Fachbeiträge
Die Werkzeuge des Wissensmanagements
von Egbert Föcker
Mit dem Schlagwort "Wissensmanagement" schmückt sich eine Vielzahl von Software-Systemen, verspricht dieses Etikett derzeit doch steigende Absatzzahlen. Allerdings leistet noch lange nicht jedes Tool tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zu einem effizienten Wissensmanagement im Unternehmen. Egbert Föcker durchleuchtet den unübersichtlichen Markt der so genannten Wissensmanagement-Software und gibt einen Überblick über die verschiedenen Werkzeuge des Wissensmanagements.
Von Egbert
Inhaltsübersicht:
- Wissen identifizieren
- Wissen dokumentieren
- Wissen verwalten
- Wissen organisieren
- Wissen verbreiten
- Ganzheitliche Wissensmanagement-Systeme
Das Schlagwort
"Wissensmanagement" findet sich in einer Vielzahl von
Produktbeschreibungen von Software-Systemen. Die Anbieter dieser
Software-Systeme erhoffen sich damit einen besseren Absatz ihrer
Produkte, da das Thema Wissensmanagement zu den bedeutsamsten und
anspruchsvollsten Herausforderungen für Unternehmen der Wissensgesellschaft
gezählt wird. Jedoch nicht jedes Software-System, das sich
mit diesem Schlagwort schmückt, leistet auch wirklich einen
nennenswerten Beitrag zum Wissensmanagement in Unternehmen. Im folgenden
Beitrag wird der Markt für Wissensmanagement-Software durchleuchtet
und ein Überblick über die verschiedenen Werkzeuge des
Wissensmanagements gegeben.
Die Identifikation
der vorhandenen Wissensressourcen ist die Basis aller weiteren Aktivitäten
zum Aufbau eines Wissensmanagement-Systems. In diesem Schritt wird
eine Bestandsaufnahme durchgeführt, die vorhandenen Wissensressourcen
werden anhand der festgelegten Ziele bewertet und Wissensdefizite
aufgedeckt. Modellierungswerkzeuge bieten für diese Phase eine
Unterstützung. Sie erlauben die Analyse von Geschäftsprozessen
unter wissensorientierten Aspekten und bieten teilweise eine Visualisierung
der Wissensressourcen in Wissenslandkarten. Durch die grafische
Darstellung von Ergebnissen und Erkenntnissen wird eine verständliche
Gesprächsgrundlage geschaffen, die eine intensive Diskussion
mit den Mitarbeitern aus den verschiedenen Fachbereichen möglich
macht.
Als Beispiele
für Modellierungswerkzeuge seien die Produkte ARIS Toolset
der IDS Scheer AG, INCOME der PROMATIS AG sowie Microsoft Visio
genannt.
Damit Wissen
von Software-Systemen verwaltet, organisiert und verbreitet werden
kann, muss es als Information dokumentiert bzw. expliziert werden.
Die Dokumentation von Wissen ist der zentrale Schritt für softwarebasiertes
Wissensmanagement. Jedoch nicht das gesamte Wissen einer Organisation
kann als Information dokumentiert werden. Wissen wird häufig
bei der Kommunikation zwischen Personen ausgetauscht. Hier bieten
Diskussionsforen die Möglichkeit, asynchrone Kommunikation
zu unterstützen und diese für andere Personen nachvollziehbar
zu dokumentieren.
Häufig
ist Wissen bereits dokumentiert, liegt aber in Dokumenten vor, die
für andere Personen als den Ersteller selbst nicht auffindbar
und damit nutzbar sind. Solche Dokumente entstehen beispielsweise
als Berichte im Rahmen von Projekten und werden mit klassischen
Bürowerkzeugen wie Textverarbeitungsprogrammen und Präsentations-Software
erstellt. Lässt sich Wissen strukturieren, können Formulare
zur Erfassung und Speicherung genutzt werden.
Diskussionsforen
und Formulare sind klassische Funktionalitäten, die unter anderem
von Groupware-Plattformen wie Lotus Domino und Microsoft Exchange
angeboten werden.
Ist Wissen
oder das Wissen über Erfahrungen und Qualifikationen von Personen
als Information dokumentiert, so muss diese geeignet verwaltet werden.
