Fachbeiträge
Mentale Verfahren zur Förderung der Innovationskompetenz
von Reinhard Munzert
Innovative Projekte sind für den Unternehmer oder Manager wie Formel-1-Rennen: Hier kann er zeigen, dass er die Technik beherrscht und über die erforderliche mentale Stärke verfügt. Neben technischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, organisatorischen und finanziellen Bedingungen tragen vor allem auch mentale Voraussetzungen zur Entstehung und Verwirklichung von Innovationen bei. Aus diesem Grund hat Reinhard Munzert den Ansatz InnoAktiv entwickelt, der insbesondere die mentalen Faktoren der Innovation fördert. Dieser Ansatz wurde in der Ausgabe März 2001 von wissensmanagement – Das Magazin für Führungskräfte mit dem Beitrag "Eine gute Idee spart 1.000 Stunden harte Arbeit" vorgestellt. Im Folgenden können sich nun – nicht nur! – die Leserinnen und Leser der gedruckten Ausgabe vertiefend über mentale Verfahren zur Förderung der Innovationskompetenz informieren.
Von
Inhaltsübersicht:
- Bewusstmachen von Stärken und Schwächen
- Veränderung des inneren Redens und Einsatz geeigneter Selbstaufforderungen
- Hartnäckigkeit, Erfolgs-Sampling und Selbstvertrauen
- Mentale Vorbereitung auf belastende Situationen
- Stärkung der Selbststeuerungsfähigkeit und dynamische Umsetzung kreativer Ideen
- Strategisches Denken und Handeln (Schach als Fördermaßnahme)
Innovative
Projekte sind für den Unternehmer oder Manager wie Formel-1-Rennen:
Hier kann er zeigen, dass er die Technik beherrscht und über
die erforderliche mentale Stärke verfügt. Neben technischen,
wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, organisatorischen
und finanziellen Bedingungen tragen auch mentale Voraussetzungen
zur Entstehung und Verwirklichung von Innovationen bei. Dies gilt
gleichermaßen für die Gründung und erfolgreiche
Führung von Unternehmen. Besonders relevant für zukunftsorientierte
Unternehmen ist dabei auch die Innovations-Mentalität der Führungskräfte
und Mitarbeiter, also die geistige Einstellung gegenüber Neuerungen
eine Denkweise, die an Kreativität interessiert ist
und Innovationen hervorbringt.
Deshalb habe
ich auf wissenschaftlicher Grundlage den Ansatz InnoAktiv entwickelt,
der vor allem die mentalen Faktoren der Innovation fördert.
Dieser Ansatz wurde in der Ausgabe
März 2001 von wissensmanagement Das Magazin für
Führungskräfte mit dem Beitrag "Eine gute Idee spart
1.000 Stunden harte Arbeit" vorgestellt. Im Folgenden können
sich nun nicht nur! die Leserinnen und Leser der gedruckten
Ausgabe vertiefend über mentale Verfahren zur Förderung
der Innovationskompetenz informieren.
Die größten
Hemmnisse bzw. mentalen Barrieren auf dem Weg zu Innovationen sind
das Festhalten am Gewohnten, die Furcht vor Veränderungen,
mangelndes Selbstvertrauen, Bequemlichkeit, fehlende Risikobereitschaft
und manchmal auch ein frühzeitiges Zufriedensein mit dem Erreichten.
Wer beispielsweise Angst hat, Fehler zu machen, wird kaum innovativ
tätig sein. Für all diese Probleme können mentale
Verfahren herangezogen werden, von denen hier einige vorgestellt
und mit Beispielen erläutert seien. (Eine ausführliche
allgemeine Darstellung mentaler Methoden findet sich in [1].)
Bewusstmachen von Stärken und Schwächen
Die erste Voraussetzung
für viele Veränderungen ist das Bewusstmachen der entsprechenden
Problematik bzw. damit in Zusammenhang stehender Schwächen
und Stärken einer Persönlichkeit, einer Organisation oder
eines Teams. Das Erkennen von Fehleinstellungen und die aktive geistige
Auseinandersetzung damit spielen bei vielen mentalen Methoden eine
zentrale Rolle. Beispiele für ungünstige Haltungen im
Innovationsbereich sind Perfektionismus, Angst vor Kritik oder rasches
Aufgeben bei Rückschlägen.
