Fachbeiträge
Die harten und weichen Erfolgsfaktoren bei der Systemeinführung
von Harald Klingelhöller
Nachdem die Jahr-2000-Probleme gelöst und die kaufmännischen Systeme auf den Euro umgestellt sind, ist das Thema Dokumentenmanagement wieder in aller Munde. Was es bei der Systemeinführung zu beachten gilt, um ein Dokumentenmanagement-Projekt zum Erfolg zu führen, hat Harald Klingelhöller für Sie zusammengefasst. Seine wichtigste Erkenntnis: Ein DMS-Projekt über einen Produktkauf zu starten, bedeutet das Pferd von hinten aufzuzäumen. Zunächst gilt es die Prozesse im Unternehmen zu betrachten.
Von
Inhaltsübersicht:
- Häufige Fehler
- Informationen sammeln
- Ein Workshop zur Bedürfnis- und Zieldefinition
- Die Machbarkeitsstudie
- Das Grobpflichtenheft
- Die Produktentscheidung
- Das Feinpflichtenheft
- Die Wahl des richtigen Partners
- Risiken und Investitionsschutz
- Rechtliche Aspekte
- Der Mensch als harter Faktor im Projektplan
- Was tun, wenn Projekte zu scheitern drohen
Die Jahr-2000-Probleme
gehören der Vergangenheit an, die kaufmännischen Systeme
sind auf den Euro umgestellt und die Gedanken sind frei für
das Thema Dokumentenmanagement. Nach einer Umfrage der Gartner Group
aus dem vergangenen Jahr steht Dokumentenmanagement auf Platz drei
der Wunschliste vieler Unternehmen.
Grund genug
also, sich vor dem Start eines Dokumentenmanagement-Projektes Gedanken
zu machen über die Faktoren, die einem solchen Projekt zum
Erfolg verhelfen, und jene, die es zum Scheitern verurteilen können.
Einer
der häufigsten Fehler besteht darin, ein Dokumentenmanagement-Projekt
unter einem ausschließlich technischen Aspekt anzugehen und
die irrige Annahme zu verfolgen, mit dem Kauf eines Dokumentenmanagement-Systems
(DMS) sei das Thema erledigt. Hierbei wird oft übersehen, dass
primär strategische Fragen geklärt sein müssen, um
ein DMS-Projekt zu starten. Etwa die Frage, ob eine zentrale oder
verteilte Daten- und/oder Dokumentenhaltung angestrebt wird oder
welche Art von Datenbank für eine strukturierte oder unstrukturierte
Ablage der Dokumente sinnvoll ist. Eine spätere Korrektur ist
oftmals nicht mehr möglich, wie z.B. der Wechsel von einer
Volltext- auf eine SQL-Datenbank, oder es entstehen unverhältnismäßig
hohe Kosten, wie z.B. bei der Konvertierung von einer Dokumentenmanagement-Software
in eine andere.
Auch
die Frage der Integration bestehender Systeme in das zukünftige
Dokumentenmanagement-System muss frühzeitig erörtert werden,
um nicht in ein Produkt zu investieren, das die benötigten
Schnittstellen nicht oder nur unzureichend zur Verfügung stellt.
Nicht
zu vergessen sind aber vor allem die organisatorischen Aspekte:
Abläufe und Prozesse müssen definiert sein, bevor man
über Technik oder gar Produkte diskutiert. Selbst bei Kernprozessen
im Unternehmen kann ein Return on Investment nicht gewährleistet
werden, wenn zuvor nicht geklärt wurde, ob es sich um einen
situativen oder automatisierbaren Prozess handelt.
Der
Weg, ein Dokumentenmanagement-Projekt über einen Produktkauf
zu starten, bedeutet also das Pferd von hinten aufzuzäumen.
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Wie
geht man also ein Dokumentenmanagement-Projekt mit möglichst
geringem Risiko an?
Zu
Beginn wird die Beschaffung von Informationen im Vordergrund stehen.
Hier sind zunächst die Prospekte der Hersteller hilfreich.
Wenn Sie dann tiefer in die Materie eingedrungen sind, folgt das
Studium produktneutraler Quellen. Hierzu gehören die Veröffentlichungen
der Verbände und andere produktneutrale Informationen, die
Sie am einfachsten im WWW finden.
