Fachbeiträge
Betriebliche Weiterbildung im Mikro-Format
von Gabriele Vollmar
Von jedem Mitarbeiter wird heute die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen erwartet; von den Unternehmen wird im Gegenzug die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter gefordert. Doch wann genau sollen diese Weiterbildungsmaßnahmen stattfinden? Gabriele Vollmar berichtet über ein Schulungskonzept, das es auch klein- und mittelständischen Unternehmen erlaubt, das Dilemma zwischen erkannter Notwendigkeit und fehlenden Möglichkeiten zu überwinden.
Von Gabriele
Inhaltsübersicht:
- Verabreichung in kleinen Dosen
- Flexibel und zeitnah
- Unverhofft und nicht allzu oft erhöht die Motivation
- Drohende Beliebigkeit
- Selbstverantwortung statt Kontrolle
Von jedem
Mitarbeiter wird heute die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen erwartet.
Von den Unternehmen wird im Gegenzug die kontinuierliche Aus- und
Weiterbildung ihrer Mitarbeiter gefordert nicht zuletzt explizit
in der ISO 9000. Doch wann genau soll diese Weiterbildung stattfinden?
Während der Arbeitszeit, wenn gerade einmal "wenig"
zu tun ist? Nach Feierabend? Am Wochenende? Computer Based Training,
Telelearning via Internet usw. ermöglichen es zumindest
theoretisch überall und jederzeit zu lernen.
Doch seien
wir einmal ehrlich: Existiert diese schöne neue Welt tatsächlich?
Wer nutzt jede kleine Verschnaufpause im oft aufreibenden Tagesgeschäft,
um mal eben fünf Minuten Business English zu machen, anstatt
sich einen Kaffee zu holen? Wer nimmt nach einem 8-, 9- oder gar
10-Stunden-Tag noch konzentriert und voller Elan an einem Internet-Seminar
über die Balanced Scorecard teil? Welcher Unternehmer kann
es sich leisten, pro Mitarbeiter einen nicht unbeträchtlichen
Prozentsatz der Arbeitszeit für die Weiterbildung zu opfern,
von den Kosten für eventuelle Referenten, Schulungsmaterialien
usw. einmal ganz abgesehen?
Als Schulungsbeauftragter
eines klein- oder mittelständischen Unternehmens steht man
sehr schnell vor diesem Dilemma der erkannten Notwendigkeit kontinuierlicher
Schulung und der fehlenden Möglichkeiten. Aus diesem Dilemma
heraus ist bei der transline Deutschland GmbH, einem global agierenden
Sprachkommunikations-Dienstleister mit Sitz in Reutlingen, das Konzept
der Mikro-Schulungen entstanden.
Verabreichung in kleinen Dosen
Für diese
Mikro-Schulungen gibt es genau definierte Vorgaben:
- Die Dauer darf 15 Minuten nicht überschreiten.
- Die Schulungen finden während der Arbeitszeit statt.
- Die Teilnehmerzahl ist auf 3 beschränkt, wenn es um computer-spezifische Lerninhalte geht, ansonsten auf 8.
- Wann immer möglich, hat die Schulung an einem Arbeitsplatz stattzufinden, bei computer-spezifischen Lerninhalten auf jeden Fall an einem PC.
- Die Einladung zur Schulung erfolgt zeitnah, frühestens 2 Wochen vor dem Schulungstermin, in den meisten Fällen eher kurzfristiger.
- Sprengt das Thema den zeitlichen Rahmen, können kleine Vorlesungs-Reihen initiiert werden.
Übersteigt
das angemeldete Interesse die vorgegebene Teilnehmerzahl, werden
sofort Ausweichtermine noch am selben oder einem der folgenden Tage
angeboten.
Außerdem
werden die Themen in unregelmäßiger Reihenfolge wieder
aufgegriffen, so dass jeder Mitarbeiter früher oder später
die Möglichkeit zur Teilnahme hat. Das nimmt von den Mitarbeitern
den Druck, möglicherweise wichtige Arbeiten unterbrechen zu
müssen, weil gerade eine Schulung stattfindet.
Allerdings
ist dieser Druck bereits durch die Kürze der Schulungen minimiert:
Mal eben zehn oder fünfzehn Minuten die Arbeit zu unterbrechen,
dürfte meistens kein allzu großes Problem darstellen.
Während bei längeren Lerneinheiten viele Teilnehmer darüber
klagten, im Grunde nicht folgen zu können, weil die Gedanken
ständig bei der Arbeit seien, die unerledigt auf dem Tisch
liegenbleibe oder bei dem Anruf, der nicht wie erwartet noch kurz
vor der Schulung gekommen ist, werden die Mikro-Schulungen von den
Teilnehmern als willkommene Abwechslung empfunden, die durch die
zwischenzeitliche intensive Konzentration auf etwas anderes die
Konzentration auf die eigentliche Arbeit sogar fördere.
