Fachbeiträge
Lernplattformen: Der Boom lässt noch auf sich warten
von Barbara Heckerott
Den Markt für E-Learning hat Barbara Heckerott unter die Lupe genommen: Bislang setzen noch wenige Unternehmen komplexe Lernmanagement-Systeme ein. Um einen schnelleren Marktdurchbruch zu erreichen, bieten die Hersteller vermehrt flexible, erweiterbare Lernsysteme und Mietlösungen an.
Inhaltsübersicht:
- Trotz großen Bedarfs herrscht noch Zurückhaltung
- Mietlösungen für kleinere Unternehmen
- Vorkonfektionierte Lösungen erleichtern den Einstieg
- Lern- und Wissensmanagement wachsen zusammen
Bis zum Jahr 2004 soll der E-Learning-Markt
in Europa nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens
IDC auf rund vier Milliarden US-Dollar wachsen. Die hohen Einführungskosten
haben bislang allerdings dazu geführt, dass erst wenige Unternehmen
komplexe Lernmanagement-Systeme einsetzen. Skalierbare Systeme,
die flexibel erweiterbar sind und einen schnellen und vergleichsweise
preiswerten Einstieg ins E-Learning ermöglichen, sowie virtuelle
Lernplattformen, die auf Mietbasis über das Internet genutzt
werden können, versprechen nun einen schnelleren Marktdurchbruch.
Trotz großen Bedarfs herrscht noch Zurückhaltung
In einer Zeit, in der sich die Qualifikationsanforderungen so schnell
ändern, dass ständiges Weiterlernen gefragt ist, ist Geld
längst nicht mehr allein der limitierende Faktor in der betrieblichen
Weiterbildung. Auch die Zeit setzt dem Fortbildungsbestreben enge
Grenzen. Denn das häufige Entsenden von Mitarbeitern zu mehrtägigen
Seminaren ist für die Betriebe nicht nur teuer, sondern stößt
auch an organisatorische Schranken. Je kleiner das Unternehmen,
um so größer sind dabei in der Regel die Probleme für
die Arbeitsorganisation. Deshalb wundert es nicht, wenn das Interesse
an E-Learning groß ist. Schließlich ermöglicht
das Lernen am Computer eine arbeitsplatznahe Weiterbildung. Die
Fortbildung kann während Zeiten geringen Arbeitsaufkommens
in den Arbeitsablauf integriert werden oder lässt sich ohne
Zeitverlust daran anschließen.
Doch trotz des großen Interesses und des offensichtlichen
Bedarfs wenn es um den konkreten Einsatz von E-Learning geht,
herrscht noch große Zurückhaltung. Dies belegt auch die
aktuelle Studie "Klug durch E-Learning" der Stuttgarter
DEKRA-Akademie, die im Januar 2002 offiziell vorgestellt wurde.
51 Personalverantwortliche und 214 Anwender aus der Dienstleistungsbranche
darunter Geldinstitute, Versicherungen, Unternehmensberatungen
und Finanzdienstleister wurden darin nach ihren Erwartungen
und Einstellungen zum Thema elektronisches Lernen befragt. Dabei
zeigte sich, dass das Interesse, in Zukunft auf die Weiterbildung
per Mausklick zu setzen, grundsätzlich groß ist
aber die Zeiträume bis zur tatsächlichen Einführung
auch. Zwischen ein und drei Jahren will sich ein Großteil
der befragten Firmen damit Zeit lassen.
Dabei liegen die Vorteile des E-Learnings auf der Hand: "Lerninhalte
können schnell und weitgehend ortsunabhängig einer großen
Anzahl von Nutzern angeboten werden. Die Kosten für Reisen,
Unterkunft, Verpflegung und Seminarräume entfallen, da die
Trainings zu den Mitarbeitern kommen und nicht umgekehrt",
erläutert Thorsten Wichmann, Geschäftsführer des
Marktforschungsinstituts Berlecon Research. In ihrer Studie "Wachstumsmarkt
E-Learning" kommen die Berlecon-Forscher zu dem Schluss, dass
sich mit dem sinnvollen Einsatz von E-Learning nicht nur Wettbewerbsvorteile
erzielen lassen, sondern auch die Kosten gesenkt werden können.
Damit sei E-Learning trotz der derzeit schwachen Konjunktur ein
interessantes Investitionsfeld für Unternehmen.
Mietlösungen für kleinere Unternehmen
Doch es sind gerade die Investitionskosten, die vor allem Mittelständler,
aber auch viele Großunternehmen davon abhalten, komplexe Lernmanagement-Systeme
einzuführen. Bislang schlugen allein die Lizenzkosten für
eine Lernplattform mit rund 200.000 bis 250.000 Euro zu Buche. Hinzu
kommen dann in der Regel noch Kosten für die Anpassung an die
vorhandenen IT-Systeme und an die Schulungsbedürfnisse sowie
Kosten für die Einweisung bzw. Ausbildung von Mitarbeitern
und Tutoren. Dabei kommen schnell noch einmal 250.000 Euro zusammen.
Einen möglichen Ausweg bieten ASP-Lösungen (Application
Service Providing), bei denen die Lernplattform auf Mietbasis im
Internet zur Verfügung gestellt wird. Denn umgerechnet auf
die einzelnen Mitarbeiter sind die Investitionskosten für ein
eigenes System natürlich um so höher, je niedriger die
Zahl der Nutzer ist. Sinnvoll ist ein ASP-Modell sicher auch, wenn
die eigenen Personalressourcen nicht ausreichen und sich keine Einbindung
in ein Intranet anbietet, denn der Kunde braucht keinen eigenen
Server einzusetzen und auch kein Personal bereitzustellen, um die
Funktionsfähigkeit von Software und Server sicherzustellen.
