Fachbeiträge

Ausgabe 1 / /2001
Fachbeitrag Weiterbildung

Moderation von virtuellen Lerngruppen-Konferenzen

von Frank Drecoll

Wissen Sie, warum Mitarbeiter am liebsten im Seminarraum lernen? Weil sie sich darauf freuen, nette Menschen zu treffen, mit denen sie sich in den Pausen unterhalten können. Und weil sie sich auf einen gut vorbereiteten Moderator freuen, der lebendig präsentiert und sie ins Geschehen einbezieht. Doch ein lebendiges Seminar kann auch in einem virtuellen Klassenzimmer stattfinden. In Frank Drecolls Beitrag finden Sie eine (idealtypische) Planung einer mehrstufigen Moderationssequenz für virtuelle Lerngruppen-Konferenzen.

 

Von Frank

Drecoll

 

Inhaltsübersicht:

 

 

 

Auch in

Online-Lerngruppen entwickelt sich eine Praxis des Teilens von Wissen

und Erfahrung nicht im Selbstlauf. Die bloße Bereitstellung

der technischen Möglichkeiten reicht nicht aus. Der beteiligungsorientierte

Ansatz der Moderationsmethode besteht darin, Gruppen dazu anzuregen,

sich auf ihre eigene Problemlösungskompetenz zu konzentrieren.

Aus Sicht des Einzelnen bedeutet dies, seine Erfahrungen und sein

Wissen einzubringen und dabei die Erfahrung zu machen, dass Wissenteilen

sich lohnen kann. Im Rahmen von Wissensmanagement beweist die Moderationsmethode

hier erneut Aktualität.

 

 

 

Grundsätzlich

eignet sich Moderation immer dann, wenn im Rahmen von Konferenzen

kooperativ eigenständige Lösungen erarbeitet werden sollen.

Im Folgenden finden Sie eine (idealtypische) Planung einer mehrstufigen

Moderationssequenz. In der Praxis können auch einzelne Phasen

bzw. einzelne Fragemethoden zum Einsatz kommen. Zur Durchführung

empfiehlt sich eine Kombination von Whiteboard (einer Art virtuellen

Pinnwand) und Audiokonferenz bzw. einer separat geschalteten, normalen

Telefonkonferenz. Mit Mut zur Improvisation ist auch die Kombination

Whiteboard/Textkonferenz möglich. In einer reinen Textkonferenz

(ohne Whiteboard) ist jedoch nur die Zuruffrage sinnvoll einsetzbar.

 

 


Die Einstiegsphase

 

Begrüßung

 

 

Empfangen Sie

Ihre Gruppenteilnehmer mit einem gestalteten Begrüßungs-Poster

auf dem Whiteboard. Das signalisiert: Sie haben sich vorbereitet

und wollen eine positive, offene Atmosphäre schaffen.

 

 

 

Ziele und Ablauf: die Zuruffrage

 

 

Stellen Sie

Transparenz her bezüglich der Sitzungszeit, mit gegebenenfalls

einer Pause (mehr als 1 Stunde ohne Pause ist für virtuelle

Meetings kaum produktiv). Stellen Sie mit einem weiteren Poster

die Zielsetzung und den Ablauf der Sitzung vor. Es sollte deutlich

werden, was durch die Gruppensitzung erreicht werden soll. Eröffnen

Sie jetzt die Tagesordnung und fragen Sie nach Erwartungen oder

gezielten Vorschlägen zur Ergänzung. Nehmen Sie die Ergänzungen

auf.

 

 

Tipps zur Umsetzung der Zuruffrage

Zuruf per Gruppenchat:
Die so erweiterte Agenda ist leider nicht konstant während der Konferenz sichtbar. Sie steht auch nicht untereinander. Ein Whiteboard wäre hier wünschenswert. Listen Sie aber in jedem Fall die Agenda inklusive der neuen Topics noch einmal auf.


Zuruf per Whiteboard
Durch die Funktion des Sharings können die Teilnehmer die Agenda unmittelbar am Whiteboard schreibend ergänzen. Moderieren Sie die Reihenfolge der Topics.

Zuruf per Audio:
Schreiben Sie stellvertretend die zugerufenen Ergänzungen ans Whiteboard.

