Fachbeiträge
Der Skandia Navigator steuert nicht nur das Unternehmensschiff
von Gabriele Vollmar
Bei der Frage nach dem Messen von intellektuellem Kapital kommt die Sprache früher oder später auf den Skandia Navigator. Doch dieser will keinesfalls als Bilanzwerkzeug verstanden werden. Vielmehr dient er – als Navigator – der Steuerung des Unternehmensschiffs. Und nicht nur diesem! In einem Gespräch mit Henrik Danckwardt, Senior Vice President von Skandia, erfuhren wir mehr über die Bedeutung des Navigators für jeden einzelnen Mitarbeiter und die Verflechtung von persönlichen und unternehmerischen Zielen. Wenn Sie wissen möchten, welche Rolle dabei ein Gitarrenlehrer spielt, lesen Sie unser Interview.
Der Skandia Navigator steuert nicht nur das Unternehmensschiff
Wenn es um die Frage geht, wie Wissen
gemessen und intellektuelles Kapital bewertet werden können,
kommt man in der Diskussion früher oder später auf den
Skandia Navigator als erfolgreiches Beispiel zu sprechen. Die Einbrüche
am Neuen Markt haben jedoch gerade in letzter Zeit auch gezeigt,
wie unsicher solche Bewertungen von intellektuellem Kapital sind.
Wie sicher sind die so genannten intellektuellen Bilanzen? Und kann
der Skandia Navigator dabei helfen, gefährliche Klippen zu
umschiffen und die Unternehmensposition exakt zu bestimmen?
Wir trafen Henrik Danckwardt, Senior
Vice President von Skandia, auf dem marcus evans Knowledge Summit
in Versailles und sprachen mit ihm über das Messen von Wissen,
die Unternehmenskultur von Skandia und die Verflechtung von persönlichen
und unternehmerischen Zielen.
wm: Herr Danckwardt, bevor wir uns über
den Skandia Navigator als Instrument des Wissensmanagements unterhalten,
möchte ich Sie nach Ihrer Definition von Wissensmanagement
fragen.
Danckwardt: Meine Definition von Wissensmanagement
ist nicht aufregend neu: die richtige Information zur rechten Zeit
am rechten Ort. Nun, das ist das Ziel. Der beste Weg dorthin ist
es, Wissen zu teilen. Das Teilen ist der wesentlichste Aspekt von
Wissensmanagement. Doch Wissen zu teilen, ist uns nicht angeboren
oder vielleicht ist es uns auch nur wieder aberzogen, auf jeden
Fall muss es gelernt werden.
wm: Wie lernen die Mitarbeiter und Manager
von Skandia, ihr Wissen zu teilen?
Danckwardt: Der erste Schritt war, das
Teilen von Wissen als einen der wesentlichen Werte unseres Unternehmens
zu definieren und zu propagieren. Dazu gehört auch z.B., diejenigen
Vorgesetzten zu ermutigen, die sich für die Weiterentwicklung
ihrer Mitarbeiter engagieren. Die Unternehmenskultur von Skandia
baut auf das individuelle Engagement jedes Mitarbeiters, seine Bereitschaft,
Neues zu lernen und Verantwortung für die eigenen persönlichen
Ziele zu tragen. Wir erwarten, dass alle unsere Mitarbeiter sich
dabei zugleich der Gesamtorganisation verbunden fühlen.
Solche Veränderungen, die sich auf die Wertvorstellungen und
Verhaltensweisen auswirken, brauchen aber ihre Zeit. Auch Skandia
hat diesen Prozess noch nicht abgeschlossen, aber wir haben uns
auf den Weg gemacht.
"Was nützt der schön gedeckte Tisch, wenn ich vergesse, die Gäste einzuladen?" |
wm:
Wie sah dieses Sich-auf-den-Weg-machen denn genau aus?
Danckwardt: Am Anfang standen sicher
eine starke Vision des Top-Managements sowie dessen fester Glaube
an die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens. Auch hatte Skandia
das Glück, sehr starke Persönlichkeiten an der Spitze
zu haben, die es verstanden, ihre Überzeugungen mit Charisma
mitzuteilen. Denn was nützt der schön gedeckte Tisch,
wenn ich vergesse, die Gäste einzuladen?
Wenn ich erwarte, dass sich meine Mitarbeiter mit der Vision identifizieren
und verstehen, welche Rolle sie selbst in dieser Vision spielen
können und nur dann kann sie realisiert werden ,
muss ich zunächst dafür sorgen, dass die Vision überhaupt
verstanden wird. Der Skandia Navigator dient dazu, die Vision des
Unternehmens herunterzubrechen auf konkrete Handlungen für
jeden einzelnen Mitarbeiter.
wm: Individuelle Ziele einerseits, globale
Ziele des Unternehmens andererseits wie sind diese verflochten?