"Allerdings genügt es in der Regel nicht, allein die
Technik zu mieten", gibt Urs A. Pelizzoni, Marketinggeschäftsführer
der M.I.T newsystems GmbH in Kirchheim bei München, zu bedenken.
Ohne Anpassungen an die spezifischen Schulungsbedürfnisse des
jeweiligen Unternehmens könne eine Plattform nicht effektiv
genutzt werden und dann sei auch eine vermeintlich preiswerte Mietlösung
zu teuer. Die M.I.T-Tochter spricht bei ihrem Mietmodell deshalb
nicht von ASP, sondern von KSP (Knowledge Service Providing) und
bietet ihren Kunden neben der Technik auch die entsprechenden Services
an, die notwendig sind, um diese Technik sinnvoll nutzen zu können.
Das Angebot reicht dabei von der technischen Unterstützung
über die Organisationsberatung, die Beratung bei der Auswahl
der Inhalte bis hin zur Bereitstellung und Pflege der Lerninhalte.
Vorkonfektionierte Lösungen erleichtern den Einstieg
"Für kleinere Unternehmen ist ein Mietmodell sicher die
Methode der Wahl", so Pelizzoni. Ab einer Größenordnung
von ca. 500 Mitarbeitern lohne es sich seiner Meinung nach jedoch,
über den Einsatz eines eigenen Systems nachzudenken. Doch bislang
haben erst wenige große Konzerne wie beispielsweise die Deutsche
Bank, Allianz, Audi, DaimlerChrysler oder der Parion Konzern (Gothaer
Versicherung, Berlin-Kölnische Versicherung) komplexe E-Learning-Plattformen
auf Basis ihrer Intranets installiert.
Was dem Markt nach Überzeugung von Experten zum rascheren
Durchbruch verhelfen würde, sind günstige Branchenlösungen,
die ohne hohen Aufwand einzusetzen sind. Etliche Anbieter
wie zum Beispiel auch M.I.T mit der Lernplattform Information and
Learning Framework (ILF) reagieren bereits auf diese Marktanforderung.
So ist die vorkonfektionierte Einsteigerversion myILF besonders
für den schnellen und unkomplizierten Einstieg in das E-Learning
geeignet. Die Software lässt sich leicht implementieren, kann
sofort in Betrieb genommen werden und ist später jederzeit
nach den jeweiligen Bedürfnissen des Unternehmens erweiterbar.
Damit steht dann je nach Ausbaustufe eine Plattform
zur Verfügung, die den Lernenden nicht nur den Zugriff auf
alle für sie wichtigen Informationen und Lernmedien ermöglicht,
sondern auch die Kommunikation mit Tutoren und Mit-Lernenden per
E-Mail oder Chat. Auch die Verwaltung und Steuerung von Lernprozessen
wird unterstützt.
Das Modul "Mediathek" – Kernstück der Lernplattform ILF (Information and Learning Framework) |
Lern- und Wissensmanagement wachsen zusammen
Ein schrittweises Vorgehen empfiehlt sich allerdings unabhängig
davon, ob ein Unternehmen zunächst mit einer Starterversion
ins E-Learning hineinschnuppern will oder der Entschluss, eine komplette
Lizenz zu erwerben, bereits fest steht. "Wir warnen vor einer
Maximalstrategie, bei der die ganze Bandbreite an Modulen und Funktionen
auf einmal eingesetzt wird", sagt Hermann Simon Prantl, Leiter
des Instituts LernWege mit Sitz in Regensburg. Er empfiehlt den
Unternehmen stattdessen, mit einem klar begrenzten Funktionsumfang
und einer abgrenzbaren Zielgruppe beispielsweise einer bestimmten
Abteilung oder den Auszubildenden zu beginnen. Ausgehend
von den Erfahrungen in solch einem Pilotprojekt lassen sich dann
Schritt für Schritt die technischen, organisatorischen und
inhaltlichen Fragen klären, die bei der unternehmensweiten
Einführung eines Lernmanagement-Systems zu beachten sind. Da
ein Unternehmen, das eine Lernplattform einführt, damit auch
seine Organisation verändert, empfiehlt der E-Learning-Experte
zudem, vor der Installation zu klären, welche Ziele in der
Aus- und Weiterbildung verfolgt werden sollen, welche Lerninhalte
angeboten werden und wie die Verknüpfung mit den Arbeitsprozessen
aussehen soll.
"Ein ganzheitlicher Ansatz ist deshalb so wichtig, weil ein
modernes Lernmanagement-System weit mehr leisten kann als nur das
Bereitstellen von Online-Kursen", erläutert Urs A. Pelizzoni.
Es geht vielmehr um das Zusammenwachsen von E-Learning, Wissens-
und Informationsmanagement. Denn eine Lernplattform ermöglicht
nicht nur die Verwaltung aller Lernmedien und die Verwaltung und
Steuerung von Lernprozessen; sie kann darüber hinaus als zentraler
Informationsspeicher des Unternehmens fungieren und zudem die Verbreitung
von Wissen über Diskussionsforen, Chats und virtuelle Klassenzimmer
beschleunigen. "Neue Produkte können dadurch wesentlich
schneller auf den Markt gebracht werden", nennt Pelizzoni einen
entscheidenden Vorteil. Denn dank der schnellen, unternehmensweiten
Verbreitung von Wissen fließen wichtige Marktinformationen
früher in die Entwicklung neuer Produkte ein und da auch die
Vertriebsmitarbeiter rascher als bisher über neue Produkte
informiert werden können, verkürzt sich die Time-to-Market-Spanne
deutlich, so dass das Unternehmen besser und schneller als bisher
auf geänderte Marktbedingungen und Kundenwünsche reagieren
kann.
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