Fachbeiträge
Vom Mitarbeiter zum Mitdenker
von Olaf Meyer
Im Mittelpunkt erfolgreich praktizierten Wissensmanagements steht stets der Mensch. Um diesen herum müssen Wissenskonzeptionen erstellt werden, die auf eine Umwandlung des Mitarbeiters zum Mitdenker zielen, wie Olaf Meyer ausführt. Demnach hat der Mitdenker gelernt, seine Wissenslücken zu erkennen und zu schließen, Informationen aufzubereiten und aufzunehmen, zu teilen und weiterzugeben. Er übernimmt selbst die Verantwortung für sich und seine Arbeit. Im Gegenzug benötigt der Mitdenker statt starrer Hierarchien aber auch Freiräume.
Von Olaf
Inhaltsübersicht:
- Vom Informationsmanagement zum Wissensmanagement
- Informationen recherchieren
- Informationen typgerecht speichern
- Wissen nutzen
- Wissen teilen
- Vom Kostenfaktor zum Erfolgsfaktor
- Wissenskonzeption in 5 Phasen
- Fazit
Kaum ein
Unternehmen wird zukünftig ohne Wissensmanagement auskommen.
Doch der organisatorische Wandel vom Industrie- zum Informationszeitalter
erweist sich als schwierig. Es scheint, als könne der treue
Begleiter Computer den Unternehmen bei der Wissenserschließung
nicht helfen. Zukünftig erfolgreiche Unternehmen werden ihre
Mitarbeiter zu Mitdenkern befähigt haben und bieten ihnen durch
eine entspechende Wissenskonzeption die Rahmenbedingungen für
erfolgreiche Kopfarbeit.
Vom Informationsmanagement zum Wissensmanagement
Seit seiner
Einführung prägt der Mikrochip maßgeblich die wirtschaftliche
Entwicklung. Unser heutiger Produktivitätsstandard wäre
ohne modernste Roboter-, Computer- und Satellitentechnik nicht möglich
gewesen. Doch nachhaltige Wettbewerbsvorteile sind heutzutage trotz
modernster Technik kaum noch zu erreichen. Um auch zukünftig
einen Schritt vor der Konkurrenz zu liegen, bedarf es innovativer
Leistungen, schnell lernender Organisationen und einer systematischen
Wissensgenerierung. Dies sind nachhaltige Leistungen, die sich nicht
so einfach durch Automatisierung, Standortwechsel oder Fusionen
erreichen lassen.
Es könnte
schon zu einer beachtlich höheren Produktivität und größeren
Wettbewerbsvorteilen führen, wenn das im Unternehmen bereits
vorhandene Wissen genutzt würde. Die betriebliche Organisation
von Wissen ist schwierig: Im Gegensatz zu reinen Informationen ist
Wissen immer an Personen gebunden. Wissen entsteht durch die Verknüpfung
von Informationen mit Vorwissen, Vorerfahrungen und Wertvorstellungen
einer Person. Hinzu kommt, dass Wissen häufig an einen bestimmten
Kontext gebunden ist nicht beliebig auf andere Situationen übertragen
werden kann.
Ideen
werden von Menschen gemacht, nicht von Maschinen. Daher ist es verwunderlich,
dass Wissensmanagement häufig auf den Einsatz von Datenbanken
reduziert wird. Vielmehr sollte der Mensch im Mittelpunkt stehen:
Welcher Vorgesetzte kennt die Hobbys und privaten Ambitionen seiner
Mitarbeiter und kann daraus auf deren Talente und Fähigkeiten
schließen? Viel Wissen und zahlreiche Talente sind in jedem
Unternehmen bereits vorhanden und müssen nur effektiv genutzt
werden. Unternehmen, die Wissen nutzen wollen, müssen beim
Mitarbeiter einen Veränderungsprozess zum Mitdenker in Gang
setzen. Der Mitdenker hat gelernt, sein Wissen mit den im Folgenden
dargestellten vier Schritten zu managen.
"Wenn ich wüsste,
was ich nicht weiß" müsste für diesen ersten Schritt
das Motto jedes Mitarbeiters heißen. Hier geht es darum, die
eigenen Lücken des Wissens und Könnens zu erkennen und
zu schließen. Lücken erkennt der Mitdenker immer dann,
wenn er mit neuen Anforderungen konfrontiert wird. Wenn er feststellen
muss, dass seine Erfahrung nicht ausreicht oder er sich nicht auf
seine Erfahrung berufen möchte. Der Mitdenker hat Wissensdurst
entwickelt und recherchiert Informationen, um seine Lücken
konsequent zu schließen. Informationen erhält er im Gespräch
mit Kollegen oder Vorgesetzten, in Datenbanken oder im Internet
sowie durch das Studium von Tages- oder Fachzeitungen. Damit es
dabei nicht zu einer Informationsflut kommt, müssen die recherchierten
Informationen allerdings aufbereitet werden.
