Fachbeiträge
Im Zuge der Veränderung
von Yvonne Nagel
Umstrukturierungen, Fusionen und veränderte Marktbedingungen zwingen Unternehmen zum Umdenken: Wettbewerbsfähig bleibt nur, wer seine Mitarbeiter motivieren, Teamarbeit und Projektorganisation zielgerichtet nutzen und eine offene Unternehmenskultur schaffen kann. Nach der Neuorganisation der DB Regio AG Bayern hieß es auch in München: Höchste Eisenbahn für ein Management der Veränderungen. Yvonne Nagel berichtet, wie die DB Regio Bayern ihre Mitarbeiter in einem einjährigen Change-Management-Projekt erfolgreich in den Veränderungsprozess eingebunden und motiviert hat. Die Effekte: zufriedenere Kunden, reduzierte Kosten und ein hohes Verantwortungsbewusstsein bei allen Mitarbeitern.
Von Yvonne Nagel
Inhaltsübersicht:
- Sanieren, leisten, wachsen
- Ein Team ist mehr als eine Gruppe
- Kreativität und Vertrauen schaffen
- Qualifikation, Kommunikation, Dokumentation
- Erfolg motiviert
Umstrukturierungen, Fusionen und veränderte Marktbedingungen
zwingen Unternehmen zum Umdenken: Wettbewerbsfähig bleibt nur,
wer seine Mitarbeiter motivieren, Teamarbeit und Projektorganisation
zielgerichtet nutzen und eine ganz neue Unternehmenskultur schaffen
kann. Nach der Neuorganisation der DB Regio AG Bayern hieß
es auch in München: Höchste Eisenbahn für ein Management
der Veränderungen.
Vor dem Hintergrund zunehmenden Wettbewerbs im ÖPNV-Markt
beschloss die DB Regio AG Anfang 2001, sich in Bayern neu zu organisieren
und die Verantwortung für den Nahverkehr in den Regionen zu
bündeln. Alle Bahn- und Busaktivitäten wurden unter dem
Dach der DB Regio Bayern zusammengeführt. „Wir wollten
die Kundenzufriedenheit und damit gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit
durch Verantwortung und Kompetenz vor Ort stärken“, so
Klaus-Dieter Josel, Vorsitzender der Regionalleitung. „Gleichzeitig
standen wir vor dem Problem der Balance zwischen regionaler Eigenständigkeit
und landesweiter Integration.“
Sanieren, leisten, wachsen
Eine der ersten Maßnahmen betraf den so genannten Overhead,
den Verwaltungsapparat. Dieser musste dringend abgespeckt und handlungsfähiger
werden. Gleichzeitig galt es, die Arbeitsprozesse im Produktionsbereich
effektiver zu gestalten. Außerdem wurde das Thema Pünktlichkeit
zur Chefsache erklärt – für die Bahn-Kunden das
oberste Qualitätskriterium der angebotenen Leistungen. Attraktive
Angebote, grenzüberschreitende Aktivitäten nach Österreich
und Tschechien sowie Engagement in Stadtverkehren kennzeichnen das
Wachstum der DB Regio Bayern.
„Unabhängig von allen Strategien und Plänen –
im Mittelpunkt unseres Erfolges“, weiß Josel heute,
„steht immer jeder einzelne Mitarbeiter.“ Denn für
die Bahn-Mitarbeiter waren die bevorstehenden Veränderungen
mit hohen Anforderungen verbunden, zumal bereits seit der Bahnreform
1994 eine Umstrukturierung im Gange war, die zunächst nur organisatorisch
vollzogen wurde. Entsprechend gering war die Akzeptanz. Die Folge:
Probleme, Unstimmigkeiten und enorme Reibungsverluste. Es fehlte
vor allem an Klarheit: Angst vor Versetzungen und dem Umfang des
geplanten Personalabbaus. Auch Unsicherheiten bei neuen Entscheidungskompetenzen
und Zuständigkeiten wirkten wenig motivierend. Hinzu kam die
Befürchtung, dass nicht wirklich etwas Neues entstehen würde.
