Fachbeiträge
KM made in Europe: die Herausforderungen für Europa als Wissensgesellschaft
von Anne Jubert
Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensgesellschat der Welt zu werden. Um neuartige Informationstechnologien zu fördern, wurde das IST-Programm gestartet. Dieses initiiert zahlreiche mittel- und langfristige Forschungsprojekte, in denen Werkzeuge und Methoden für künftige Anwendungen in Organisationen entwickelt werden. Anne Jubert stellt einige europäische Wissensmanagement-Projekte vor, die im Rahmen des IST-Programmes gefördert werden.
Von Anne
Inhaltsübersicht:
- Herausforderungen für die Forschung in Europa
- Wissensmanagement-Forschung im IST-Programm
- Projektbeispiele
- Zusammenfassung
- Seitenblick
Auf dem EU-Gipfel am 24. März 2000
in Lissabon hat sich die Europäische Union das anspruchsvolle
Ziel gesetzt, die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensgesellschaft
der Welt zu werden. Dieser Ehrgeiz basiert auf der Notwendigkeit,
die Entwicklung und die breite Anwendung neuartiger Technologien
und Verfahren für Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben.
Der Bereich der Technologien der Informationsgesellschaft ist stark
gewachsen und mittlerweile einer der größten und wichtigsten
in der europäischen Wirtschaft. Heute weist dieser Bereich
einen jährlichen Umsatz von 2 Billionen Euro auf, beschäftigt
europaweit bereits mehr als 12 Mio. Menschen und beeinflusst entscheidend
die Wettbewerbsfähigkeit aller Wirtschaftszweige. Er ist nicht
nur leistungsstarker Motor für wirtschaftliches Wachstum, sondern
schafft auch die Grundlage, um die größten gesellschaftlichen
Herausforderungen in den unterschiedlichsten Bereichen, wie z.B.
Beschäftigung, Bildung und Erziehung, Regierung und Gesundheitswesen,
anzugehen. Darüber hinaus sind die Technologien der Informationsgesellschaft
oftmals Ausgangspunkt neuer Herausforderungen und Fragestellungen,
angefangen bei der Überwindung des so genannten digital divide
bis hin zum Aufbau einer globalen Informationsinfrastruktur, die
Vertrauen und Zuversicht schafft. Gerade hier sind sorgfältig
koordinierte Antworten auf europäischer Ebene erforderlich.
Kurz gefasst:
|
Herausforderungen für die Forschung in Europa
Die Europäische Kommission hat für die Zeitspanne von
1998 bis 2002 das IST-Programm (Information Societies Technologies,
deutscher Titel "Entwicklung einer benutzerfreundlichen Informationsgesellschaft")
gestartet und mit einer Gesamtfördersumme von 3,6 Milliarden
Euro ausgestattet. Dieses Programm unterstützt Forschung, Entwicklung
und Einführung neuartiger IST-Technologien und Anwendungen,
die eine Verbesserung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit
sowie eine höhere Qualität des Arbeitslebens in der aufkommenden
Wissensgesellschaft zum Ziel haben. Das Programm initiiert zahlreiche
mittel- und langfristige Forschungsprojekte, in denen Werkzeuge
und Methoden für künftige Anwendungen in Organisationen
entwickelt werden.
Gleichzeitig treibt das IST-Programm die breit gestreute Einführung
und Verbreitung neuer, sicherer Lösungen und Anwendungen voran.
Dieses Vorhaben unterstreicht die besondere Bedeutung regionaler
und branchenspezifischer Anwendungen von IST-Lösungen durch
kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Dabei findet eine enge Koordination
mit verwandten Aktivitäten, wie z.B. regionalen und nationalen
Initiativen sowie Strukturförderungsfonds, statt.
Wissensmanagement-Forschung im IST-Programm
Wissensmanagement umfasst ein breites Spektrum an Disziplinen und
Forschungsgebieten. Technologische Forschung muss dabei mit Beiträgen
anderer Disziplinen wie Sozial- und Managementwissenschaften verknüpft
werden. Die Philosophie der fächerübergreifenden Forschung
prägt das IST-Programm und ist besonders auf dem Gebiet Wissensmanagement
zu spüren.
Wissensmanagement-Aktivitäten und -Initiativen erfüllen
keinen Selbstzweck es nützt Organisationen wenig, wenn
sie Wissen um des Wissens willen teilen. Darum behält das IST-Programm
stets das klare Ziel im Auge, das Innovationspotenzial der europäischen
Organisationen zu erhöhen. Denn Innovation ist der Schlüssel
für den Fortbestand jedes Unternehmens und erlaubt Organisationen,
besser und schneller auf Herausforderungen seitens des Marktes,
der Wirtschaft und der Gesellschaft zu reagieren. In den vergangenen
Jahren hat sich das Augenmerk der Wissensmanagement-Forschung vom
Technology Push, worin Beiträge aus dem Geschäftsprozess-Reengineering
und den Informationsmanagement-Technologien vereint werden, hin
zum People Pull, einem Ansatz, bei dem der Mensch im Mittelpunkt
steht, verlagert. Gerade diese Entwicklung untermauert den Bedarf
an fächerübergreifenden Forschungsbeiträgen, um das
genannte Ziel zu erreichen.
