Fachbeiträge

Ausgabe 12 / /2001
Fachbeitrag Best Practice

KM made in Europe: die Herausforderungen für Europa als Wissensgesellschaft

von Anne Jubert

Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensgesellschat der Welt zu werden. Um neuartige Informationstechnologien zu fördern, wurde das IST-Programm gestartet. Dieses initiiert zahlreiche mittel- und langfristige Forschungsprojekte, in denen Werkzeuge und Methoden für künftige Anwendungen in Organisationen entwickelt werden. Anne Jubert stellt einige europäische Wissensmanagement-Projekte vor, die im Rahmen des IST-Programmes gefördert werden.

 

Von Anne

 

Jubert

 

 

Inhaltsübersicht:

 

 

 

Auf dem EU-Gipfel am 24. März 2000

 

in Lissabon hat sich die Europäische Union das anspruchsvolle

 

Ziel gesetzt, die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensgesellschaft

 

der Welt zu werden. Dieser Ehrgeiz basiert auf der Notwendigkeit,

 

die Entwicklung und die breite Anwendung neuartiger Technologien

 

und Verfahren für Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben.

 

 

 

Der Bereich der Technologien der Informationsgesellschaft ist stark

 

gewachsen und mittlerweile einer der größten und wichtigsten

 

in der europäischen Wirtschaft. Heute weist dieser Bereich

 

einen jährlichen Umsatz von 2 Billionen Euro auf, beschäftigt

 

europaweit bereits mehr als 12 Mio. Menschen und beeinflusst entscheidend

 

die Wettbewerbsfähigkeit aller Wirtschaftszweige. Er ist nicht

 

nur leistungsstarker Motor für wirtschaftliches Wachstum, sondern

 

schafft auch die Grundlage, um die größten gesellschaftlichen

 

Herausforderungen in den unterschiedlichsten Bereichen, wie z.B.

 

Beschäftigung, Bildung und Erziehung, Regierung und Gesundheitswesen,

 

anzugehen. Darüber hinaus sind die Technologien der Informationsgesellschaft

 

oftmals Ausgangspunkt neuer Herausforderungen und Fragestellungen,

 

angefangen bei der Überwindung des so genannten digital divide

 

bis hin zum Aufbau einer globalen Informationsinfrastruktur, die

 

Vertrauen und Zuversicht schafft. Gerade hier sind sorgfältig

 

koordinierte Antworten auf europäischer Ebene erforderlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurz gefasst:

  • Die Europäische Union hat sich das Ziel gesetzt, die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensgesellschaft der Welt zu werden.
  • Die Europäische Kommission hat das IST-Programm gestartet.
  • Das Programm initiiert zahlreiche mittel- und langfristige Forschungsprojekte, in denen Werkzeuge und Methoden für künftige Anwendungen in Organisationen entwickelt werden.
 

 

Seitenanfang

Herausforderungen für die Forschung in Europa

 

 

Die Europäische Kommission hat für die Zeitspanne von

 

1998 bis 2002 das IST-Programm (Information Societies Technologies,

 

deutscher Titel "Entwicklung einer benutzerfreundlichen Informationsgesellschaft")

 

gestartet und mit einer Gesamtfördersumme von 3,6 Milliarden

 

Euro ausgestattet. Dieses Programm unterstützt Forschung, Entwicklung

 

und Einführung neuartiger IST-Technologien und Anwendungen,

 

die eine Verbesserung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit

 

sowie eine höhere Qualität des Arbeitslebens in der aufkommenden

 

Wissensgesellschaft zum Ziel haben. Das Programm initiiert zahlreiche

 

mittel- und langfristige Forschungsprojekte, in denen Werkzeuge

 

und Methoden für künftige Anwendungen in Organisationen

 

entwickelt werden.

 

 

 

Gleichzeitig treibt das IST-Programm die breit gestreute Einführung

 

und Verbreitung neuer, sicherer Lösungen und Anwendungen voran.