Ein Team ist mehr als eine Gruppe
Die DB Regio Bayern wollte die neue Struktur möglichst schnell
in den Alltag integrieren und vor allem Akzeptanz bei Mitarbeitern
und Führungskräften schaffen – unter den neuen Umständen
eine Herausforderung. Um die strategischen Ziele nicht zu verfehlen,
entschloss man sich, den Veränderungsprozess professionell
begleiten zu lassen. Als externe Beratungsfirma wurde osterhold,
ellebracht, lenz, schäfer + partner – das eurosysteam
aus Heidelberg engagiert. Die erfahrenen Berater erkannten schnell,
dass nur ein kompetentes Team den Erfolg bringen konnte. Denn es
genügt nicht, neue Organisationsformen einzuführen, wenn
danach ansonsten alles beim Alten bleibt. Es braucht neue Formen
der Zusammenarbeit und ein strategisches Teamverständnis. Beides
kann nur gemeinsam erarbeitet und entwickelt werden. Das bedeutet
ein systematisches Miteinander mit übereinstimmenden Werten,
konkreten Zielen und konstruktiver Kommunikation. Und es setzt auch
die Bereitschaft zur Veränderung auf Führungsebene voraus.
Das modulare Vorgehen des eurosysteams unterstreicht die Prozesshaftigkeit
jedes Change Managements. Denn Projektarbeit ist immer auch ein
Lernprozess. Im ersten Schritt halfen Interviews mit ca. 30 Schlüsselpersonen
(Mitarbeiter, Führungskräfte aus allen Hierarchieebenen
und Bereichen), die Stimmung zu sondieren. In engem Kontakt mit
der Regionalleitung wurden Teams entwickelt. In Workshops definierten
die Teilnehmer, wie die künftige Zusammenarbeit aussehen kann.
Methoden für Konfliktmanagement und Entscheidungsfindung, Kooperationen
und der Umgang mit Hierarchie standen ebenfalls auf dem Lehrplan.
Kreativität und Vertrauen schaffen
Nun ging es darum, den Kreis der Beteiligten zu erweitern. Denn
ein Change Management ist um so erfolgreicher, je vollständiger
das ganze Unternehmen am Veränderungsprozess beteiligt ist.
Die Führungskräfte der zweiten Hierarchieebene wurden
eingebunden, in Vollversammlungen informiert und für den Veränderungsprozess
gewonnen. „Ebenso wichtig“„ erinnert sich Klaus-Dieter
Josel, „waren die bisher 28 Mitarbeiterversammlungen, die
wir regelmäßig durch Abteilungs- und Teambesprechungen
ergänzt haben.“ Hier erarbeiteten die Teilnehmer gemeinsam
die Handlungsfelder für die neue Organisation.
Die Mitarbeiter waren von Anfang an dabei, es gab deshalb keine
Unklarheiten mehr im Hinblick auf Kompetenzverteilung und Entscheidungswege.
Alle Beteiligten wurden ausführlich über die strategischen
Ziele der DB Regio Bayern informiert. Gleichzeitig konnten die Mitarbeiter
in diesen Versammlungen ihre Ideen in den Prozess einbringen und
Verbesserungsvorschläge machen. Eine der konkreten Maßnahmen,
die sich aus diesem Vorgehen ableitete, war beispielsweise 3F, das
„Feedback für Führungskräfte“: Führungskräfte
stellen sich der Kritik ihrer Mitarbeiter und lassen sich an ihren
eigenen Führungsgrundsätzen messen.
„Die aktive Beteiligung aller Mitarbeiter ist wichtig“,
erklärt Dr. Gerhard Lenz vom eurosysteam. „Viele Veränderungsprozesse
scheitern, weil sie nur auf Einzelaspekte abzielen und wesentliche
Zusammenhänge vernachlässigen. Die Mitarbeiter sind demotiviert,
der angestrebte Erfolg bleibt aus.“ Veränderungsmanagement
bezieht sich immer auf das Unternehmen als Ganzes. Im Mittelpunkt
steht die aktive Beteiligung aller Mitarbeiter und Unternehmenseinheiten.
So wurden auch wichtige Veränderungsprojekte im Team abgeleitet.
Eines davon: „Verkürzung der Entscheidungswege“.
Die Personalreferenten vor Ort erhielten mehr Befugnisse, wodurch
deutlich schnellere Entscheidungen und Reaktionen möglich wurden.
Die im Personalmanagement erprobte Vorgehensweise setzte man später
auch in den Bereichen Betrieb, Marketing und Finanzen um. Ein anderes
Veränderungsprojekt heißt „Leistungsanreize und
Entlohnung“. Ein erster Umsetzungserfolg: Die variable, leistungsbezogene
Gehaltszulage für Regio-Team-Leiter.
