Fachbeiträge
Moderation von virtuellen Lerngruppen-Konferenzen
von Frank Drecoll
Wissen Sie, warum Mitarbeiter am liebsten im Seminarraum lernen? Weil sie sich darauf freuen, nette Menschen zu treffen, mit denen sie sich in den Pausen unterhalten können. Und weil sie sich auf einen gut vorbereiteten Moderator freuen, der lebendig präsentiert und sie ins Geschehen einbezieht. Doch ein lebendiges Seminar kann auch in einem virtuellen Klassenzimmer stattfinden. In Frank Drecolls Beitrag finden Sie eine (idealtypische) Planung einer mehrstufigen Moderationssequenz für virtuelle Lerngruppen-Konferenzen.
Von Frank
Inhaltsübersicht:
Auch in
Online-Lerngruppen entwickelt sich eine Praxis des Teilens von Wissen
und Erfahrung nicht im Selbstlauf. Die bloße Bereitstellung
der technischen Möglichkeiten reicht nicht aus. Der beteiligungsorientierte
Ansatz der Moderationsmethode besteht darin, Gruppen dazu anzuregen,
sich auf ihre eigene Problemlösungskompetenz zu konzentrieren.
Aus Sicht des Einzelnen bedeutet dies, seine Erfahrungen und sein
Wissen einzubringen und dabei die Erfahrung zu machen, dass Wissenteilen
sich lohnen kann. Im Rahmen von Wissensmanagement beweist die Moderationsmethode
hier erneut Aktualität.
Grundsätzlich
eignet sich Moderation immer dann, wenn im Rahmen von Konferenzen
kooperativ eigenständige Lösungen erarbeitet werden sollen.
Im Folgenden finden Sie eine (idealtypische) Planung einer mehrstufigen
Moderationssequenz. In der Praxis können auch einzelne Phasen
bzw. einzelne Fragemethoden zum Einsatz kommen. Zur Durchführung
empfiehlt sich eine Kombination von Whiteboard (einer Art virtuellen
Pinnwand) und Audiokonferenz bzw. einer separat geschalteten, normalen
Telefonkonferenz. Mit Mut zur Improvisation ist auch die Kombination
Whiteboard/Textkonferenz möglich. In einer reinen Textkonferenz
(ohne Whiteboard) ist jedoch nur die Zuruffrage sinnvoll einsetzbar.
Begrüßung
Empfangen Sie
Ihre Gruppenteilnehmer mit einem gestalteten Begrüßungs-Poster
auf dem Whiteboard. Das signalisiert: Sie haben sich vorbereitet
und wollen eine positive, offene Atmosphäre schaffen.
Ziele und Ablauf: die Zuruffrage
Stellen Sie
Transparenz her bezüglich der Sitzungszeit, mit gegebenenfalls
einer Pause (mehr als 1 Stunde ohne Pause ist für virtuelle
Meetings kaum produktiv). Stellen Sie mit einem weiteren Poster
die Zielsetzung und den Ablauf der Sitzung vor. Es sollte deutlich
werden, was durch die Gruppensitzung erreicht werden soll. Eröffnen
Sie jetzt die Tagesordnung und fragen Sie nach Erwartungen oder
gezielten Vorschlägen zur Ergänzung. Nehmen Sie die Ergänzungen
auf.
Tipps zur Umsetzung der Zuruffrage Zuruf per Gruppenchat:
Zuruf per Audio: |
Warming-Up: die Einpunktfrage
Stellen Sie
über die Einpunktfrage ein Meinungsbild her oder machen Sie
hierüber die Betroffenheit der Gruppenmitglieder zum fraglichen
Thema transparent. Sie schaffen damit eine Atmosphäre der Offenheit
und eröffnen zugleich das themenbezogene Gespräch. Achten
Sie bei der Formulierung der zu bepunktenden These darauf, dass
sich zustimmende und ablehnende Haltungen in etwa die Waage halten.
Das bringt eine kontroverse Diskussion in Gang.
Tipps zur Umsetzung der Einpunktfrage Bereiten Sie eine Grafik für die Einpunktfrage am Whiteboard vor. Schalten Sie den Malstift für alle Teilnehmer frei und geben Sie das Startkommando. Behelfsweise lassen Sie die Punkte verbal (per Chat oder Audio) vergeben und setzen den Punkt selbst grafisch um. (Der HPVC von Hewlett Packard z.B. hält einen speziellen Fragebogen-Generator für so genannte Umfragen bereit. Diese Funktion lässt sich für die Einpunktfrage hervorragend nutzen.) |
Die Sammel- oder Orientierungsphase
Brainstorming:
die Zuruffrage
Hier geht es
zunächst darum, Aspekte zu sammeln, dann ein Problembewusstsein
bezüglich der Fragestellung zu entwickeln und die Ressourcen
der Gruppe zu aktivieren. Wenn die Beantwortung der Frage nicht
viel Åberlegung erfordert, sondern mit Spontaneität mehr erreicht
wird, dann setzen Sie jetzt die Zuruffrage ein. Die Zurufe können
sowohl schriftlich (per Chat) als auch via Audio erfolgen. Notieren
Sie schnell in knappen Worten, möglichst nah an der wörtlichen
Formulierung des Rufers. Fragen Sie zurück, wenn Sie meinen,
der Zuruf bedürfe zum besseren Verständnis der Präzisierung.
