nur noch 23.400 Euro,
bei einem Plus an Leistung und Effizienz.
Die Schulung findet Inhouse statt, der Trainer kommt für 10
Tage in die Firma. Reise- und Übernachtungskosten fallen nur
für den Trainer, nicht aber für die Teilnehmer an. Ausgewählt
werden wieder 6 Ingenieure, welche den Lernstoff auf aktueller Projektbasis
erhalten. Die Anforderungen werden vor dem ersten Schulungstag vom
Trainer ermittelt und der Kurs dann aus den benötigten Modulen
zusammengesetzt. Ein Schulen auf Verdacht nach dem Gießkannen-Prinzip
ist somit ausgeschlossen. Sowohl Vorkenntnisse und Übungsziele
werden bestimmt als auch der Schwierigkeitsgrad, bei dem die Teilnehmer
einsteigen wollen. (Unter Umständen kann hier sogar schon auf
ein oder zwei Trainingstage verzichtet werden.) Mittels einer speziellen
Lernsoftware, die im Hintergrund der Catia- oder Pro-Engineer-Oberfläche
läuft, absolvieren die Teilnehmer zuvor ausgewählte Übungen.
Der Trainer schult direkt am Arbeitsplatz.
Weit verbreitet für CAD-Systeme in der Automobilindustrie
ist das Qualifizierungssystem Surf&Learn. In didaktisch hochwertig
aufbereiteten Lernschritten können praktisch alle Arbeitsanforderungen
des Ingenieurs im aktuellen Projekt für Catia V4, V5 oder ProEngineer
dargestellt werden. Bereits über 1.000 Personen wurden alleine
bei BMW damit geschult, eine Reihe weiterer Automobilkonzerne auf
der Referenzliste wie Scania und Volvo erreichen ebenfalls gute
Werte.
Der Trainer verwendet bei der Erstschulung die Lernplattform Surf&Learn.
Nach dem Training verbleiben 3 Lizenzen der Lernsoftware im Haus
und können weiter genutzt werden. Besteht später Nachholbedarf,
so kann ein Schulungsteilnehmer, der die Lernsoftware ja schon vom
Training kennt, eine Übung aus dem Firmen-Intranet abrufen
und nochmals durcharbeiten. "Dies behebt sofort die sonst üblichen
Verluste in der Performance neuer Schulungsteilnehmer", bestätigt
Michael Kirchgässner, Geschäftsführer und Trainer
bei Maschine im Raum in München. Seit 13 Monaten arbeiten die
Trainer des CAD-Schulungsdienstleisters mit der Plattform Surf&Learn
und erzielen damit gute Ergebnisse. "Der Nachschulbedarf fällt
deutlich geringer aus, wenn die elektronischen Übungen aus
dem Kurs weiterhin zur Verfügung stehen", so Kirchgässner.
"Ohne Konstruktionsjobs und ständiges Üben keine
Projekterfahrung, ohne Projekterfahrung keine neuen Jobs",
fasst Kirchgässner das Problem vieler Konstruktionsfirmen zusammen.
Die Beispielrechnung ergibt folgende Werte für Variante 1:
10 Trainertage á 900 Euro (Mittelwert) plus 3 Lizenzen der
Lernsoftware für 11.990 Euro (3 von 6 bringt der Trainer für
die Dauer der Schulung kostenfrei mit) plus 60 Manntage Ausfallzeit
zu insgesamt 14.400 Euro. Dies ergibt in der Summe 35.390 Euro.
Bei einer weiteren Inhouse-Schulung sind die Lizenzen der Lernsoftware
aber schon vorhanden, es kommen also nur noch 23.400 Euro für
Trainer und Ausfall zusammen. Eine Nachschulung ist ebenfalls jederzeit
möglich. Selbst wenn man sich den Luxus leisten möchte,
für jeden weiteren Schulungsteilnehmer eine eigene Lizenz zu
erwerben, reduziert sich der Kostenaufwand spätestens bei der
dritten Schulung auf einen Schlag um über 30%.
"Es gibt mit Sicherheit Arbeitnehmer, die sich nach einer
Erstschulung mit Surf&Learn auch ohne Trainer selbst weiterbilden.