Sind
die Informationen dann soweit zusammengetragen, dass Sie mit Begriffen
wie COLD, Cache oder Rendering vertraut sind, haben Sie sicherlich
festgestellt, dass die Produkte sehr ähnliche Bildschirmmasken
haben, es aber dennoch kleine Unterschiede zwischen den angebotenen
Produkten gibt. Doch inwieweit wirken sich diese kleinen Unterschiede
auf Ihr Projekt aus?
Sie
sind auf dem langen und oftmals steinigen Weg eines DMS-Projektes
an einem sehr wichtigen Punkt angekommen: Nun haben Sie das Wissen
und das Handwerkszeug, um einem Dritten die eigenen Bedürfnisse
und Anforderungen zu erklären.
Ein Workshop zur Bedürfnis- und
Zieldefinition
Der
nächste Schritt sollte ein Workshop mit einem externen DMS-Spezialisten
sein. Investieren Sie ein bis zwei Tage in einen Berater mit langjähriger
Erfahrung, der Ihnen beispielsweise sofort sagen kann, warum der
Start Ihres Dokumentenmanagement-Projektes im Personalbereich weniger
Chancen hat als etwa ein Pilot-Projekt in der Debitoren-Buchhaltung.
Diese Erfahrung können Sie nicht haben; es ist also sehr sinnvoll,
sich diesen Rat einzukaufen, denn hier werden frühzeitig Weichen
gestellt, die über Erfolg und Misserfolg eines DMS-Projektes
entscheiden.
Ziel
dieses Workshops ist eine horizontale Betrachtung des Unternehmens.
Mit Vertretern aller Bereiche soll eine grobe Zieldefinition erarbeitet
werden. Der DMS-Spezialist hat dabei die Aufgabe, die vorgebrachten
Wünsche und Ziele zu kategorisieren und ein Gesamtmodell zu
erstellen.
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Aus
den Ergebnissen des Workshops haben Sie mehr Klarheit über
den Startpunkt gewonnen. Im nächsten Schritt ist zu klären,
ob das Projekt mit den vorhandenen Mitteln, Ressourcen und Zeitplänen
vereinbar ist. Hierzu dient die Machbarkeitsstudie, die den Startpunkt
mit einem Projektbudget für einen Projektantrag verbinden soll.
Um diesen jedoch formulieren zu können, muss Klarheit über
Projektziel, umfang und finanzierung herrschen. Die Machbarkeitsstudie
gibt genau hierüber Aufschluss. Sie nimmt nur wenige Tage in
Anspruch und sollte von einem externen Berater im Wechselspiel mit
den eigenen Entscheidern erstellt werden.
Eine
Machbarkeitsstudie ist Know-how-intensiv und bedarf langjähriger
Erfahrung. Ziel dieser Studie ist es, den Umfang des Gesamtprojektes
unternehmensweit zu klären. Ein Zeitplan mit Stufenkonzept
über die einzelnen Projektschritte sollte enthalten sein sowie
ein Ressourcenplan für interne und externe Mitarbeiter.
Selbstverständlich
darf eine Kostenabschätzung für die Erstinvestition inklusive
des Piloten sowie eine Abschätzung der Gesamtinvestition zur
Erstellung des Budgets nicht fehlen. Achten Sie auch darauf, dass
die Betriebskosten nicht unberücksichtigt bleiben.
Grobpflichtenheft
Das
anschließend zu erstellende Grobpflichtenheft hat zum Ziel,
eine Produktauswahl zu treffen. Es muss sowohl strategische Argumente
als auch konkrete Bedürfnisse für die Pilot-Installation
berücksichtigen. Das Grobpflichtenheft gliedert sich in eine
Analyse der momentan gegebenen Situation und in eine optimierte
Konzeption des zukünftigen Dokumentenmanagement-Systems.
Hier
fließen strategische, organisatorische und erstmals auch technische
Argumente zu einer Einheit zusammen. Die hieraus resultierende Dokumentation
dient dann als Grundlage einer Ausschreibung.
Die
Produktentscheidung beginnt mit der Auswertung der Rückläufer
aus der Ausschreibung. Anhand eines unternehmensspezifisch festzulegenden
Kriterienkataloges werden die Ausschreibungen ausgewertet, um mit
einer kleinen Anzahl von Anbietern die Gespräche fortzusetzen.
Wir
haben es in unserer langjährigen Tätigkeit dabei immer
als sehr hilfreich empfunden, sich die Systeme im Echtbetrieb anzusehen.
Einerseits dient dies zur Überprüfung der Referenzangaben,
andererseits gewinnt man auch die eine oder andere Anregung für
das eigene Projekt.
