Fachbeiträge
Herausforderung Systemverantwortung
von Ulf Pleissner
Betrachtet man diejenigen Innovationsvorhaben in Deutschland, die zwar ehrgeizig und viel versprechend, jedoch letztlich nicht von Erfolg gekrönt waren, so wird deutlich, dass diese meist an einer fehlenden Systemverantwortung gescheitert sind. Die Ideen zur Innovation sind zwar genial, ihre Umsetzung erfordert jedoch ein interdisziplinäres Zusammenspiel unterschiedlichster Technologien, Fähigkeiten und Denkweisen.
Von Ulf Pleissner
Inhaltsübersicht:
- Technologische Abhängigkeiten transparent machen
- Technologien eindeutig abgrenzen
- Iterativer Abwicklungsprozess
- Systemverantwortung im Spannungsfeld der Organisation
Die Übernahme der Verantwortung für eine Systementwicklung verlangt von den Unternehmen eine sekundäre Organisationsstruktur. Hier hat sich in der Vergangenheit das Projektmanagement als Organisationsform sehr gut bewährt. Das heutige Projektmanagement kann aber die tatsächliche technologische Verantwortung nicht übernehmen, da es sich fast ausschließlich auf das Steuern von Terminen, Kosten und Arbeitspaketen konzentriert.
Technologische Abhängigkeiten transparent machen
Systeme bestehen nicht aus einer einzigen Technologie, sondern entstehen erst aus der Kombination und dem Zusammenwirken verschiedener Technologien. Hierbei treten die folgenden Konflikte auf:
- Jede Technologie ist für sich selbst klar beschrieben und damit eineindeutig abgrenzbar. Werden Technologien zusammengeführt, so verschwimmen die Grenzen und damit die eindeutige Beschreibbarkeit der einzelnen Technologien.
- Die Technologien lassen sich gegenseitig substituieren, d. h. es gibt einen größeren Lösungsraum und die Technologien stehen miteinander im ständigen Wettbewerb.
- Die einzelnen Technologien beeinflussen sich gegenseitig. Damit sind sie bei Änderungen untereinander nicht mehr rückwirkungsfrei und können auch nicht mehr eigenständig und unabhängig entwickelt werden.
- Hinter jeder Technologie steht eine spezifisch ausgebildete Denkweise. Diese besitzt eigene Definitionen und Begriffe, welche beim Einsatz von mehreren Technologien auch zur Mehrdeutigkeit führen können.
Aufgrund dieser Abhängigkeiten kann es passieren, dass alle am Prozess Beteiligten Recht haben, das System aber trotzdem nicht funktioniert. Auch führen die unterschiedlichen Begriffsklärungen zu langwierigen und wenig produktiven Diskussionen. Die wesentliche Grundlage zur Wahrnehmung der Systemverantwortung besteht also darin, Transparenz über die Abhängigkeiten der Technologien zu schaffen. Diese Transparenz lässt sich gemeinsam mit Hilfe einer Technologieanalyse erarbeiten und in einer Systemabhängigkeitsmatrix darstellen.
Technologien eindeutig abgrenzen
Aus der Transparenz der Abhängigkeiten zwischen den Technologien muss abgeleitet werden, welche Parameter einer Technologie rückwirkungsfrei sind und welche Parameter eine Rückwirkung auf andere Technologien haben. Dieser Schritt ist zwingend erforderlich, da sonst aufgrund der Vielfalt der Parameter schnell die erfolgsrelevante Sicht verloren gehen kann. Die rückwirkungsfreien Parameter können mit dem herkömmlichen Projektmanagement abgewickelt werden und bedürfen nur der termingerechten Rückmeldung ihres Erfüllungsgrades. Hierbei handelt es sich um typische Komponentenentwicklungen, die durch die Systemanforderungen nicht beeinflusst werden. Für die nicht rückwirkungsfreien Parameter der Technologie bedarf es einer eigenen Steuerung.
Gerade bei der Abstimmung hinsichtlich alternativer Lösungsmöglichkeiten ist eine neutrale Systemverantwortung zwingend erforderlich. Da die einzelnen Technologieverantwortlichen die Lösungsvielfalt nicht aus ihrer Perspektive erkennen und bewerten können, muss die Systemverantwortung hier nicht nur die Bewertung der Lösungen, sondern auch das Erarbeiten der Lösungsvarianten als ihren Aufgabenschwerpunkt verstehen.
Da sich bei der Abwicklung von Innovationsvorhaben sowohl die Rahmen- als auch die Technologieparameter ändern, muss die Technologieverantwortung im Sinne eines kleinen Regelkreises funktionieren. Das heißt, bei einer Veränderung eines nicht rückwirkungsfreien Parameters muss das bestehende Optimum auf ein sich neu ergebendes Optimum hin überprüft werden. Dies verlangt vom Systemverantwortlichen die Fähigkeit, ständig bereits gefundene Lösungen wieder in Frage zu stellen, ohne dabei die involvierten Wissens- und Entscheidungsträger zu verlieren. Der Systemverantwortliche muss seinen Lösungsvorrat daher kontinuierlich überarbeiten, das richtige Optimum finden und die Machbarkeit an den Prozessmöglichkeiten spiegeln. Daraus ergibt sich die Anforderung an den Systemverantwortlichen, einen iterativen Abstimmungsprozess zu beherrschen. Da ein solcher Abwicklungsprozess nicht einem existierenden definierten Unternehmensprozess entspricht, muss das Management eine Systemverantwortung legitimieren.
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