Informationen typgerecht speichern
Die Wirtschaft
entwickelt sich immer schneller immer weiter. Wissenslücken
müssen somit immer schneller geschlossen werden. Doch die schulische
und berufliche Ausbildung haben den Mitdenker nicht hinreichend
darauf vorbereitet. Kaum jemandem ist bewusst, zu welchem der drei
Wahrnehmungstypen er gehört:
- visuell:
optimale Informationsaufnahme über das Sehen - auditiv:
optimale Informationsaufnahme über das Hören - kinästhetisch:
optimale Informationsaufnahme über das Fühlen
Werden Informationen
jedoch lerntypgerecht aufbereitet, wird die Speicherung im Gehirn
wesentlich erleichtert. So sollte beispielsweise der visuelle Typ
ein grafisches Besprechungsprotokoll anfertigen, um Informationen
schneller aufzunehmen und behalten zu können.
Für die
typgerechte Aufbereitung gibt es zahlreiche Methoden und Techniken.
Sie reichen vom Mindmapping bis zur klassischen Eselsbrücke.
In Denkpausen verknüpft das Gehirn die neuen Informationen
mit bereits vorhandenen Erfahrungen. Diese Vernetzung ist die Grundlage
für neue Ideen, die abrufbar und in Wettbewerbsvorteile umsetzbar
sind.
Aus aufgenommenen
Informationen und vorhandenen Erfahrungen produziert unser Gehirn
ständig neues Wissen. Damit dieses Wissen wirtschaftlich verwendet
werden kann, muss es zuvor abgerufen werden. Das Abrufen von Wissen
kann der Mitdenker selbst tun (pull) oder es kann von außen
erfolgen (push). Generiert der Mitdenker Wissen selbst, spielt der
Wahrnehmungstyp wiederum eine wichtige Rolle: Visuelle Typen bereiten
Informationen grafisch auf, während auditive Typen eher ein
persönliches Gespräch bevorzugen. Wissen entsteht auch,
wenn es von außen abgerufen wird. Durch Projektgruppen, Job-Rotation
oder Verbesserungsprogramme können Unternehmen die Wissensnutzung
und -generierung des Mitdenkers fördern.
Das Potenzial
eines Unternehmens steckt aber nicht im Wissen einiger weniger Experten,
sondern im Wissen der gesamten Organisation. Dazu muss das Wissen
geteilt werden. Wird Wissen generiert, entstehen daraus für
andere Mitdenker Informationen. Zusammen mit den eigenen Erfahrungen
können diese Informationen wieder neues Wissen bilden.
Die Verbreitung
von Wissen kann auf verschiedene Weise erfolgen: Wissen kann in
Gesprächsrunden oder Projektgruppen geteilt oder in Datenbanken
dokumentiert werden. Entscheidend ist, dass das Wissen so aufbereitet
wird, dass es für andere als Informationsquelle für eine
weitere Wissensgenerierung dienen kann.
In der Vergangenheit
bedeutete Wissen für den Mitarbeiter Macht; der Mitdenker hat
verstanden, dass Wissensmanagement kein Machtspiel ist. Er konzentriert
sich nicht ausschließlich auf seine Karriere, sondern auf
den wirtschaftlichen Erfolg des gesamten Unternehmens, der letztendlich
auch ihm und seiner Karriere zugute kommt. Trotzdem ist der Wissenstransfer
nur schwer organisierbar.
Bisher haben
Unternehmen die Arbeitsorganisation für den Mitarbeiter übernommen.
Die Arbeit bestimmte die Tätigkeit, den Ablauf, die Kollegen,
die Werkzeuge usw. Wird Wissensmanagement in einem Unternehmen eingeführt,
organisiert nicht mehr die Arbeit den Mitarbeiter, sondern der Mitdenker
übernimmt die Verantwortung für sich und seine Arbeit.
Der Mitdenker denkt unternehmerisch und arbeitet selbstgesteuert.
Selbstgesteuert heißt aber nicht, dass der Mitdenker außerhalb
seines bereits bestehenden Kompetenzbereichs selbst verantwortlich
handeln kann. Dies ist organisatorisch und rechtlich nicht möglich.
Selbstgesteuert heißt vielmehr, dass der Mitarbeiter selbständig
Informationen recherchiert, um seine Wissenslücken zu schließen,
selbständig Ideen präsentiert, diese mit Kollegen teilt
und umsetzt.