 

Dieses Vorhaben unterstreicht die besondere Bedeutung regionaler

 

und branchenspezifischer Anwendungen von IST-Lösungen durch

 

kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Dabei findet eine enge Koordination

 

mit verwandten Aktivitäten, wie z.B. regionalen und nationalen

 

Initiativen sowie Strukturförderungsfonds, statt.

 

 

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Wissensmanagement-Forschung im IST-Programm

 

 

Wissensmanagement umfasst ein breites Spektrum an Disziplinen und

 

Forschungsgebieten. Technologische Forschung muss dabei mit Beiträgen

 

anderer Disziplinen wie Sozial- und Managementwissenschaften verknüpft

 

werden. Die Philosophie der fächerübergreifenden Forschung

 

prägt das IST-Programm und ist besonders auf dem Gebiet Wissensmanagement

 

zu spüren.

 

 

 

Wissensmanagement-Aktivitäten und -Initiativen erfüllen

 

keinen Selbstzweck – es nützt Organisationen wenig, wenn

 

sie Wissen um des Wissens willen teilen. Darum behält das IST-Programm

 

stets das klare Ziel im Auge, das Innovationspotenzial der europäischen

 

Organisationen zu erhöhen. Denn Innovation ist der Schlüssel

 

für den Fortbestand jedes Unternehmens und erlaubt Organisationen,

 

besser und schneller auf Herausforderungen seitens des Marktes,

 

der Wirtschaft und der Gesellschaft zu reagieren. In den vergangenen

 

Jahren hat sich das Augenmerk der Wissensmanagement-Forschung vom

 

Technology Push, worin Beiträge aus dem Geschäftsprozess-Reengineering

 

und den Informationsmanagement-Technologien vereint werden, hin

 

zum People Pull, einem Ansatz, bei dem der Mensch im Mittelpunkt

 

steht, verlagert. Gerade diese Entwicklung untermauert den Bedarf

 

an fächerübergreifenden Forschungsbeiträgen, um das

 

genannte Ziel zu erreichen.

 

 

 

Mit dem IST-Programm finanziert die Europäische Kommission

 

unter dem Slogan "KM made in Europe" derzeit 40 Wissensmanagement-Forschungsprojekte

 

in der spezifischen Action Line KA II.1.2. Die Ziele der Action

 

Line KA II.1.2 lauten: "Die Fähigkeiten von Einzelpersonen

 

und Organisationen mittels neuartiger Wissensmanagement-Lösungen

 

zu unterstützen, die darauf abzielen, Kreativität, Innovation,

 

Kompetenz und Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Von den Projekten

 

wird erwartet, dass sie neuartige intelligente Wissensmanagement-Technologien,

 

-Anwendungen, -Methoden und -Praktiken erforschen und überprüfen,

 

die zum Ziel haben, die zahlreichen unterschiedlichen und häufig

 

unvollständigen und/oder schlecht strukturierten Quellen von

 

individuellem und Unternehmenswissen aufzudecken und zu aktivieren

 

(z.B. Wissen über Produkte, Dienstleistungen, Kunden, Lieferanten,

 

Geschäftspartner ebenso wie internes und externes Fachwissen

 

in allen Formen). Dies schließt fächerübergreifende

 

Lösungen mit ein, die Wissen erfassen, organisieren, gezielt

 

suchen und – allgemeiner gesehen – verwerten, austauschen

 

und damit handeln, um sowohl intra- als auch interorganisationale

 

Aktivitäten zu unterstützen."

 

 

 

Die wahren Herausforderungen im Wissensmanagement bestehen darin,

 

Organisationen auf den radikalen Wandel vorzubereiten, eine Kultur

 

der Zusammenarbeit und Wissensteilung zu schaffen sowie besser zu

 

verstehen, wie und warum Menschen interagieren. Die technologische

 

Forschung ergänzt diese enormen kulturellen und sozialen Herausforderungen,

 

indem sie solch radikalen Wandel ermöglicht. Neue Technologien

 

müssen dazu in der Lage sein, die Zusammenhänge zu verstehen,

 

in denen wir agieren – die Tätigkeiten, in die wir eingebunden

 

sind, die Leute, die uns umgeben, und die Ziele, die wir verfolgen

 

– um auf diesen Informationen aufbauend unsere Bedürfnisse

 

vorauszuahnen und uns den Zugang zu den erforderlichen Diensten

 

zu ermöglichen.