 

 

Warming-Up: die Einpunktfrage

 

 

Stellen Sie

über die Einpunktfrage ein Meinungsbild her oder machen Sie

hierüber die Betroffenheit der Gruppenmitglieder zum fraglichen

Thema transparent. Sie schaffen damit eine Atmosphäre der Offenheit

und eröffnen zugleich das themenbezogene Gespräch. Achten

Sie bei der Formulierung der zu bepunktenden These darauf, dass

sich zustimmende und ablehnende Haltungen in etwa die Waage halten.

Das bringt eine kontroverse Diskussion in Gang.

 

 

Tipps zur Umsetzung der Einpunktfrage

Bereiten Sie eine Grafik für die Einpunktfrage am Whiteboard vor. Schalten Sie den Malstift für alle Teilnehmer frei und geben Sie das Startkommando. Behelfsweise lassen Sie die Punkte verbal (per Chat oder Audio) vergeben und setzen den Punkt selbst grafisch um. (Der HPVC von Hewlett Packard z.B. hält einen speziellen Fragebogen-Generator für so genannte Umfragen bereit. Diese Funktion lässt sich für die Einpunktfrage hervorragend nutzen.)

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Die Sammel- oder Orientierungsphase

 

 

Brainstorming:

die Zuruffrage

 

 

Hier geht es

zunächst darum, Aspekte zu sammeln, dann ein Problembewusstsein

bezüglich der Fragestellung zu entwickeln und die Ressourcen

der Gruppe zu aktivieren. Wenn die Beantwortung der Frage nicht

viel Åberlegung erfordert, sondern mit Spontaneität mehr erreicht

wird, dann setzen Sie jetzt die Zuruffrage ein. Die Zurufe können

sowohl schriftlich (per Chat) als auch via Audio erfolgen. Notieren

Sie schnell in knappen Worten, möglichst nah an der wörtlichen

Formulierung des Rufers. Fragen Sie zurück, wenn Sie meinen,

der Zuruf bedürfe zum besseren Verständnis der Präzisierung.

Aber werten Sie nicht!

 

 

 

 

Erstes Vertiefen: die Kartenfrage

 

 

Da die Antwort-Karten

ohne Zeitdruck von jedem selbst vorbereitet werden, gewährleistet

die Kartenfrage einen höheren Grad an Reflexion als die Zuruffrage.

Sie dient der breiten Auffächerung und der ersten Vertiefung

der aufgeworfenen Fragestellung. Meinungen, Aspekte, Ideen, Lösungsansätze

lassen sich auf diesem Weg sammeln und anschließend themenbezogen

am Whiteboard gruppieren. Erläutern Sie die am Whiteboard visualisierte

Einstiegsfrage gegebenenfalls kurz und fragen Sie, ob die Frage

verständlich ist. Jetzt geben Sie folgende Arbeitsanweisungen:

 

 

 

 

  • Pro Karte nur ein Gedanke!
  • Halbsatz statt Schlagwort (nicht mehr als ca. 7 Wörter)!
  • Pro Teilnehmer ca. 5 (oder mehr) Karten schreiben!

 

 

Da ein einfaches

Whiteboard keine Möglichkeit zum verdeckten Vorbereiten von

Karten und anschließenden Versenden und zeitgleichen Aufblenden

aller Karten bietet, empfiehlt sich die Vorbereitung der individuellen

Antworten zunächst auf Papier. Fragen Sie nach ein paar Minuten,

ob keiner mehr schreibt. Wenn alle fertig sind, fordern Sie die

Teilnehmer auf, ihre vorbereiteten Antworten auf das Whiteboard

zu schreiben. Zeigen Sie anschließend auf jede einzelne Antwort

und lesen Sie sie vor. Schieben Sie dabei die Antworten zu thematisch

verwandten Clustern zusammen.

 

 

Tipps zur Umsetzung der Kartenfrage

Wahrung von Anonymität:
Fordern Sie bei diesem Alternativverfahren die Teilnehmer auf, fünf vorbereitete Anworten über das so genannte Flüster-Chat-Fenster anonym an Sie zu schicken. Erfassen Sie dann jede Karte neu am Whiteboard und lesen Sie sie dabei vor. Diese Variante orientiert sich an den Regeln der Moderationsmethode. Durch Schutz der Anonymität werden auch zurückhaltende Teilnehmer einbezogen und Meinungsführerschaften vermieden.

bdrecoll picture

Die Kartenfrage am Whiteboard – hier im Rahmen einer Videokonferenz

 

 

 

 

 

 

Gewichtungs- und Mehrpunktfrage:

 

 

Der nächste

Schritt dient der Ermittlung der Interessenlage und der zeitlichen

Prioritäten für ein vertieftes Bearbeiten und Problemlösen

in Kleingruppen. Jeder Teilnehmer erhält z.B. 5 Punkte, mit

denen er die Cluster bewertet. Bevor Sie zum gemeinsamen Punkten

auf dem Whiteboard auffordern, treffen Sie eine Vorbereitung. Geben

Sie jedem Cluster eine Nummer und eine bezeichnende Åberschrift

(möglichst gemeinsam mit der Gruppe). Durch Verteilen der Punkte

entsteht eine Rangreihe. Die höchstgepunkteten Themen werden

für eine vertiefte Bearbeitung in Kleingruppen herangezogen.

