Fachbeiträge
Ready for Take-Off – Wissensmanagement einführen mit der K2BE-Roadmap
von Irene Häntschel und Angelika Mittelmann
Bei der voestalpine Stahl GmbH, Linz, wurde die komplexe Aufgabe der Einführung von Wissensmanagement mit Hilfe eines Modells gelöst, das sich der Begriffswelt der Luftfahrt bedient und die einzelnen Phasen vom Start bis zur Landung abbildet. Dieses Modell, die K2BE-Roadmap, stellen Irene Häntschel und Angelika Mittelmann in ihrem Beitrag vor. Die Vorteile: Der Einführungsprozess wird überschaubar und steuerbar, zudem trägt die K2BE-Roadmap zur Entwicklung einer wissensorientierten Unternehmenskultur bei.
Von Irene Häntschel
Inhaltsübersicht:
- Vom Start zur Landung: Die Prinzipien der K2BE-Roadmap
- Soziale und technische Reife entwickeln
- Gestaltung des Einführungsprozesses
- Fazit
In
der voestalpine Stahl GmbH, Linz, wurde vor etwas mehr als zwei
Jahren auf Vorstandsebene beschlossen, sich mit Wissensmanagement
zu beschäftigen. Als Potenzial von Wissensmanagement wurden
die Optimierung der Geschäftsprozesse und die Steigerung der
Innovationsfähigkeit kurz: die Erreichung von Business
Excellence erkannt. Im Folgenden wird geschildert, wie die
komplexe Aufgabe der Einführung von Wissensmanagement bei der
voestalpine Stahl GmbH mit Hilfe der K2BE-Roadmap gelöst wurde.
Vom Start zur Landung:
Die Prinzipien der K2BE-Roadmap
Die K2BE-Roadmap bedient sich der Begriffswelt der Luftfahrt. Die
Namen der fünf Phasen beschreiben bei einem Flug die Vorbereitung
des Flugs (Check-In), das Anlassen der Triebwerke (Start-Up), das
Rollen des Flugzeugs auf die Startbahn (Line-Up), das Abheben des
Flugzeugs (Take-Off) und das Zwischenlanden (Stop-Over, bevor erneut
die Triebwerke angelassen werden usw.). Sinngemäß reflektieren
diese Aufgaben auch jene bei der Einführung von Wissensmanagement.
Jede Phase ist durch einen Point of Clearance (PoC) von der nachfolgenden
Phase getrennt. Der Begriff "Clearance" hat in der Berufswelt
der Fluglotsen und Piloten eine besondere Funktion: Die Flugsicherungsstelle,
als die zentrale Steuerungsstelle, erteilt damit den Piloten Freigaben
für bestimmte Flugphasen.
Die fünf Phasen nach der K2BE-Roadmap |
Der K2BE-Roadmap liegen folgende Prinzipien zugrunde:
- Strategieorientierung:
Die Wissensmanagement-Einführung muss mit den Unternehmenszielen und Wettbewerbsstrategien abgestimmt sein. Nur dann führt Wissensmanagement zu Business Excellence. - strategiegeleitete Einführung:
Die Einführung von Wissensmanagement muss strategisch geplant werden. Auf Basis des strategischen Planes kann dann die Umsetzung in (Teil-) Projekten erfolgen. - Verquickung von Informations- und Lernprozessen:
Wissensmanagement ist mehr als Informationsmanagement und organisationales Lernen. - Ganzheitlichkeit:
Struktur (insbesondere die IT-Infrastruktur, die Organisation des Wissensmanagements und die Integration von Wissensmanagement in die Geschäftsprozesse) und Kultur (insbesondere Verhalten und Werte/Normen) sowie Führungsstile und Anreizsysteme müssen betrachtet und bearbeitet werden. - Verantwortung der Führungsebene:
Die Einführung von Wissensmanagement löst geplante Veränderungen im Unternehmen aus. Die Führungsebene muss die Verantwortung sowohl für die Strategieentwicklung als auch für die Strategieumsetzung übernehmen. - Partizipation und Reflexion:
Die Einführung von Wissensmanagement braucht die Beteiligung möglichst vieler Mitarbeiter. Der Einführungsprozess muss so gestaltet sein, dass Partizipation und Reflexion auf breiter Basis möglich sind.
Soziale und technische Reife entwickeln
Ein kontinuierlicher und erfolgreicher Verlauf bei der Einführung
von Wissensmanagement ist nur dann zu erwarten, wenn an der Weiterentwicklung
der technischen wie auch der sozialen Reife mit gleicher Sorgfalt
und Intensität gearbeitet wird:
- Die technische Reife wird bestimmt durch die Qualität der Ergebnisse (Produkte und Prozesse), die Auswahl und Anwendung von Methoden und Werkzeugen zur Umsetzung sowie durch die Nachvollziehbarkeit und Korrektheit der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen.
- Die soziale Reife wird bestimmt durch das Vertrauen in die Veränderungen und die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Die Freigaben an den PoC sind Ausdruck für das Erreichen einer bestimmten sozialen Reife.
Bei zu geringer sozialer und/oder technischer Reife ist mit Widerstand
und Ablehnung im Unternehmen zu rechnen.
Gestaltung des Einführungsprozesses
Die K2BE-Roadmap gibt dem Einführungsprozess so viel Struktur
wie nötig und so wenig wie möglich. In der Projektplanung
erfolgt die unternehmensspezifische, situationsabhängige Detaillierung
der K2BE-Roadmap.
Check-In
In der Check-In-Phase erfolgt ausgehend von wahrgenommenen
Defiziten und der Idee, dieses Problem mit Wissensmanagement lösen
zu können eine Bewusstseinsbildung bei den Entscheidungsträgern,
das Werben für einen ganzheitlichen Systemansatz und für
eine Top-Down-Strategie sowie der Aufbau einer Lobby.