Ziel der Mikro-Schulungen
ist, diese nicht nur organisatorisch, sondern auch thematisch so
weit wie möglich in den normalen Arbeitsablauf zu integrieren.
Einen nicht unbeträchtlichen Teil der Schulungen machen die
so genannten Lessons Learned aus, also das Weitergeben von mehr
oder weniger persönlich gemachten Erfahrungen an die Kollegen.
Aus diesem Grund sind die Referenten in den meisten Fällen
die Mitarbeiter selbst, die über eine Mikro-Schulung einen
irgendwie entstandenen Wissensvorsprung mit ihren Kollegen teilen.
Ein weiterer
wichtiger Aspekt, der die Mikro-Schulungen auszeichnet und nicht
zuletzt zu der sehr großen Akzeptanz derselben beiträgt,
ist das flexible Reagieren auf die Anforderungen des Unternehmens,
hinter denen in den meisten Fällen geänderte Kundenanforderungen,
der Einsatz neuer Arbeitsmittel usw. stehen, sowie auf die Anforderungen
der Mitarbeiter.
Jeder Mitarbeiter
kann deshalb jederzeit formlos bei der Schulungsbeauftragten ein
Schulungsthema vorschlagen, weil er z.B. gerade erfolglos versucht
hat, den zentralen Drucker dazu zu bringen, doppelseitig auszudrucken.
Entweder er hat dieses Unterfangen mehr oder weniger entnervt aufgegeben
und hat nun selbst Schulungsbedarf oder aber er hat herausgefunden,
wie der Drucker einzustellen ist bzw. hat sich in der EDV-Abteilung
schlau gemacht und kann nun sein erworbenes Wissen selbst an andere
Mitarbeiter weitergeben bevor der nächste fluchend vor
der widerspenstigen Maschine steht und dabei wertvolle Arbeitszeit
verlorengeht.
Eine weitere
Möglichkeit, Schulungsbedarf anzumelden bietet die interne
Informations-Datenbank transHow, in der interne Abläufe dokumentiert,
wichtige und nützliche URL-Adressen erfasst sind usw. Jeder
Beitrag in dieser Datenbank ist mit dem Button "Bitte Schulung"
versehen, so dass jeder, der einen Eintrag zu einem bestimmten Thema
liest, aber diesen entweder nicht richtig versteht oder weitergehende
Informationen wünscht, dies per Knopfdruck an die Schulungsbeauftragte
melden kann.
Auf solche
Anforderungen wird möglichst zeitnah reagiert:
- Ein Referent – wenn möglich aus dem Kreis der Mitarbeiter – wird benannt.
- Mögliche Termine für die Schulung(en) werden mit dem Referenten festgelegt.
- Einladungen an die Mitarbeiter werden verschickt.
- Falls erforderlich, werden die Teilnehmer in Gruppen eingeteilt und auf die verschiedenen Alternativtermine verteilt. (Diese Alternativtermine sollten, wenn möglich, innerhalb eines Zeitraumes von zwei Tagen liegen.)
- Sollte zu dem Thema noch kein Eintrag in der Informations-Datenbank transHow vorliegen, erstellt der Referent nach der Schulung einen solchen Eintrag.
- Das Schulungsthema wird vermerkt für eine eventuelle Wiederholung in der Zukunft, damit Teilnehmer Lerninhalte auffrischen können oder Nicht-Teilnehmer die Möglichkeit haben, die Schulung nachzuholen.
Unverhofft und nicht allzu oft erhöht die Motivation
Sicher ist
es in erster Linie die Kürze der Schulungen, die dazu beiträgt,
dass die Teilnehmer kein schlechtes Gewissen wegen vermeintlich
verlorener Zeit und damit tatsächlich den Kopf frei haben,
sich auf die Lehrinhalte zu konzentrieren. Darüber hinaus lässt
sich die ausgesprochen positive Resonanz auf die Mikro-Schulungen
aber noch auf weitere organisatorische Aspekte zurückführen.
Wie oben erläutert,
wird auf Schulungsbedarf möglichst flexibel und zeitnah reagiert.
Das heißt, Themen werden zum einen angepackt, solange sie
noch heiß sind, zum anderen fühlen sich die Mitarbeiter
mit ihren Wünschen ernst genommen. Die Mikro-Schulungen werden
Teil des eigenen Instrumentariums, können vom Mitarbeiter selbst
initiiert und beeinflusst werden. Sie sind nicht Teil eines mehr
oder weniger abstrakten, größtenteils den Anforderungen
des Unternehmens gehorchenden Lehrplans. Jeder Mitarbeiter trägt
vielmehr Mitverantwortung an der Gestaltung nicht nur der eigenen,
sondern auch der kollegialen Weiterbildung.