Danckwardt: Natürlich muss die persönliche
Leistung mit den umfassenden Unternehmenszielen verknüpft sein.
Um diese Verknüpfung zu steuern, kann das so genannte Process
Model, auf dem auch der Skandia Navigator beruht, eingesetzt werden
und zwar auf der Unternehmensebene, der Geschäftseinheits-
und Teamebene sowie der individuellen Ebene.
Im Process Model werden Vision und Strategie zu konkreten Aktivitäten.
Diese wiederum werden mit Indikatoren versehen, die überprüfen
helfen, inwieweit diese geplanten Aktivitäten in die Tat umgesetzt
werden. Auf der Unternehmensebene nun können die bezeichnendsten
dieser Indikatoren im Navigator präsentiert werden. Der Navigator
vermittelt dann einen ausgewogenen Blick auf Vergangenheit (Finanzfokus),
Gegenwart (Kunden-, Mitarbeiter- und Prozessfokus) und Zukunft (Erneuerungs-
und Entwicklungsfokus). Er verdeutlicht, ob die Fahrt des Unternehmensschiffes
in die richtige Richtung geht.
Das Process Modell, um darauf zurückzukommen, konkretisiert
das Ganze, macht es direkt handlungsrelevant und zwar eben auch
für den einzelnen Mitarbeiter. Jeder Skandia-Mitarbeiter kann
sein individuelles Process Model mit eigenen Inhalten füllen
und so zur Steuerung der persönlichen Entwicklung nutzen. Darüber
hinaus dient das Process Model der angesprochenen Verknüpfung
von globalen und individuellen Zielen, indem diejenigen globalen
Unternehmensziele, die den Mitarbeiter betreffen, Eingang auch in
das individuelle Process Model finden. So kann z.B. "Wissen
teilen" als persönliche Aktivität ausgewiesen werden.
Das Process Model hilft mir dabei, die so genannten Critical Success
Factors (CSF) in Abhängigkeit von der persönlichen sowie
der globalen Vision und Zielgestaltung zu identifizieren und weist
auf Aktivitäten hin, die notwendig sind, um die CSF zu realisieren.
Unter dem Strich kann jeder einzelne Mitarbeiter, genauso wie sein
Team, seine Geschäftseinheit oder das ganze Unternehmen, erkennen,
ob die eigenen Aktivitäten ihn seinen Zielen und denen des
Unternehmens tatsächlich näher bringen oder nicht.
Der Navigator, dessen Inhalte auf dem Process Model basieren, kann
als eine Art Frühwarnsystem dienen. Er erlaubt es aber auch,
das Erreichte zu kommentieren und zu kommunizieren. Gerade die Kommunikation
erfolgt natürlich im Rahmen eines Intranets sehr viel komfortabler
und einfacher. Deshalb gibt es das Dolphin Navigator System, eine
Art Intranet-Version des Skandia Navigators, das dessen Funktionalitäten
webbasiert abbildet. Hier können Sie während des Navigierens
z.B. einzelne Geschäftseinheiten eines Geschäftsbereichs
vergleichen oder Sie können eigene Schlüsselindikatoren
für andere Anwender veröffentlichen. Das Dolphin System
soll nicht nur ein Berichtsystem sein, sondern vielmehr ein Werkzeug
für Kommunikation, Information und Lernen.
"Die kontinuierliche Weiterbildung jedes
einzelnen Mitarbeiters ist unglaublich wichtig, zugleich aber nicht
immer sinnvoll zentral zu steuern"
wm:
Sie betonen sehr stark die Verknüpfung von globaler und persönlicher
Strategie, aber auch die Verantwortung jedes Einzelnen für
die persönliche Entwicklung im Rahmen der Unternehmensentwicklung.
Wie kann das konkret aussehen?
Danckwardt: Vor ca. 15 Jahren hatte Skandia
eine hochqualifizierte IT-Abteilung mit Schwedens besten Mainframe-Spezialisten.
Leider wurde die Mainframe-Technologie von anderen Technologien
abgelöst. Das exzellente Fachwissen war plötzlich wertlos,
für die Weiter- oder vielmehr Umbildung der Mitarbeiter musste
Skandia viel Zeit und Geld investieren. Das war eine im wahrsten
Sinne des Wortes wertvolle Erfahrung. Wir haben gelernt,
dass die kontinuierliche Weiterbildung jedes einzelnen Mitarbeiters
unglaublich wichtig, zugleich aber nicht immer sinnvoll zentral
zu steuern ist.