Mit dem IST-Programm finanziert die Europäische Kommission
unter dem Slogan "KM made in Europe" derzeit 40 Wissensmanagement-Forschungsprojekte
in der spezifischen Action Line KA II.1.2. Die Ziele der Action
Line KA II.1.2 lauten: "Die Fähigkeiten von Einzelpersonen
und Organisationen mittels neuartiger Wissensmanagement-Lösungen
zu unterstützen, die darauf abzielen, Kreativität, Innovation,
Kompetenz und Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Von den Projekten
wird erwartet, dass sie neuartige intelligente Wissensmanagement-Technologien,
-Anwendungen, -Methoden und -Praktiken erforschen und überprüfen,
die zum Ziel haben, die zahlreichen unterschiedlichen und häufig
unvollständigen und/oder schlecht strukturierten Quellen von
individuellem und Unternehmenswissen aufzudecken und zu aktivieren
(z.B. Wissen über Produkte, Dienstleistungen, Kunden, Lieferanten,
Geschäftspartner ebenso wie internes und externes Fachwissen
in allen Formen). Dies schließt fächerübergreifende
Lösungen mit ein, die Wissen erfassen, organisieren, gezielt
suchen und allgemeiner gesehen verwerten, austauschen
und damit handeln, um sowohl intra- als auch interorganisationale
Aktivitäten zu unterstützen."
Die wahren Herausforderungen im Wissensmanagement bestehen darin,
Organisationen auf den radikalen Wandel vorzubereiten, eine Kultur
der Zusammenarbeit und Wissensteilung zu schaffen sowie besser zu
verstehen, wie und warum Menschen interagieren. Die technologische
Forschung ergänzt diese enormen kulturellen und sozialen Herausforderungen,
indem sie solch radikalen Wandel ermöglicht. Neue Technologien
müssen dazu in der Lage sein, die Zusammenhänge zu verstehen,
in denen wir agieren die Tätigkeiten, in die wir eingebunden
sind, die Leute, die uns umgeben, und die Ziele, die wir verfolgen
um auf diesen Informationen aufbauend unsere Bedürfnisse
vorauszuahnen und uns den Zugang zu den erforderlichen Diensten
zu ermöglichen.
Projektbeispiele
Die Europäische Kommission hat dieses Jahr ein ganz besonderes
Cluster-Projekt gestartet, um Synergien zwischen Projekten und Partnern
zu schaffen sowie eine kritische Masse zu erreichen, mit der ein
größerer Einfluss auf das Wissensmanagement in Europa
ausgeübt werden kann: das European
Knowledge Management Forum (EKMF). Das EKMF hat zum Ziel, eine
unabhängige WM-Community in Europa aufzubauen und zu erhalten.
Es möchte eine kritische Masse von WM-Experten und -Praktikern
aus Industrie, Beratung, öffentlichem Sektor sowie aus Forschung
und Lehre zusammenbringen.
Building the European KM community |
Im EKMF haben Mitglieder die Möglichkeit, in Erscheinung zu
treten und neue Wege der Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches
zu finden und sich den Aktivitäten anderer internationaler
Wissensmanagement-Netzwerke anzuschließen. Die Mitglieder
und besonders die Special Interest Groups erkunden eine große
Anzahl breit gefächerter Themen aus Forschung und Praxis. Sie
analysieren Trends in Europa, formulieren strategische Visionen
und legen die Route für künftige Aktivitäten fest.
Sie haben sich zum Ziel gesetzt, allgemeine Konzepte zu identifizieren
und Richtlinien sowie weiche Standards für Wissensmanagement
zu entwickeln.
Das Forum ist für alle offen und kostenlos zugänglich.
In einigen Jahren wird sich das Forum zu einer B2B-Community wandeln,
die Anwender und Hersteller gleichermaßen tagtäglich
zusammenführt.
ein ESPRIT-Projekt, hat das Thema "Knowledge & Learning
Environments for European & Creative Organisations" (Wissens-
und Lernumgebungen für europäische und kreative Organisationen)
zum Inhalt. Dabei wurde eine Wissensmanagement-Lösung für
kreative und innovative Umfelder entwickelt, die durch informelle
Lernprozesse gekennzeichnet sind und auf dem individuellen Gedächtnis
basieren. Klee&Co ist auf die Bedürfnisse professioneller
und kreativer Arbeit innerhalb des Design- und Innovationsprozesses
ausgerichtet und schafft so eine effektive gemeinsame Kultur und
Kommunikation.