Jetzt brauchen Sie nur noch die Namen von Themen-Interessenten zu

sammeln und die Kleingruppen stehen fest.

 

 

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Die Abschlussphase

 

 

Regen Sie an,

zur Befindlichkeit der Teilnehmer ein kurzes Blitzlicht herzustellen.

Mögliche Frage: "Mit welchen Gefühlen verlassen Sie den

virtuellen Gruppenraum?" Nicht unwesentlich für den Erfolg

von Moderation nach der Moderationsmethode ist die sorgfältige

Formulierung der moderatorischen Fragen. Es gelten folgende Erfahrungswerte:

 

 

 

 

  • Frage offen und relativ konkret stellen. Sie sollte durch mehrere Antworten beantwortet werden können, jedoch keine Gemeinplätze provozieren.
  • Die Frage kurz formulieren.
  • Den Teilnehmer persönlich ansprechen und betroffen machen.
  • Die Frage sollte keine Expertenfrage sein, sondern Meinungen, Befindlichkeiten und Ideen herauslocken. Jeder sollte antworten können.

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Seitenblick

 

 

Den vollständigen

Beitrag von Frank Drecoll mit interessanten Thesen zu Besonderheiten

der Kommunikation in Chats oder Multipoint-Videokonferenzen und

vielem mehr finden Sie in Heft

1 Januar 2001 von wissensmanagement – Das Magazin für

Führungskräfte.

 

 

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Literatur

 

 

Alexander,

W./Higgison, C./Mogey, N.: Videoconferencing in Teaching und Learning.

Case-Studies. Edinburgh: LTDI & TALiSMAN University of Edinburgh

1999.

 

 

Dillenbourg,

P. (Hrsg.): Collaborative learning: cognitive and computational

approaches. Amsterdam: Pergamon 1999.

 

 

Fischer, F./Mandl,

H.: Being there or being where? Videoconferencing and cooperative

learning. Research report Nr. 122. München: Ludwig-Maximilians-Universität,

Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische

Psychologie 2000.

 

 

 

Freimuth, J./Ziehr,

S./Wierwille, A.: Moderationsmethode. Ein interaktives Lernprogramm

für moderierte Gruppenarbeit auf CD-ROM. Rellingen: Nitor.

 

 

Gudjons, H.

(Hrsg.): Die Moderationsmethode in Schule und Unterricht. Hamburg

1998.

 

 

Hesse, F.W./Garsoffky,

B./Hron, A.: Interface-Design für computerunterstütztes

kooperatives Lernen. In: Issing, L.J./Klimsa, P. (Hrsg.): Information

und Lernen mit Multimedia. Weinheim 1995, S. 253-267.

 

 

Maaß,

S.: Computergestützte Kommunikation und Kooperation. In: Oberquelle,

H. (Hrsg.): Kooperative Arbeit und Computerunterstützung. Stuttgart:

Hogrefe 1991, S. 11-35.

 

 

 

Mandl, H./Fischer,

F.: Mapping-Techniken und Begriffsnetze in Lern- und Kooperationsprozessen.

In: Mandl, H./Fischer, F. (Hrsg.): Wissen sichtbar machen. Wissensmanagement

mit Mapping-Techniken. Göttingen 2000, S. 3-12.

 

 

Uhter, P.:

Entwicklung eines Computerconferencing-Prototypen auf der Basis

einer vergleichenden Analyse mit Face-to-Face-Konferenzen. Diplomarbeit:

Universität Bremen, Fachbereich Informatik 2000.

 

 

Weinig, K.:

Wie Technik Kommunikation verändert: Das Beispiel Videokonferenz.

Münster: LIT 1996.

 

 

Ziehr, S.:

Moderation ist kein Kartenspiel. In: wissensmanagement – Das

Magazin für Führungskräfte 1/1999, S. 44-46.

 

 

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