Das
Feinpflichtenheft konkretisiert das Soll-Konzept des Grobpflichtenheftes.
Es setzt die Produktentscheidung voraus, denn der Beratungspartner
muss den Leistungsumfang des ausgewählten Produktes zugrunde
legen, um nun die optimale Lösung für den Kunden zu schaffen.
Das
Feinpflichtenheft ist beschreibender Bestandteil der vertraglich
festgelegten Leistungen des Integrators. Sie sollten also zu diesem
Zeitpunkt bereits Klarheit über die Umsetzung haben. Dabei
gibt es zwei Möglichkeiten: Wenn Sie sich im Vorfeld für
Workshop, Machbarkeitsstudie, Grobpflichtenheft und für einen
Partner mit Umsetzungsberatungs-Konzept entschieden haben, sind
Sie in der komfortablen Lage, die Prozesse und Abläufe nicht
einem neuen Partner erklären zu müssen. Das Projekt läuft
zügig weiter. Kommt hingegen ein neuer Partner zum Zuge, haben
Sie ein klassisches Problem des Know-how-Überganges.
Die Wahl des richtigen Partners
Die
Wahl des Partners will gut überlegt sein, denn Sie bewegen
sich in Ihrer Entscheidung zwischen zwei extremen Punkten: Vor der
Produktentscheidung benötigen Sie einen Partner, der unabhängig
von Produkten und Herstellern die beste Lösung für Ihr
Unternehmen auswählt, danach aber einen Partner, der sich besonders
gut mit dem gewählten Produkt auskennt. Beratungsunternehmen,
die nur Gutachtensberatung bieten, sind also ebenso
kritisch zu betrachten wie Hersteller, die Pflichtenhefte mit anbieten.
Genau
hierin liegt die Stärke von Unternehmen, die Umsetzungsberatung
leisten: Sie können unabhängig beraten und gemeinsam mit
dem Kunden die beste Lösung realisieren.
Risiken und Investitionsschutz
Vielleicht
sagen Sie jetzt: Alles viel zu überzogen, wir fangen
erst einmal an. Doch bedenken Sie, dass eine Machbarkeitsstudie
ca. 10% des Investitionsvolumens ausmacht, während ein Reengineering
eines bestehenden Systems in der Höhe der Erstinvestition liegen
würde.
Ist
eine DMS-Lösung erst einmal eingeführt, kann sie nicht
wie ein Textprogramm oder eine Spreadsheet-Applikation einfach wieder
ausgetauscht werden. Zu tief greift sie in die Prozesse des Unternehmens
ein, zu hoch ist der Grad der Integration.
Die
Entscheidung für ein offenes System, welches die Standards
auf allen Ebenen berücksichtigt, ist ausschlaggebend für
den Erfolg (einige Produkt-Beispiele: ODMA, ODBC, API, Faxgruppe
G4, Single Tiff).
Früher
hat man sich zugunsten eines großen Anbieters entschieden
und die Sicherheit gehabt, das Richtige getan zu haben. Dies gilt
leider nicht für den DMS-Markt. Hier entscheidet Innovation
vor Größe.
Auch
heute gibt es immer noch bekannte Hersteller, in deren Programmierung
16-Bit-Technologie zu finden ist, deren Produkte also nicht State
of the Art sind. Es gibt nach wie vor Produkte, deren Kommunikation
zwischen Client und Server nicht über Sicherheitsfunktionen
verfügt, wie sie z.B. RPC (Remote Procedure Call) bietet. Und
es gibt immer noch Produkte, die als ausschließliche Datenbank
eine proprietäre Datenbank einsetzen. Hinter den schönen
Benutzermasken findet sich also oftmals ein Wolf im Schafspelz.
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Neben
den organisatorischen und technischen Aspekten gibt es auch noch
juristische Fragen, für die eine Lösung gefunden werden
muss. Am übersichtlichsten ist hierbei die Anwendung in einem
kaufmännischen Bereich. Im Handelsgesetzbuch (HGB, §§
240 ff.), in der AO 147 und vor allem in den Grundsätzen der
ordentlichen Buchführung (GoB) sind die Vorschriften zur Revisionssicherheit
klar und eindeutig geregelt. Aus diesem Grunde starten viele Unternehmen
ihr DMS-Projekt in einem kaufmännischen Bereich wie z.B. der
Debitoren- oder Kreditoren-Buchhaltung. Schwieriger sind hingegen
Anwendungen, die Bereiche des Bürgerlichen Rechtes (BGB) oder
gar des Strafrechtes (StGB) berühren. Hier herrscht immer noch
die freie richterliche Beweisführung, die auf den so genannten
Augenscheinbeweis baut. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der
Richter entscheidet, ob er das Original-Dokument in den Händen
halten möchte oder ob er sich mit einer (elektronischen) Kopie
zufrieden gibt.