Genauso wichtig
wie die Beachtung von Unzulänglichkeiten und Defiziten ist
das Bewusstmachen eigener Stärken und Ressourcen. Eine Liste
Ihrer mentalen Vorzüge und Schwächen, Ihrer Möglichkeiten
und Chancen ist hierzu empfehlenswert (siehe dazu den Innovations-Check-up
in [2]). Selbstverständlich
gilt es auch, die Vorteile aufzuzeigen, die gelungene Innovationen
für alle Beteiligten mit sich bringen.
Die oberste
Regel bei Problembeseitigung und Chancenoptimierung lautet also:
Schwächen und Stärken müssen bewusst gemacht werden!
Damit in Zusammenhang stehende ungeeignete Einstellungen bzw. falsche
Ansichten müssen korrigiert werden, so dass die geistige Sichtweise
der Dinge besser der Wirklichkeit oder Aufgabenstellung entspricht
als vorher (Stichwort: kognitive Veränderung).
In den meisten
Fällen genügt das Erkennen und Im-Bewusstsein-Halten einer
Schwäche nicht, um sie zu beseitigen. Diese notwendigen Schritte
müssen durch gezieltes Trainieren der erwünschten Erlebens-
und Handlungsweisen ergänzt werden. Hierbei ist das innere
Reden von enormer Wichtigkeit.
Veränderung des inneren Redens und Einsatz
geeigneter Selbstaufforderungen
Was wir innerlich
zu uns selbst sagen, bestimmt oft unser weiteres Handeln. Es wird
durch Forschung und Erfahrung immer deutlicher, dass die positive
Veränderung des inneren Redens der Menschen von größter
Bedeutung für ihr Handeln und ihren Erfolg ist. Es ist kein
Geheimnis, dass Menschen gedanklich mit sich selbst sprechen. Wenn
Sie genau aufpassen, werden Sie erkennen, dass beim Denken, Planen,
Entscheiden und Handeln oft lautlose Selbstgespräche auftreten.
Häufig handelt es sich dabei nicht um ausgefeilte Formulierungen,
sondern um knappe, verkürzte Sätze bzw. Aufforderungen,
die Ihnen im Telegrammstil durch den Kopf gehen. Achten Sie einmal
darauf, was Sie in einer schwierigen Situation alles zu sich selbst
sagen!
Angenommen,
jemand hätte negative Gedanken und ungünstig ablaufende
Selbstgespräche wie z.B.: "Dieses Projekt wird eine Qual
für mich." Indem ihm diese Gedanken ständig durch
den Kopf gehen, erreicht er natürlich, dass er immer mutloser
und unkonzentrierter wird. Er trägt dadurch selbst dazu bei,
dass seine Befürchtungen Realität werden. Kein Wunder!
Wenn Sie versuchen,
durch inneres Sprechen Ihr Handeln zu steuern, dann bedienen Sie
sich dabei einer Möglichkeit der Selbstbeeinflussung, die zu
den alltäglichen Geschehnissen unseres Lebens gehört.
Das psychische Betriebssystem arbeitet bei den meisten Menschen
auf der bewussten Ebene mit sprachlichen Kommandos und Selbstaufforderungen
sowie mit bildhaften Vorstellungen. Die Psychologie nutzt diese
Möglichkeit, um gezielt konkrete Verhaltensänderungen
zu erreichen. Es geht dabei darum, bewusst und eindringlich bestimmte
Sätze und Aufforderungen innerlich an sich selbst zu richten
oder bestimmte Vorstellungen zu aktivieren. Dies wird so lange trainiert,
bis es verhaltenssteuernd wirkt. Selbstverständlich müssen
Sie bereit sein, auf Ihr inneres Reden zu hören, es ernst zu
nehmen und konsequent danach zu handeln.
Dazu einige
Beispiele: Nach Enttäuschungen kein negatives Denken zulassen
wie z.B.: "Es hat doch keinen Sinn, dann lass ich's halt".
Sondern positives Denken, Selbstaufforderungen (inneres Anfeuern)
und Handeln anwenden: "Bloß nicht aufgeben!", "Dranbleiben!",
"Streng dich an!", "Ich schaff das!",
"Kämpfe und Gewinne!", "Dann mach ich das eben
alleine!", "Never surrender!". Sagen Sie nach Erfolgen
wie viele Spitzensportler zu sich: "Super, das
hast du prima/cool/clever gemacht!".
Hartnäckigkeit, Erfolgs-Sampling und Selbstvertrauen
Basiskomponenten
erfolgreichen innovativen Handelns sind Selbstvertrauen und Hartnäckigkeit.