Die Verwaltung von Wissen meint die Speicherung, Ablage und Bereitstellung
des dokumentierten Wissens. Für die Verwaltung und Recherche
von Dokumenten bieten sich insbesondere Dokumentenmanagement-Systeme
an: Dokumente, die von Dokumentenmanagement-Systemen verwaltet werden,
werden durch ausführliche Meta-Informationen beschrieben, die
für die Recherche nutzbar sind. Weitere Funktionen sind die
Versionsverwaltung und Mechanismen zur Vermeidung von Zugriffskonflikten
(z.B. über Check-in- und Check-out-Mechanismen). Neben der
Suche über die Meta-Informationen der Dokumente wird auch eine
Volltextsuche im Dokumenteninhalt geboten. Die Zahl der Anbieter
im Dokumentenmanagement-Markt ist sehr groß. Als Beispiele
seien hier die Anbieter Documentum, Hummingbird und SER genannt.
Wenn nicht
dokumentiertes Wissen, sondern das Wissen über Wissensträger
verwaltet werden soll, leisten Skill-Management-Systeme eine hilfreiche
Unterstützung. Skill-Management-Systeme erlauben die Speicherung
von Qualifikations- und Erfahrungsprofilen zu Personen. Während
in Qualifikationsprofilen strukturierte Informationen mit einem
zuvor festgelegten Klassifikations-Schema festgehalten werden (z.B.
Qualifikation "Englischkenntnisse" mit den Ausprägungen
"Grundkenntnisse", "fließend" und "in
Wort und Schrift"), erlauben Erfahrungsprofile eine freie Beschreibung
von Kenntnissen. Erfahrungsprofile können damit genutzt werden,
um Qualifikationen zu dokumentieren, die noch nicht bewertet werden
können oder um auf Erfahrungsprozesse hinzuweisen, die zu einer
bestimmten Qualifikation geführt haben. Als Anbieter von Skill-Management-Systemen
seien Meta4, GFT Systems und SkillView Technologies genannt.
Skill-Management-System METAskill von GFT Systems |
Durch die Kopplung
von Skill-Management-Systemen mit Projektmanagement-Systemen kann
die häufig auftretende Frage beantwortet werden, ob eine Person
mit der richtigen Qualifikation, die für ein neues Projekt
benötigt wird, auch für das Projekt zur Verfügung
stehen kann.
Ziel der Organisation
von Wissen ist es, zum einen eine Wissensbasis zu pflegen und sie
damit aktuell und attraktiv zu halten und zum anderen Wissen so
zu klassifizieren und anzubieten, dass es zu keiner Informationsüberflutung
bei den Benutzern kommt.
Eine Basistechnologie
zur Unterstützung der Organisation von Wissen sind Workflowmanagement-Systeme.
Diese bieten einfache Freigabe- und Review-Prozesse von Informationen.
Auch können Informationen mit einem Zeitstempel, also einer
Art Haltbarkeits-Datum, versehen werden. Nach Ablauf dieses Datums
können Prozesse gestartet werden, die ein Überprüfen
und Entfernen der Informationen veranlassen. Workflowmanagement-Funktionalität
zur Organisation von Wissen findet sich häufig in Unternehmensportalen
und Content-Management-Systemen.
Eine andere
Form der Unterstützung für die Organisation von Wissen
bieten Klassifikations-Systeme. Diese erlernen über vorgegebene
Beispiele, wie Dokumente vorgegebenen Bereichen zugeordnet werden.
Diese Technologie, die ursprünglich für die automatische
Klassifikation von Eingangsdokumenten entwickelt wurde, findet vermehrt
Einsatz in so genannten Wissensmanagement-Systemen. Damit können
Dokumente mit ähnlichen Themen und Inhalten identifiziert und
so Benutzern, beispielsweise über ein Unternehmensportal, angeboten
werden. Führende Anbieter von Klassifikations-Systemen sind
SER und Autonomy.
Alle zuvor
vorgestellten Werkzeuge und Basistechnologien des Wissensmanagements
helfen natürlich wenig, wenn das dokumentierte Wissen nicht
dorthin gelangt, wo es benötigt wird. Bei den Werkzeugen zur
Verbreitung von Wissen kann zwischen Pull- und Push-Techniken unterschieden
werden: Bei Pull-Techniken wird das Bereitstellen von Informationen
durch den Benutzer initiiert. Bei Push-Techniken wird das Bereitstellen
von Informationen durch einen Absender initiiert, wobei dieser Absender
sowohl eine Person als auch ein Software-System sein kann.