Weiterhin motivationsfördernd
wirkt die unregelmäßige Durchführung der Mikro-Schulungen.
Es gibt keinen festen Schulungstag. Die Einladungen zu den Mikro-Schulungen
entstehen in den meisten Fällen, wie oben geschildert, aus
konkreten Anforderungs-Situationen heraus. Das heißt, Mikro-Schulungen
ereignen sich quasi unvorhergesehen. Sie haben dadurch immer ein
wenig den Reiz der Abwechslung, des Neuen.
Dabei ist natürlich
darauf zu achten, dass in der Tat nicht mehrere Mikro-Schulungen
pro Woche angeboten werden. Dies fordert eine zum Teil schwierige
Balance zwischen dem Anspruch des zeitnahen Reagierens und eben
der Vermeidung eines Überangebots.
Bei aller Flexibilität
droht eine gewisse Beliebigkeit: Weiterbildung als unverbindliches
Selbstbedienungs-Angebot. Dabei können schnell die berechtigten
Anforderungen des Unternehmens an die inhaltliche Ausrichtung der
betrieblichen Weiterbildung in den Hintergrund geraten. Um dieser
Entwicklung vorzubeugen, ist das Mikro-Schulungs-Konzept eingebettet
in einen umfassenden und auf jeden Mitarbeiter individuell abgestimmten
Schulungsplan.
Dieser individuelle
Schulungsplan führt Lehrinhalte auf, die jeder Mitarbeiter
längstens im Laufe eines Jahres abzuarbeiten hat. Dabei wird
unterschieden zwischen einer Einarbeitungsphase für neue Mitarbeiter
und einer arbeitsbegleitenden Phase. Diese arbeitsbegleitende Schulung
wiederum umfasst die Module
- Vertiefung
- Auffrischung
- neues Wissen
In einer dritten
Gliederungsstufe wird dann noch unterschieden zwischen allgemeinen
Themen und bereichsspezifischen Themen.
Das Konzept der Mikro-Schulungen erlaubt das Zusammenstellen eines individuellen Schulungsplanes. |
Einige der
vertiefenden Inhalte sind obligatorisch, müssen also innerhalb
eines Jahres abgehandelt werden, andere z.B. grundsätzlich
die auffrischenden Inhalte sind optional. Zu Mikro-Schulungen,
die sich mit auffrischenden Inhalten beschäftigen, wird bereichsübergreifend
eingeladen, so dass beispielsweise auch für einen Mitarbeiter
des Projektmanagements die Möglichkeit besteht, an einer Schulung
über Kontenführung teilzunehmen.
Beim Zusammenstellen
des individuellen Schulungsmenüs wird berücksichtigt,
- in welchem Bereich der Mitarbeiter eingesetzt ist
- in welcher Funktion er dort tätig ist
- welche spezifischen Aufgaben er hat und
- welche Vorbildung er besitzt
Daraus entsteht
ein individuelles Schulungskonto mit einer gewissen Anzahl offener
Posten, die nach und nach geschlossen werden sollten.
Selbstverantwortung statt Kontrolle
Im Hintergrund
findet zwar durchaus ein Schulungs-Controlling statt, doch liegt
der individuelle Schulungsplan und seine Erfüllung in der Verantwortung
des Mitarbeiters. Deshalb auch Controlling und nicht Kontrolle
obwohl natürlich die eigentliche Kontrolle dabei auch eine
Rolle spielt. So werden bei allen Schulungsmaßnahmen Anwesenheitslisten
geführt und die Schulungsbeauftragte überprüft regelmäßig
die noch offenen Posten auf den individuellen Schulungskonten. Bei
regelmäßigen Gesprächen der Geschäftsleitung
mit den einzelnen Mitarbeitern ist dann die daraus erkennbare Lernbereitschaft
ein Thema. Im engeren Sinne eines Controllings jedoch gibt das Schulungskonto
auch Aufschluss darüber, welche Themen in der nächsten
Zeit angeboten werden sollten. Dabei sind die Lehrpläne keineswegs
unveränderlich, sondern passen sich dynamisch den neuen Anforderungen
an, die z.B. durch das Einführen einer neuen Software entstehen
können.
Aber in erster
Linie trägt jeder einzelne Mitarbeiter die Verantwortung für
sein Schulungskonto und hat damit eine gewisse Holschuld, wenn vorgeschriebene
oder auch erwünschte Lehrinhalte über einen längeren
Zeitraum nicht angeboten werden. Die Beziehung zwischen Unternehmen
und Mitarbeiter ist somit eine wechselseitige mit gegenseitigen
Rechten und Pflichten, an deren Ende eine Balance stehen sollte
zwischen lehrender Organisation und lernendem Individuum auf der
einen Seite und lernender Organisation und lehrendem Individuum
auf der anderen Seite.
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