Wer sich daran macht, Neues zu verwirklichen, kennt es aus eigener
Erfahrung: Man wird nur selten ermutigt, sondern meist entmutigt.
Da begegnet man den Besserwissern und Pessimisten, die sagen: "Das
geht nicht, wir haben es früher schon versucht", "Niemand
will das haben", "Das ist viel zu teuer", "Die
Konkurrenz wird sich totlachen" oder "Die Idee ist sehr
gut, lässt sich bei meinen Mitarbeitern/Vorgesetzten aber nicht
verwirklichen". Hören Sie sich die Argumente der Kritiker
und Innovationsbremser gut an: Was ist berechtigt, was ist vorgeschoben
oder mangelndes Verständnis? Und machen Sie weiter!
Es kommt bei
den meisten Menschen vor, dass sie gelegentlich Zweifel und Unsicherheit
erleben. Das ist ganz normal, solange es selten ist. Vielleicht
neigen Sie jedoch dazu, bei fast jeder Aufgabe an mangelndem Selbstvertrauen
oder gar lähmender Unsicherheit zu leiden. Falls Sie jedes
neue Projekt als Bedrohung und nicht als Herausforderung betrachten,
dann schätzen Sie vermutlich Ihre tatsächliche Stärke
nicht objektiv ein und/oder haben kein Vertrauen zu Ihrer Leistungsfähigkeit.
Der erste Schritt,
um mangelndes Selbstvertrauen abzubauen, besteht darin, eine Bilanz
der eigenen Erfolge anzulegen. Ich habe hierzu ein einfaches Vorgehen
entwickelt, das so genannte Erfolgs-Sampling (to sample = durchmustern,
sammeln). Erfolgs-Sampling ist die bewusste Erinnerung an allgemeine
Erfolgserlebnisse oder frühere Erfolge im innovativen Bereich.
Es hat sich gezeigt, dass manche Menschen sich an ihre Misserfolge
besser erinnern als an ihre Erfolge und außerdem gute Leistungen
eher auf Glück zurückführen als auf eigene Tüchtigkeit.
Das Durchmustern der eigenen Erfolgsgeschichte, die Analyse der
Erfolgsfaktoren und die gezielte Auswahl relevanter Leistungen hilft
vielen (misserfolgsorientierten) Menschen zu erkennen, dass es um
ihre Erfolgsstory gar nicht so schlecht steht, wie sie glauben.
Das absichtliche, systematische Vor-Augen-Halten (sprachlich, bildlich
oder konkret) bestimmter Erfolge erhöht nicht nur bei
Menschen mit wenig Selbstvertrauen Selbstwertgefühl,
Zuversicht und Initiative.
Mentale Vorbereitung auf belastende Situationen
Zur Vorbereitung
auf belastende oder schwierige Situationen sowie zur Bewältigung
von Stress und negativen Emotionen dient eine Gruppe von Verfahren,
zu deren Komponenten neben den mentalen Faktoren meist eine Entspannungstechnik
gehört. (Sehr gute Erfolge bringt beispielsweise die Progressive
Muskelentspannung, siehe dazu [1].)
Die Grundannahme
hinter diesen Verfahren besteht darin, dass wir besser in der Lage
sind, eine Situation zu bewältigen, wenn wir diese vorher (mehrmals)
in unserer Vorstellung gemeistert haben. Zum Erlernen dieser Verfahren
(Systematische Desensibilisierung, Stress-Bewältigung) ist
die Zusammenarbeit mit einem entsprechenden Fachmann (z.B. Diplom-Psychologe)
erforderlich.
Beim Stressbewältigungs-Training
bereitet man einen Menschen nennen wir ihn den Innovator
darauf vor, Probleme zu bewältigen, indem er typische
Situationen und Belastungen, mit denen zu rechnen ist, geistig vorwegnimmt.
Dann untersucht und trainiert der Innovator gemeinsam mit dem Berater
alternative Handlungs- und Erlebnisweisen für den Fall, dass
er diese Situation erfolgreich meistern muss (Durchspielen verschiedener
Szenarien, Erweitern des Handlungsrepertoires).
Der Innovator
wird aufgefordert,
- sich vorzustellen, in einer belastenden oder Stress hervorrufenden Situation zu sein
- sich in die typische Erregung oder das Stressempfinden einzufühlen und
- trotz der Ablenkung durch störende Gefühle und Stresserlebnisse geeignet handeln zu können, indem er auf das vorher erstellte Handlungsrepertoire zurückgreift
Beliebte Beispiele
sind hier das Gespräch mit dem Chef, der Existenzgründer
bei seinem Kreditgeber oder die Begegnung mit (innovationsscheuen)
Mitarbeitern oder Kunden.