 

 

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Projektbeispiele

 

 

Die Europäische Kommission hat dieses Jahr ein ganz besonderes

 

Cluster-Projekt gestartet, um Synergien zwischen Projekten und Partnern

 

zu schaffen sowie eine kritische Masse zu erreichen, mit der ein

 

größerer Einfluss auf das Wissensmanagement in Europa

 

ausgeübt werden kann: das European

 

Knowledge Management Forum (EKMF). Das EKMF hat zum Ziel, eine

 

unabhängige WM-Community in Europa aufzubauen und zu erhalten.

 

Es möchte eine kritische Masse von WM-Experten und -Praktikern

 

aus Industrie, Beratung, öffentlichem Sektor sowie aus Forschung

 

und Lehre zusammenbringen.

 

 

KM picture
Building the European KM community

 

 

Im EKMF haben Mitglieder die Möglichkeit, in Erscheinung zu

 

treten und neue Wege der Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches

 

zu finden – und sich den Aktivitäten anderer internationaler

 

Wissensmanagement-Netzwerke anzuschließen. Die Mitglieder

 

und besonders die Special Interest Groups erkunden eine große

 

Anzahl breit gefächerter Themen aus Forschung und Praxis. Sie

 

analysieren Trends in Europa, formulieren strategische Visionen

 

und legen die Route für künftige Aktivitäten fest.

 

Sie haben sich zum Ziel gesetzt, allgemeine Konzepte zu identifizieren

 

und Richtlinien sowie weiche Standards für Wissensmanagement

 

zu entwickeln.

 

 

 

Das Forum ist für alle offen und kostenlos zugänglich.

 

In einigen Jahren wird sich das Forum zu einer B2B-Community wandeln,

 

die Anwender und Hersteller gleichermaßen tagtäglich

 

zusammenführt.

 

 

 

Klee&Co,

 

ein ESPRIT-Projekt, hat das Thema "Knowledge & Learning

 

Environments for European & Creative Organisations" (Wissens-

 

und Lernumgebungen für europäische und kreative Organisationen)

 

zum Inhalt. Dabei wurde eine Wissensmanagement-Lösung für

 

kreative und innovative Umfelder entwickelt, die durch informelle

 

Lernprozesse gekennzeichnet sind und auf dem individuellen Gedächtnis

 

basieren. Klee&Co ist auf die Bedürfnisse professioneller

 

und kreativer Arbeit innerhalb des Design- und Innovationsprozesses

 

ausgerichtet und schafft so eine effektive gemeinsame Kultur und

 

Kommunikation.

 

 

klee picture
The document is the portal

 

 

Die Lösung hat die Form eines gemeinschaftlichen Umfelds,

 

das auf einem Bündel von Werkzeugen zum Wissenteilen basiert.

 

Innerhalb eines Speichers können Mitarbeiter sehr leicht Dokumente

 

finden, die in anderen Projekten entstanden sind, Mitarbeiter können

 

mit Kunden und Projektpartnern kommunizieren, Präsentationen

 

ansehen etc. In diesem dokumentenzentrierten Ansatz sind alle relevanten

 

Informationen über einen einzigen Bildschirm zugänglich,

 

der den Benutzer auch mit anderen Menschen, Dokumenten, Schlagworten

 

und E-Mails verbindet. Dieser "Blick im Zusammenhang"

 

ist ein völlig neuer Weg.

 

 

 

NIMCube entwickelt

 

derzeit ein auf Wiederverwendung und gleichzeitiger Schaffung von

 

neuem Wissen ausgerichtetes Leistungsmess-System (Performance Measurement

 

System, PMS) für die europäische Forschungs- und Entwicklungsindustrie

 

sowie eine allgemein gültige Beurteilungsmethode als leistungsstarkes

 

Werkzeug für Unternehmen, um die Bereitschaft und Fähigkeit

 

zur Wiederverwendung und Schaffung von neuem Wissen einschätzen

 

und verbessern zu können.