Aber werten Sie nicht!
Erstes Vertiefen: die Kartenfrage
Da die Antwort-Karten
ohne Zeitdruck von jedem selbst vorbereitet werden, gewährleistet
die Kartenfrage einen höheren Grad an Reflexion als die Zuruffrage.
Sie dient der breiten Auffächerung und der ersten Vertiefung
der aufgeworfenen Fragestellung. Meinungen, Aspekte, Ideen, Lösungsansätze
lassen sich auf diesem Weg sammeln und anschließend themenbezogen
am Whiteboard gruppieren. Erläutern Sie die am Whiteboard visualisierte
Einstiegsfrage gegebenenfalls kurz und fragen Sie, ob die Frage
verständlich ist. Jetzt geben Sie folgende Arbeitsanweisungen:
- Pro Karte nur ein Gedanke!
- Halbsatz statt Schlagwort (nicht mehr als ca. 7 Wörter)!
- Pro Teilnehmer ca. 5 (oder mehr) Karten schreiben!
Da ein einfaches
Whiteboard keine Möglichkeit zum verdeckten Vorbereiten von
Karten und anschließenden Versenden und zeitgleichen Aufblenden
aller Karten bietet, empfiehlt sich die Vorbereitung der individuellen
Antworten zunächst auf Papier. Fragen Sie nach ein paar Minuten,
ob keiner mehr schreibt. Wenn alle fertig sind, fordern Sie die
Teilnehmer auf, ihre vorbereiteten Antworten auf das Whiteboard
zu schreiben. Zeigen Sie anschließend auf jede einzelne Antwort
und lesen Sie sie vor. Schieben Sie dabei die Antworten zu thematisch
verwandten Clustern zusammen.
Tipps zur Umsetzung der Kartenfrage Wahrung von Anonymität: |
Die Kartenfrage am Whiteboard – hier im Rahmen einer Videokonferenz |
Gewichtungs- und Mehrpunktfrage:
Der nächste
Schritt dient der Ermittlung der Interessenlage und der zeitlichen
Prioritäten für ein vertieftes Bearbeiten und Problemlösen
in Kleingruppen. Jeder Teilnehmer erhält z.B. 5 Punkte, mit
denen er die Cluster bewertet. Bevor Sie zum gemeinsamen Punkten
auf dem Whiteboard auffordern, treffen Sie eine Vorbereitung. Geben
Sie jedem Cluster eine Nummer und eine bezeichnende Åberschrift
(möglichst gemeinsam mit der Gruppe). Durch Verteilen der Punkte
entsteht eine Rangreihe. Die höchstgepunkteten Themen werden
für eine vertiefte Bearbeitung in Kleingruppen herangezogen.
Jetzt brauchen Sie nur noch die Namen von Themen-Interessenten zu
sammeln und die Kleingruppen stehen fest.
Regen Sie an,
zur Befindlichkeit der Teilnehmer ein kurzes Blitzlicht herzustellen.
Mögliche Frage: "Mit welchen Gefühlen verlassen Sie den
virtuellen Gruppenraum?" Nicht unwesentlich für den Erfolg
von Moderation nach der Moderationsmethode ist die sorgfältige
Formulierung der moderatorischen Fragen. Es gelten folgende Erfahrungswerte:
- Frage offen und relativ konkret stellen. Sie sollte durch mehrere Antworten beantwortet werden können, jedoch keine Gemeinplätze provozieren.
- Die Frage kurz formulieren.
- Den Teilnehmer persönlich ansprechen und betroffen machen.
- Die Frage sollte keine Expertenfrage sein, sondern Meinungen, Befindlichkeiten und Ideen herauslocken. Jeder sollte antworten können.
Den vollständigen
Beitrag von Frank Drecoll mit interessanten Thesen zu Besonderheiten
der Kommunikation in Chats oder Multipoint-Videokonferenzen und
vielem mehr finden Sie in Heft
1 Januar 2001 von wissensmanagement Das Magazin für
Führungskräfte.
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