Daraus entstanden ist die so genannte Competence Insurance: Jeder
Mitarbeiter kann bis zu 5% des Gehalts ansparen, den gleichen Betrag
legt der Arbeitgeber dazu. So kann Geld angespart werden, das in
die eigene Weiterbildung investiert wird. Diese Weiterbildung geht
dabei durchaus über das engere berufliche Umfeld hinaus; so
kann z.B. ein Buchhalter sich im Personalwesen weiterbilden, weil
dies Teil seiner persönlichen Zielsetzung ist. Er kann das
angesparte Kapital aber auch in eine Ausbildung zum Gitarrenlehrer
investieren und Skandia dann verlassen. Im Vordergrund steht die
persönliche Weiterentwicklung.
Im Dolphin Navigator kann der Mitarbeiter selbst seine Fähigkeiten
und den Entwicklungswunsch eintragen. Das System gibt dann automatisch
Ratschläge für mögliche Weiterbildungen oder der
Mitarbeiter kann simulieren, wie lange er z.B. 2% des Gehalts ansparen
muss, um ein viermonatiges Sabbatical einlegen zu können. Darüber
hinaus kann der Mitarbeiter seine private Buchhaltung und Finanzplanung
ebenfalls über Dolphin abwickeln. Dessen Anwendung ist übrigens
freiwillig. Die Mitarbeiter sollen sich vom Nutzen überzeugen
lassen.
wm: Wenn Sie es Ihren Mitarbeitern erlauben,
sich den Traum vom Gitarrenlehrerdasein zu erfüllen, ist das
zwar sehr löblich, löst aber nicht das Problem, wie ein
Unternehmen die Mitarbeiter für zukünftige Herausforderungen
qualifizieren kann, siehe Mainframe.
Danckwardt: Das Gitarrenlehrer-Beispiel
ist natürlich extrem. Ich wollte damit einfach zeigen, dass
der Mitarbeiter wirklich die Verantwortung und damit auch die Freiheit
in Bezug auf seine Weiterentwicklung hat. Hier ist jetzt aber auch
von Bedeutung, was ich zu Anfang zur Unternehmenskultur und der
Verquickung der globalen mit den persönlichen Zielen sagte:
Mitarbeiter, die sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, dessen
Vision und Ziele kennen, verstehen, interpretieren und in Handlung
übersetzen können, werden im Normalfall auch ihre eigene
Entwicklung weitgehend entsprechend ausrichten. Ein Unternehmen
sollte außerdem seinen Mitarbeitern unbedingt Vertrauen entgegenbringen.
"Der Skandia Navigator ist kein Modell, um intellektuelles Kapital in harte Bilanzzahlen umzuwandeln" |
wm:
Vertrauen, Mitarbeiterfreiräume, Kommunikation das ist
nicht das Wissensmanagement-Bild, das man gemeinhin mit Skandia
verbindet. Da geht es eher um harte Zahlen, Bilanzen, das Messen
von Wissen...
Danckwardt: Diese Einschätzung beruht
auf einem falschen Verständnis des Skandia Navigators. Dieser
ist ein Werkzeug des strategischen Managements, ein Navigator eben,
und kein Modell, um intellektuelles Kapital in harte Bilanzzahlen
umzuwandeln, wie oft falsch kommuniziert wird. Im Gegensatz zur
Balanced Scorecard, aus der der Navigator hervorgegangen ist, ist
dieser noch stärker strategieorientiert.
Und was nun das Messen von intellektuellem Kapital angeht, so hat
das sehr viel mit Intuition zu tun, wobei der Navigator wichtige
Anhaltspunkte liefern kann mehr aber auch nicht.
wm: Nichtsdestotrotz hat es Skandia verstanden,
aus seinem Wissen Kapital zu machen.
Danckwardt: Aber ja, wir sind schließlich
ein Wirtschaftsunternehmen! So haben wir die Geschäftseinheit
Skandia Netline gegründet, die unter anderem auch die Competence
Insurance oder andere im Umfeld von Wissensmanagement entstandene
Ideen aktiv als Produkt vermarktet. So entsteht aus Humankapital,
d.h. den Mitarbeiterqualifikationen, Strukturkapital des Unternehmens
und schließlich Finanzkapital.
wm: Herr Danckwardt, wir danken Ihnen
für dieses Gespräch.
Das Gespräch führte Gabriele
Vollmar.
Möchten Sie den Dolphin Navigator selbst ausprobieren? |
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