Groupware-Plattformen
bieten Unterstützung für das Verbreiten von Wissen. Als
Groupware-Plattformen werden Software-Systeme bezeichnet, die verschiedene
Groupware-Basisfunktionalitäten für die Entwicklung von
individuellen Groupware-Anwendungen anbieten und damit Unterstützung
für Gruppen-, Team- und Projektarbeit bieten. Die Funktionalität
der gemeinsamen Arbeitsbereiche (shared workspaces) ist aus Sicht
des Wissensmanagements besonders hervorzuheben, da damit ein projekt-
oder teamorientierter Zugriff auf eine Vielfalt von Informationsressourcen
von unterschiedlichen Orten aus ermöglicht wird. Lotus Domino
und Microsoft Exchange sind die Marktführer in diesem Segment.
Integrierende
Retrieval-Systeme ermöglichen die Integration verschiedener
Informationssysteme und -quellen für Suchanfragen und ermöglichen
damit die gleichzeitige Suche über mehrere Informationsquellen
mit einer Suchanfrage. Als Beispiele für externe Informationsquellen,
die integriert werden können, seien Groupware-Plattformen,
Dateisysteme, Dokumentenmanagement-Systeme und Internet-Seiten genannt.
Integrierende Retrieval-Systeme findet man sowohl als separate Produkte
(z.B. von Hummingbird) wie auch als Bestandteil von Unternehmensportalen
(z.B. von Autonomy und Hyperwave).
Push-Kanäle
sind eine weitere Basistechnologie für das Verbreiten von Wissen
als Information. Sie basieren in der Regel auf E-Mail-Verteilern,
die abonniert werden können und die Historie der verbreiteten
Informationen archivieren und damit recherchierbar machen.
Im Gegensatz
zu Push-Kanälen arbeiten Agenten- und Notifikations-Systeme
regelbasiert. Sie überwachen Zustandsänderungen (z.B.
das Einstellen eines neuen Dokumentes zu einem bestimmten Thema)
und benachrichtigen den Besitzer des Agenten- bzw. Notifikations-Systems.
Eines der wichtigsten
Werkzeuge für die Informationsversorgung von Wissensarbeitern
sind Unternehmensportale. Unternehmensportale bieten zentralen Zugriff
auf Informationen. Es können vier Typen von Unternehmensportalen
unterschieden werden:
- Publishing Portals
- Collaborative Portals
- Decision Portals
- Operational Portals
Typen von Unternehmensportalen |
Aus Sicht des
Wissensmanagements sind die Publishing und Collaborative Portals
von besonderem Interesse, da diese für das Verbreiten von dokumentiertem
Wissen besonders geeignet sind. Publishing Portals haben ihren Dienste-Schwerpunkt
in der Bereitstellung von Informationen und werden zumeist über
Content-Management-Systeme realisiert. Häufig ermöglichen
Publishing Portals eine Personalisierung des Informationsangebotes
auf die Informationsbedürfnisse des Benutzers. Als Anbieter
findet man in diesem Marktsegment z.B. die Firmen Autonomy, Hyperwave,
Verity, Gauss und Infopark. Collaborative Portals ermöglichen
neben der Publikation von Informationen die Zusammenarbeit von Personen
über verschiedene Standorte hinweg. Dazu werden über das
Portal Groupware- und Dokumentenmanagement-Funktionen angeboten.
Open Text, Hyperwave und Documentum zählen zu den bedeutenden
Anbietern von Collaborative Portals.
Collaborative Portal Livelink von Open Text |
Ganzheitliche Wissensmanagement-Systeme
Unternehmensportale
machen einen wesentlichen Trend erkennbar: Das Zusammenwachsen von
Wissensmanagement-Basistechnologien zu ganzheitlichen Wissensmanagement-Systemen.
Der separate Einsatz der meisten Wissensmanagement-Basistechnologien
bringt in der Regel einen vergleichsweise kleinen Nutzen. Werden
die einzelnen Technologien jedoch intelligent zu einer integrierten
Wissensmanagement-Lösung kombiniert, so wächst der Nutzen
für eine Organisation um ein Vielfaches.
Ganzheitliche
Wissensmanagement-Systeme sollten die Phasen Wissen dokumentieren,
Wissen verwalten, Wissen organisieren und Wissen verbreiten unterstützen.
Auch die Unterstützung von mobilen Mitarbeitern nimmt an Bedeutung
zu und sollte entsprechend berücksichtigt werden. Allerdings
darf bei der Auswahl eines geeigneten Wissensmanagement-Systems
für eine Organisation nicht vergessen werden, dass die Einführung
und der Betrieb einer solchen Lösung auch umfangreiche organisatorische
Maßnahmen erfordert.
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