In der voestalpine Stahl GmbH wurde nach der Auftragserteilung
durch die Vorstandsvorstände (Konzern und GmbH) ein Projektteam
gegründet. Dieses erarbeitete auf Basis der K2BE-Roadmap den
Projektauftrag im Detail, den der Gesamtvorstand der GmbH am ersten
PoC genehmigte.
Start-Up
Anschließend erfolgt beim Start-Up die unternehmensweite
und langfristige Gesamtplanung für die Einführung von
Wissensmanagement. Das Gesamtkonzept bestimmt Fokus und zeitliche
Abfolge der Einführung. Es versucht, Widersprüche aufzudecken
und aufzulösen. Es werden die Wissensmanagement-Ziele entwickelt,
der Ist-Zustand erhoben und der Handlungsbedarf ermittelt.
In der voestalpine Stahl GmbH wurden durch Firmenbesuche (z.B.
bei AVL Graz, Deutsche Bank Frankfurt und McKinsey) Best-Practice-Beispiele
gesammelt und analysiert. Mit Hilfe eines Fragebogens und strukturierten
Interviews wurde der Ist-Zustand erhoben, welche Anforderungen bzw.
Erwartungen es an ein Wissensmanagement gab und welche Projekte
bzw. Aktivitäten, die dem Thema Wissensmanagement zugeordnet
werden konnten, bereits liefen. Daraus wurden die Handlungsfelder
abgeleitet, welche zunächst bearbeitet werden sollten. Es sind
dies: Projektdatenbank und -standards, Prozessbeschreibung, Lessons
Learned, Wissensnetzwerke, Know-how-Sicherung und IT-Architektur
für Wissensmanagement. Am zweiten PoC wurden dem Gesamtvorstand
die Ergebnisse der Ist-Zustandserhebung präsentiert und es
erfolgte die Zustimmung zu den Handlungsfeldern.
Line-Up
In der Phase Line-Up wird das Gesamtkonzept abhängig von den
vorhandenen Ressourcen und der Risikobereitschaft des Unternehmens
in Teilschritte untergliedert. Es werden konkrete Maßnahmen
entwickelt und ein Projektportfolio erstellt.
In der voestalpine Stahl GmbH wurden zu jedem Handlungsfeld Projektaufträge
mit passenden Pilotbereichen definiert und im dritten PoC vom Gesamtvorstand
genehmigt.
Take-Off
Beim Take-Off erfolgt die schrittweise Einführung in parallel
ablaufenden Projekten. In der voestalpine Stahl GmbH stehen zur
Zeit die meisten Projekte kurz vor ihrem Abschluss, eines ist bereits
abgeschlossen. Folgende Ergebnisse liegen vor:
- Die Methode des Story Telling wurde zur Sicherung von Erfahrungen aus Großprojekten erfolgreich erprobt.
- Ein Wissensnetzwerk im Bereich Forschung und Entwicklung lebt.
- Ein Werkzeug für Prozessbeschreibungen wurde anhand von Prototypen evaluiert und ausgewählt.
- Der Leitfaden zur Know-how-Sicherung inklusive Checklisten liegt vor.
- Die Projektdatenbank, die als intranetbasiertes Projektmanagement-Unterstützungswerkzeug angelegt ist, ist fertiggestellt.
- Die Soll-IT-Architektur zur Unterstützung von Wissensmanagement ist fertiggestellt. Derzeit wird an einer Marktübersicht von Software-Produkten, die gemäß der Soll-Architektur höchste Priorität haben, gearbeitet.
Stop-Over
In der Stop-Over-Phase erfolgt schließlich die Konsolidierung
und Bewertung der bisherigen Wissensmanagement-Aktivitäten.
Damit wird die Voraussetzung für den nächsten Zyklus (beginnend
mit einer neuen Start-Up-Phase) geschaffen. Die Wissensmanagement-Aktivitäten
werden gegebenenfalls fortgesetzt, um den nächsten Reifegrad
zu erreichen.
In der voestalpine Stahl GmbH wird derzeit die Projektorganisation
zu einer Prozessorganisation umgebaut, um die Institutionalisierung
von Wissensmanagement voranzutreiben.
Fazit
Der Hauptnutzen der K2BE-Roadmap liegt in der Sicherheit, die den
Entscheidungsträgern mit dieser Vorgehensweise gegeben wird
sie fühlen sich nicht mehr wie in einem luftleeren Raum.
Der Einführungsprozess wird überschaubar und steuerbar.
Die K2BE-Roadmap trägt zudem durch die geforderte Arbeit an
der sozialen Reife zur Entwicklung einer wissensorientierten Unternehmenskultur
bei.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass die K2BE-Roadmap nicht nur
wie hier dargestellt in großen Produktionsunternehmen,
sondern auch in kleinen Dienstleistungsunternehmen nutzbringend
eingesetzt werden kann.
Anmerkung und Literaturhinweis
K2BE steht für Knowledge Management to Business Excellence
und ist eine registrierte Marke der Entwickler der Roadmap: Wolfgang
Erhart, Irene Häntschel, Thomas Hahn, Angelika Mittelmann und
Steffen Wienerroither (alle Österreich).
Vgl. auch Mittelmann, A. et al.: Holistic Knowledge Management.
In: Hofer, Chr./Chroust, G. (Eds.): IDIMT-2001 9th Interdisciplinary
Information Management Talks Proceedings. Schriftenreihe Informatik.
Band 6, Universitätsverlag Rudolf Trauner: Linz 2001, S. 81-90.
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