Ein
großer Leidensdruck ist in vielen Personalabteilungen vorzufinden,
da auch hier große Mengen von Papier verwaltet werden müssen.
Jeden Monat kommt eine Vielzahl von Dokumenten hinzu, und eine fast
unüberschaubare Anzahl unterschiedlicher Dokumentarten ist
vorhanden. Und gerade diese unterschiedlichen Dokumentarten bringen
eine Reihe von Herausforderungen mit sich, denn hinter jeder Dokumentart
stehen unterschiedliche Aufbewahrungsfristen: Während einige
Dokumente über das Ausscheiden des Mitarbeiters hinaus in unveränderlicher
Art und Weise, also revisionssicher, vorgehalten werden müssen,
müssen andere Dokumente, z.B. Abmahnungen, nach zwei Jahren
vollständig gelöscht werden.
Welches
Speichermedium setzen Sie nun ein? Eine WORM-Technologie ist zwar
revisionssicher, erlaubt aber kein Löschen der Abmahnung. Eine
MO-Technologie erlaubt zwar das Löschen der Abmahnung, ist
aber nicht revisionssicher. Ein klassischer Zielkonflikt.
Der Mensch als harter Faktor im Projektplan
Bei
technikgetriebenen Projekten haben wir häufig beobachtet, dass
der Faktor Mensch ausschließlich im Projektplan und nur als
Ressource zu finden war. Es sind aber letztlich Ihre Mitarbeiter,
die mit dem einzuführenden System arbeiten müssen. Machen
Sie sich bewusst, dass Sie diesen Menschen das Papier wegnehmen
es ist eine Revolution, die Sie hier anzetteln. Wer hier
nicht gleichzeitig eine starke Führung verbunden mit Aufklärung,
Schulung und Motivation bietet, darf sich nicht wundern, wenn die
Fachabteilungen blockieren. Das kostet Zeit und Geld. Haben Sie
diesen Posten auch in Ihrem Budget eingeplant?
Ungemach
droht aber auch aus einer anderen Ecke des Unternehmens: Der Betriebsrat
muss über ein solches Projekt informiert werden und darf, wenn
er möchte, auch aktiv an der Gestaltung des Dokumentenmanagement-Systems
teilnehmen. Wir können nur immer wieder auf diesen wichtigen
Punkt aufmerksam machen, denn der Betriebsrat hat gute Argumente,
ein Projekt zu stoppen, das die Bedingungen am Arbeitsplatz ändert,
wenn er nicht frühzeitig die Chance der aktiven Mitarbeit erhalten
hat.
Und
dann gibt es noch jemand im Unternehmen, den Sie zu Ihrem DMS-Kickoff-Meeting
unbedingt einladen sollten: den Datenschützer. Auch er kann
einen wertvollen Beitrag leisten so er rechtzeitig involviert
wird.
Allein
aus diesen drei Beispielen lässt sich schon der Stellenwert
der Besetzung des Projektteams ableiten. Dabei ist es wichtig, nicht
nur auf die Vollzähligkeit aller in Frage kommenden Bereiche
zu achten, sondern insbesondere auch auf die Auswahl der einzelnen
Personen aus diesen Bereichen, denn sie sind die Fackelträger
Ihres DMS-Projektes.
Was tun, wenn Projekte zu scheitern drohen?
Dokumentenmanagement-Projekte
haben die Eigenart, dass sie ganz langsam anfangen und dann immer
komplexer werden. Häufig gelangt die eigene Mannschaft schnell
an die Grenzen von Ressourcen und Know-how. Das wird in den meisten
Unternehmen auch frühzeitig erkannt. Doch der Hilferuf bleibt
aus.
Haben
Sie die Größe, frühzeitig zu sagen Schuster
bleib bei Deinen Leisten? Ziehen Sie aus externen Ressourcen
das nötige Spezialwissen hinzu und fürchten Sie nicht,
diesen Schritt auch dann noch zu tun, wenn bereits ein kritischer
Punkt erreicht ist. Eine Augen-zu-und-durch-Politik
hat fatale Folgen.
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