The document is the portal |
Die Lösung hat die Form eines gemeinschaftlichen Umfelds,
das auf einem Bündel von Werkzeugen zum Wissenteilen basiert.
Innerhalb eines Speichers können Mitarbeiter sehr leicht Dokumente
finden, die in anderen Projekten entstanden sind, Mitarbeiter können
mit Kunden und Projektpartnern kommunizieren, Präsentationen
ansehen etc. In diesem dokumentenzentrierten Ansatz sind alle relevanten
Informationen über einen einzigen Bildschirm zugänglich,
der den Benutzer auch mit anderen Menschen, Dokumenten, Schlagworten
und E-Mails verbindet. Dieser "Blick im Zusammenhang"
ist ein völlig neuer Weg.
NIMCube entwickelt
derzeit ein auf Wiederverwendung und gleichzeitiger Schaffung von
neuem Wissen ausgerichtetes Leistungsmess-System (Performance Measurement
System, PMS) für die europäische Forschungs- und Entwicklungsindustrie
sowie eine allgemein gültige Beurteilungsmethode als leistungsstarkes
Werkzeug für Unternehmen, um die Bereitschaft und Fähigkeit
zur Wiederverwendung und Schaffung von neuem Wissen einschätzen
und verbessern zu können.
Measuring knowledge |
Das Konzept umfasst fünf Module, die wiederum mit einer innovativen
Software-Lösung (NIMSoft) verknüpft sind:
- eine Leistungsmess-Methode und ein Leistungsmess-Modell (NIMMeasure)
- einen Katalog zur Messung von Erfindungen und von der Wiederverwendung von Wissen (NIMCatalogue)
- eine Leistungsmess-Infrastruktur (NIMStore)
- einen Implementierungspfad für die oben genannten Module (NIMPlant)
- ein Assessment-Tool für Erfindungen und die Wiederverwendung von Wissen (NIMRate)
Die entwickelten Lösungen verbessern die Fähigkeit eines
Unternehmens, bereits bestehendes Wissen effizient wiederzuverwenden
und gleichzeitig neues Wissen zu schaffen. Darüber hinaus unterstützen
sie das strategische und operationale Performance-Management. Das
PMS von NIMCube erlaubt die Beurteilung von Wiederverwendungs- und
Erfindungsflüssen in der Organisation. Die Beurteilung basiert
auf einem Bündel von Kennzahlen und zeigt den Entwicklungsprozess
neuer Produkte, die Wiederverwendung, Erfindung, Nutzung, die förderlichen
Rahmenbedingungen und die Leistungsfähigkeit von Wissen an.
Zusammenfassung
Innovation wird der Motor der künftigen Wissensgesellschaft
sein. Soll also Europa die wettbewerbsfähigste Wissensgesellschaft
der Welt werden, wie es auf dem EU-Gipfel in Lissabon als politisches
Ziel vereinbart wurde, muss es die innovativste Region der Welt
werden. Um dies zu erreichen, müssen interdisziplinäre
Forscher zusammengebracht und die Umfelder geschaffen werden, in
denen Innovation vorangetrieben wird, die zu neuen Formen der Arbeit
ermutigen sowie neue Technologien und Praktiken hervorbringen.
Wissensmanagement bietet neue Möglichkeiten für ein effizienteres
und qualitätsvolleres Arbeitsleben. Es leistet ebenso einen
Beitrag zur Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze, indem
es die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Die Wissensgesellschaft wird nicht über Nacht entstehen. Es
müssen immer noch viele grundlegende Herausforderungen bewältigt
werden einige sind mittel- bis langfristiger Natur, andere
wiederum beziehen sich eher auf Adaption und auf politische Fragen.
Jedenfalls haben die Erfahrungen der IST-Forschungen der Europäischen
Kommission auf dem Gebiet von Wissensmanagement gezeigt, dass gut
koordinierte Forschungsaktivitäten in Europa sehr bedeutungsvoll
für europäische Organisationen sein können und einen
wertvollen Beitrag für die Reise in die zukünftige Wissensgesellschaft
leisten.
Seitenblick
Weitere Informationen zu diesen und weiteren EU-Förderprojekten:
www.cordis.lu/ist/ka2/al12.htm
Informationen über das EKMF und die Möglichkeit zur Mitgliedschaft:
oder bei Frithjof Weber (web@biba.uni-bremen.de)
Informationen zu Klee&Co:
oder bei Dr. Thomas Schael (schael@irso-bep.it)
Informationen zu NIMCube:
oder bei Norman Roth (norman.roth@iao.fhg.de)
und Juan Prieto (juan.prieto@iao.fhg.de)
Die Äußerungen dieses Textes spiegeln die persönliche
Meinung der Autorin und stehen nicht für die Europäische
Kommission.
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