Bei der DB Regio Bayern waren die Mitarbeiter von Anfang an in den
Change-Management-Prozess eingebunden: In Mitarbeiterversammlungen
und ergänzenden Abteilungs- und Teambesprechungen wurden gemeinsam
die Handlungsfelder für die neue Organisation erarbeitet.
Qualifikation, Kommunikation, Dokumentation
Anschließende Schulungen sämtlicher Projektleiter und
-mitglieder im Projektmanagement stellten eine einheitliche Vorgehensweise
aller Beteiligten sicher. Das eurosysteam qualifizierte vor allem
auch die Führungskräfte des mittleren Managements –
als Coach, als Team- und Projektleiter sowie als Veränderungsmanager.
Speziell geschulte Moderatoren aus den Reihen des Personalmanagements
sind heute in der Lage, die Mitarbeiterversammlungen selbst zu konzipieren,
durchzuführen und zu leiten. „Dies hat den Vorteil“,
erklärt Klaus-Dieter Josel, „dass die Moderatoren die
internen Zusammenhänge kennen und problemlos von Mitarbeitern
und Führungskräften akzeptiert werden. Außerdem
befähigt uns der firmeninterne Kompetenzpool, den Prozess auch
ohne das Beratungsunternehmen weiter voran zu treiben.“ Damit
bringt er eines der Prinzipien des eurosysteams auf den Punkt: Hilfe
zur Selbsthilfe prägte den gesamten Prozess. An keiner Stelle
wurde etwas von oben aufgedrückt, alle Maßnahmen und
Entscheidungen wurden im Team, also aus dem Unternehmen heraus,
getroffen.
Jeder Veränderungsmanagement-Prozess kann nur funktionieren,
wenn Informationen erfolgreich transportiert werden, wenn also die
Kommunikation nach innen und außen stimmt. Zusätzlich
zum bestehenden Organ „BahnZeit“ entstanden bei der
DB Regio Bayern neue Informationskanäle:
- individuelle Newsletter der einzelnen Verkehrsbetriebe
- Newsletter für die Führungskräfte
- Mitarbeiterbriefe
- Imagebroschüren
- Informationsangebote im Intranet
Und zu guter Letzt: der Veränderungsleitfaden, die Dokumentation
des gesamten Prozesses. Ein solches Handbuch ist von nicht unwesentlicher
Bedeutung, weiß Dr. Gerhard Lenz eurosysteam: „Mangelnde
Dokumentation der geleisteten Arbeit ist ein häufiger Fehler.
Vor allem zu Beginn neuer Projekte wird viel diskutiert, es entwickeln
sich gute Ideen, doch kaum etwas wird schriftlich fixiert. Einige
Zeit später ist möglicherweise gutes Potenzial wieder
verloren. Außerdem können im Fall DB Regio auch andere
Regionen von diesem Leitfaden profitieren.“
Erfolg motiviert
In nur einem Jahr wurde erreicht, dass alle Beteiligten den gesamten
Veränderungsprozess akzeptieren. Eine offene Unternehmenskultur
wird gelebt. Die Mitarbeiter bestätigen einen deutlich besseren
Informationsfluss, die Führungskräfte seien besser erreichbar
und spürbar geschult. Handlungs- und Entscheidungsfreiräume
innerhalb einer schlanken Organisation schaffen kürzere Bearbeitungswege
und optimierte Arbeitsabläufe. Die Zusammenarbeit nach innen
und außen hat sich nachhaltig verbessert. Die Effekte: zufriedenere
Kunden, reduzierte Kosten und ein hohes Verantwortungsbewusstsein
bei allen Mitarbeitern. Doch bei der DB Regio Bayern will man sich
keinesfalls auf dem Erreichten ausruhen. Führungsverantwortung
und Mitarbeiterbeteiligung sollen noch weiter gestärkt werden.
„Der Wandel geht weiter“, resümiert Josel zufrieden
„und das Wir-Gefühl wird weiter wachsen.“
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen
Windmühlen, die anderen Mauern“, sagt ein chinesisches
Sprichwort. In München waren es Windmühlen. Der einjährige
Change-Management-Prozess hat die DB Regio AG Region Bayern ihren
Unternehmenszielen einen wesentlichen Schritt näher gebracht
und wurde jetzt sogar prämiert: In der Kategorie Mitarbeiterführung
erhielt das Team der Regionalleitung für das Management des
umfangreichen Veränderungsprozesses nun den BahnAward „Die
Besten der Bahn“. Mit diesem Preis würdigt die Bahn besonders
herausragende Leistungen. Ein Grund zum Feiern. Und zum Weitermachen.
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