Stärkung der Selbststeuerungsfähigkeit
und dynamische Umsetzung kreativer Ideen
Mehrere der
oben vorgestellten mentalen Verfahren werden meist miteinander verbunden
angewandt. Diese müssen, wie betont, zunächst eingeübt
werden. Wenn Ihnen dabei die Zusammenarbeit mit einem Fachmann für
diese Methoden möglich ist, werden Sie vermutlich schneller
und sicherer Ihre Ziele erreichen. Insgesamt stärken diese
Verfahren Ihre Fähigkeit zur Selbststeuerung und dynamischen
Umsetzung guter Ideen.
Auf alle Fälle
sollten Sie mit Eigenlob auf Ihre Fortschritte reagieren und sich
für positive Entwicklungen belohnen! Überdies werden Sie
durch die Erfolge im Innovationsmanagement bestärkt.
Bitte denken
Sie als kleines Gedankenexperiment einmal darüber nach, wie
Sie die erwähnten Methoden einsetzen könnten, damit Sie
eine anstehende unangenehme, aber notwendige Aufgabe nicht hinausschieben,
sondern bald und erfolgreich angehen können.
Strategisches Denken und Handeln
(Schach als Fördermaßnahme)
Eine weitere
Möglichkeit zur Entwicklung strategischer und innovativer Kompetenzen
bietet das Schach. Unser Gehirn ist auf vielfältige Weise zu
trainieren und positiv zu verändern. Spiele sind wichtige Hilfen,
um geistige Bewegung und immer neuen Spaß in unser Leben zu
bringen. Das klassische und stets aktuelle Spiel zur Förderung
mentaler Fähigkeiten ist das Schach.
Innovation
und Schach haben vieles gemeinsam: Beides beruht auf komplexen Leistungen
unseres Gehirns. Erfolge auf beiden Feldern erfordern Einfallsreichtum,
planendes Denken, Ausdauer und flexibles Handeln. Mein Ansatz stellt
deshalb auch das Schachspiel sowie die daraus gewonnenen Prinzipien
und Strategien wahlweise als innovationsfördernde Möglichkeit
dar.
Schach ist
elementar und subtil zugleich. Hier erlebt man die Bedeutung von
Initiative und Aktion (Angriff) sowie die zeitweilige Notwendigkeit
zu aktiver/intelligenter oder hartnäckiger Verteidigung. Erfolge
entstehen u.a. durch überlegene, einfallsreiche, schwer durchschaubare
oder überraschende Strategien. Das Zusammenwirken der Kräfte
(Figuren) verdeutlicht Synergieeffekte.
Schachspieler
aktivieren ihr Gehirn ganzheitlich. Durch die Beschäftigung mit
Schach erfolgt eine Steigerung der Aufnahmefähigkeit für
Informationen. Das immer neue Spiel bietet ein ausgezeichnetes Kreativitätstraining.
Außerdem lernt das Gehirn spielerisch und nahezu unbewusst
- das rasche Einstellen auf neue Gegebenheiten
- das Gewichten und gegenseitige Inbeziehungsetzen (Relativität) von Faktoren
- den Umgang mit Erfolg versprechenden oder schwierigen Situationen
- den vorteilhaften Gebrauch von Ressourcen sowie
- das Denken in Alternativen und die Entwicklung von Plänen
Durch Schach
und dessen taktische und strategische Prinzipien können Führungskräfte
somit Essenzielles spielerisch trainieren und reflektieren: strategisches
Denken, kritische Analyse und ganzheitliche Zusammenschau, das Einbringen
eigener Stärken und das Vermeiden von Schwachpunkten, den Umgang
mit Überraschungen oder komplizierten Lagen, vernünftige
Risikobereitschaft, mentale Stärke, Entscheidungsfreude sowie
die Berücksichtigung der Absichten und Pläne von Konkurrenten.
Für Schach
und alle mentalen Geschehnisse gilt gleichermaßen: Eine kreative
Kombination ist nur dann erfolgreich, wenn sie auch aktiv verwirklicht
wird!
[1] Munzert,
R.: Schachpsychologie. 4. Aufl. Hollfeld 1998.
[2] Munzert,
R.: Eine gute Idee spart 1.000 Stunden harte Arbeit. In: wissensmanagement
Das Magazin für Führungskräfte Heft
2 März 2001, S. 36-41.
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