 

 

Nim picture
Measuring knowledge

 

 

Das Konzept umfasst fünf Module, die wiederum mit einer innovativen

 

Software-Lösung (NIMSoft) verknüpft sind:

 

 

  • eine Leistungsmess-Methode und ein Leistungsmess-Modell (NIMMeasure)
  • einen Katalog zur Messung von Erfindungen und von der Wiederverwendung von Wissen (NIMCatalogue)
  • eine Leistungsmess-Infrastruktur (NIMStore)
  • einen Implementierungspfad für die oben genannten Module (NIMPlant)
  • ein Assessment-Tool für Erfindungen und die Wiederverwendung von Wissen (NIMRate)

 

 

Die entwickelten Lösungen verbessern die Fähigkeit eines

 

Unternehmens, bereits bestehendes Wissen effizient wiederzuverwenden

 

und gleichzeitig neues Wissen zu schaffen. Darüber hinaus unterstützen

 

sie das strategische und operationale Performance-Management. Das

 

PMS von NIMCube erlaubt die Beurteilung von Wiederverwendungs- und

 

Erfindungsflüssen in der Organisation. Die Beurteilung basiert

 

auf einem Bündel von Kennzahlen und zeigt den Entwicklungsprozess

 

neuer Produkte, die Wiederverwendung, Erfindung, Nutzung, die förderlichen

 

Rahmenbedingungen und die Leistungsfähigkeit von Wissen an.

 

 

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Zusammenfassung

 

 

Innovation wird der Motor der künftigen Wissensgesellschaft

 

sein. Soll also Europa die wettbewerbsfähigste Wissensgesellschaft

 

der Welt werden, wie es auf dem EU-Gipfel in Lissabon als politisches

 

Ziel vereinbart wurde, muss es die innovativste Region der Welt

 

werden. Um dies zu erreichen, müssen interdisziplinäre

 

Forscher zusammengebracht und die Umfelder geschaffen werden, in

 

denen Innovation vorangetrieben wird, die zu neuen Formen der Arbeit

 

ermutigen sowie neue Technologien und Praktiken hervorbringen.

 

 

 

Wissensmanagement bietet neue Möglichkeiten für ein effizienteres

 

und qualitätsvolleres Arbeitsleben. Es leistet ebenso einen

 

Beitrag zur Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze, indem

 

es die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit stärkt.

 

 

 

Die Wissensgesellschaft wird nicht über Nacht entstehen. Es

 

müssen immer noch viele grundlegende Herausforderungen bewältigt

 

werden – einige sind mittel- bis langfristiger Natur, andere

 

wiederum beziehen sich eher auf Adaption und auf politische Fragen.

 

Jedenfalls haben die Erfahrungen der IST-Forschungen der Europäischen

 

Kommission auf dem Gebiet von Wissensmanagement gezeigt, dass gut

 

koordinierte Forschungsaktivitäten in Europa sehr bedeutungsvoll

 

für europäische Organisationen sein können und einen

 

wertvollen Beitrag für die Reise in die zukünftige Wissensgesellschaft

 

leisten.

 

 

Seitenanfang

Seitenblick

 

 

Weitere Informationen zu diesen und weiteren EU-Förderprojekten:

 

www.cordis.lu/ist/ka2/al12.htm

 

 

 

Informationen über das EKMF und die Möglichkeit zur Mitgliedschaft:

 

www.knowledgeboard.com

 

oder bei Frithjof Weber (web@biba.uni-bremen.de)

 

 

 

Informationen zu Klee&Co:

 

www.kleeandco.org

 

oder bei Dr. Thomas Schael (schael@irso-bep.it)

 

 

 

Informationen zu NIMCube:

 

www.nimcube.com

 

oder bei Norman Roth (norman.roth@iao.fhg.de)

 

und Juan Prieto (juan.prieto@iao.fhg.de)

 

 

 

 

 

Die Äußerungen dieses Textes spiegeln die persönliche

 

Meinung der Autorin und stehen nicht für die Europäische

 

Kommission.

 

 

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