Es wäre auch praktisch gar nicht möglich, alle meine 50
Konstrukteure und Ingenieure ständig auf Schulungen zu schicken,
vor allem nicht im Hinblick auf die Umstellung von Catia V4 auf
V5. Das würde mein Budget auf zwei Jahre im voraus blockieren",
erklärt Georg Maier. Er teilt seine Ingenieure daher in drei
Hauptgruppen ein: 60% sind normale Anwender, die am liebsten ganz
gewöhnlich im Classroom lernen. 15% der Anwender sind "die
echten Ultras, die bringen sich fast alles selbst bei", schmunzelt
er. "Und 25% brauchen nur einen kleinen Anstoß, dann
kann man sie selbst lernen lassen".
Variante 2:
Inhouse-Schulung mit Selbstlernanteil, geringer Projektstillstand, Nachschulung möglich
Je nach Schulungsprofil wird in der zweiten Phase ein bestimmter
Selbstlernanteil definiert. Dieser kann bis zu 70% betragen, der
Durchschnitt liegt um 40%. "Sinnvollerweise wird hier nicht
versucht, den Trainer durch ein E-Learning-Tool zu ersetzen",
so Christian Fuchs. Er warnt sogar davor: "Dies ist in einem
hoch spezialisierten Gebiet wie Catia auch gar nicht möglich.
Aber: Ein Basistraining über eine Lernsoftware in Kombination
mit einem Trainer, der dann nur noch die spezifischen Fachfragen
beantwortet, hat sich als sehr effektiv erwiesen".
An zwei Einführungstagen wird mit den Teilnehmern der Umgang
mit dem Übungstool erlernt, danach werden ein- oder zweimal
in der Woche Trainertage eingelegt, die Lernfortschritte sichergestellt
und Fragen beantwortet. "Diese Schulungen sind nicht so kompakt,
bieten aber einen unschätzbaren Vorteil: Der Ingenieur kann
zumindest die Hälfte seiner Zeit am Arbeitsplatz verbringen
und das Gelernte sofort in der Praxis anwenden", kommentiert
Michael Kirchgässner. Zu der Frage, ob sich der Einsatz von
Selbstlernsoftware in Kombination mit Erstschulung rechnet, meint
Georg Maier von Astrium: "Ich bin mir darin ziemlich sicher,
denn das Konzept des Selbstlernansatzes entspricht voll den Anforderungen
des Marktes. Schließlich macht genau der Umstand einer ständigen
Weiterbildung unsere Wettbewerbsfähigkeit aus."
Die Beispielrechnung ergibt folgende Werte für Variante 2:
7 Trainertage á 900 Euro (Mittelwert) plus 60 Manntage Ausfallzeit
zu insgesamt 14.400 Euro. Die Lernsoftware ist schon vorhanden.
In der Summe ergibt dies 20.700 Euro für eine eigentlich
10 Tage dauernde Schulung.
Als kleiner Denkansatz sei noch erwähnt, dass es nicht bei
den 6 Teilnehmern bleiben muss: Investiert ein Unternehmen beispielsweise
in 9 Lizenzen, so kann ein Trainer auch leicht den Lernfortschritt
von 9 Ingenieuren überwachen, wobei hier ein weiterer Trainertag
hinzukommen dürfte, da es bei mehr Teilnehmern auch mehr Fragen
gibt.
Eine Gegenüberstellung von Lernfortschritt und Kosten ist
in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Anzahl | Kosten | Kosten | Performance | Performance | Wochen |
6 | 37.800 | 35.390 | – | – | 0 |
12 | 75.600 | 58.790 | 80% | 80% | 5 |
18 | 113.400 | 82.190 | 45% | 75% | 10 |
24 | 151.200 | 105.590 | 55% | 72% | 15 |
30 | 189.000 | 128.990 | 60% | 75% | 20 |
36 | 226.800 | 152.390 | 65% | 77% | 25 |
42 | 264.600 | 175.790 | 70% | 80% | 30 |
Vergleich der Schulungskosten intern (hell) versus extern (dunkel), kumuliert für je weitere 6 Ingenieure pro Schulung |
Fazit
Bei gleichbleibend guter Qualität ist es somit möglich,
mittels didaktisch hochwertiger Lerntools auf Intranet-Basis Ingenieure
und Konstrukteure direkt am Arbeitsplatz zu schulen und dies
ohne Hinnahme der sonst üblichen Performance-Verluste unmittelbar
nach der Schulung, bei zudem deutlich geringeren Ausfallzeiten in
laufenden Projekten und erheblich gesenkten Schulungskosten.
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