Unternehmen
müssen umdenken: Mitdenker brauchen nicht die gleichmachende
Organisation, wie sie für Mitarbeiter nötig war. Mitdenker
brauchen Freiheiten und Bewegungsspielräume. Das Unternehmen
stellt seinen Mitdenkern lediglich die erforderlichen Rahmenbedingungen
zur Verfügung, deren Koordination durch die Vorgesetzten erfolgt.
Vom Kostenfaktor zum Erfolgsfaktor
Unternehmen
dürfen ihre Mitarbeiter nicht mehr länger als ihren größten
Kostenfaktor, sondern müssen ihre Mitdenker als ihren größten
Erfolgsfaktor ansehen. Die Ideen der Mitdenker sind die Grundlage
für die nachhaltigen Wettbewerbsvorteile der Zukunft. Der Mitdenker
muss gedanklich in den Mittelpunkt der betrieblichen Organisation
rücken. Diese Denkweise dürfte den meisten Unternehmen
auch nicht schwer fallen. Seit Einführung des Marketinggedankens
steht im Absatzbereich der Kunde im Mittelpunkt. Wie im Marketing
die Marketingkonzeption sollte ein Unternehmen für das Wissensmanagement
eine Wissenskonzeption erstellen, in deren Mittelpunkt der Mitarbeiter
steht.
1. Analyse
In dieser
ersten Phase wird der Ist-Zustand bestimmt. Zu klären ist:
- Wer sind die Wissensträger?
- Wie wird Wissen momentan weitergegeben?
- Wo ist Wissen für die betriebliche Weiterentwicklung nötig?
2. Zielsystem
Ziele stellen
den Soll-Zustand dar, der vom Unternehmen vorgegeben und von den
Mitdenkern umgesetzt wird. Bei der Festlegung des Soll-Zustands
ist zu beachten, dass nicht nur die betrieblichen Ziele, sondern
auch die persönlichen Ziele der Mitdenker in die Zielhierarchie
einfließen. Zielkonflikte, wie sie in jedem Zielsystem vorkommen,
gilt es einvernehmlich zu lösen. Ziele haben im Wissensmanagement
eine herausragende Bedeutung. Für den Mitdenker besteht ständig
die Gefahr, sich in seiner Arbeit zu verzetteln. Ziele geben ihm
und den Vorgesetzten die richtungsweisende Orientierung.
3. Strategien
Strategien
legen den Weg fest, über den die Ziele erreicht werden sollen.
Obwohl Strategien eher langfristig orientiert sind, sollten sie
im Rahmen einer Wissenskonzeption eine hinreichende Flexibilität
aufweisen. So wird gewährleistet, dass die Organisation auf
Veränderungen und neue Erkenntnisse schnell reagieren kann.
Strategien werden festgelegt zu:
- Informationsrecherche
- Wissensnutzung
- Wissenstransfer
Strategien
legen auch einen Kulturwechsel im Unternehmen fest, der für
Wissensmanagement unumgänglich ist. Ziel des Wechsels ist,
nicht mehr den Einzelkämpfer mit Karrieredenken, sondern den
Mitdenker mit teamorientiertem Blick für den Gesamterfolg des
Unternehmens zu fördern.
4. Maßnahmen
Die Maßnahmen
einer Wissenskonzeption sind in Anlehnung an das Marketing in vier
Bereiche unterteilt:
- Instrumentalbereich (z.B. Kreativitätsräume)
- Kontrahierungsbereich (z.B. Anreizsysteme, Arbeitszeitkonten)
- Distributionsbereich (z.B. Wissensmärkte, Berichtssysteme)
- Kommunikationsbereich (z.B. Grafiken, Visualisierungen, Gelbe Seiten)
5. Controlling
Das Controlling
bewertet den gewählten Maßnahmen-Mix und erarbeitet Ansätze
zur Optimierung.
Die Wertschöpfung
durch Wissensmanagement ist langwierig, aber nötig. Die Einführung
von Wissensmanagement in einem Unternehmen ist nicht einfach, aber
möglich. Die größte Aussicht auf Erfolg besteht
dann, wenn die Mitarbeiter ihre neue Rolle als Mitdenker akzeptieren.
Diese Akzeptanz entsteht, wenn die Mitarbeiter sorgfältig auf
ihre neue Aufgabe vorbereitet werden und das Unternehmen alles tut,
um sie dabei zu unterstützen.
Literatur
Erfolgreich
durch Lernen. Hrsg.von RKW Köln. Köln: Wirtschaftsverlag
Bachem 1999.
Götz,
Klaus (Hrsg.): Wissensmanagement. 2. Aufl. München: Rainer
Hampp Verlag 2000.
North, Klaus:
Wissensorientierte Unternehmensführung. 2. Aufl. Wiesbaden:
Gabler Verlag 1999.
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