Fachbeiträge
Die Balance halten: zwischen Technologie und Unternehmenskultur
von Dipl.-Betriebswirtin Manuela Müller
Was bringt Wissensmanagement, wenn die interne Kommunikation in Ihrem Unternehmen nicht funktioniert? Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind nicht der alleinige Garant für Erfolg; der Glaube an die Machbarkeit führt oftmals zu einer Überbetonung des Informationsmanagements und zu einer Vernachlässigung der Human-Ressourcen bzw. verkannten Bedeutung einer offenen Unternehmenskultur. Manuela Müllers Beitrag zeigt, welche Herausforderungen und Handlungskompetenzen ein Unternehmen in diesem Balance-Akt zwischen informationstechnischen und soziokulturellen Aspekten zu bewältigen hat, damit Wissensmanagement als ein innovatives Instrument zur Verbesserung der internen Kommunikation im Unternehmen eingesetzt werden kann.
Von
Inhaltsübersicht:
- Wissensmanagement – Management as usual?
- Kommunikations-Infrastrukturen im Spannungsfeld elektronischer und soziokultureller Komponenten
- Die unterschätzte Bedeutung der internen Kommunikation
- Vision: ein Unternehmen mit einer direkten, offenen Kommunikation
- Fazit
- Literatur
Was bringt Wissensmanagement, wenn die interne Kommunikation in
Ihrem Unternehmen nicht funktioniert? 2000 Jahre Kommunikation
2000 Jahre Informationstransfer. Wurden Informationen vor Gutenberg
noch face-to-face vermittelt, so wird im Informations- und Wissenszeitalter
primär über neue Technologien kommuniziert. Diese elektronisierten
Kommunikationsinstrumente sind aber nicht der alleinige Garant für
Erfolg. Der Glaube an die Machbarkeit führt oftmals zu einer
Überbetonung des Informationsmanagements und zu einer Vernachlässigung
der Human-Ressourcen bzw. verkannten Bedeutung einer offenen Unternehmenskultur.
Dieser
Beitrag zeigt, welche Herausforderungen und Handlungskompetenzen
ein Unternehmen in diesem Balance-Akt zwischen informationstechnischen
und soziokulturellen Aspekten zu bewältigen hat, damit Wissensmanagement
als ein innovatives Instrument zur Verbesserung der internen Kommunikation
im Unternehmen eingesetzt werden kann.
Management as usual?
Analysieren
wir die aktuelle Wirtschaftspresse, so scheint die Lösung vieler
Management-Probleme im richtigen Umgang mit dem neuen Produktionsfaktor
Wissen zu liegen. Zum einen sind wir verwundert über die oft
undifferenzierte Verwendung der Begriffe Information und Wissen,
zum anderen sind wir gewarnt durch die Regelmäßigkeit,
mit der neue Schlagwörter kometenhaft aufsteigen und genauso
schnell wieder verschwinden. So nähern wir uns dem Thema Wissensmanagement
mit einer gehörigen Portion Skepsis: Geht es doch wieder nur
um old wine in new bottles?
Doch
die wettbewerblichen Anforderungen an global operierende Unternehmen
kürzer werdende Produktlebens- und Innovationszyklen,
Erfüllen individueller Kundenwünsche unter stärker
werdendem Kostendruck, Anpassung an technologische Veränderungen
zwingen diese zu einem kontinuierlichen Change Management.
In diesem kontinuierlichen Prozess sind das Wissen und die Kreativität
der Mitarbeiter eine unentbehrliche Basis. Die sich beschleunigende
Innovationsdynamik erfordert von global operierenden Unternehmen
zur Verbesserung ihrer Performance und Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit
neue Führungskonzepte: Benötigt werden Mitarbeiter, die
bereit und willens sind,
- effiziente Methoden der Informationsbeschaffung und anwendung zu nutzen
- neue Informationen in ihre bereits vorhandenen Wissensbestände zu integrieren
- auf der Basis des vorhandenen Wissens in neuen Beziehungsmustern zu denken und zu handeln sowie
- ihr „stilles“ Wissen als Erfahrungspotenzial auch betrieblich für neue, innovative Lösungen anzuwenden
Wissensmanagement
ist immer noch ein relativ neues Gebiet mit unterschiedlichen strategischen
Ausrichtungen und Konzepten. Viele Wissensmanagement-Strategien
haben in Unternehmen ausschließlich in der Implementierung,
Anwendung und Veränderung von Tools und Technologien ihren
Niederschlag gefunden, wie z.B. Intranets, Yellow Pages oder Lotus-Notes-Datenbanken.
Die Tools weisen einen hohen Innovationszyklus auf; heute noch neue
Technik muss immer schneller ersetzt werden. Dabei wird allzu oft
verkannt, dass soziokulturellen Aspekten wie den Einstellungen,
Werten und Verhaltensweisen der Menschen, die diese Technik nutzen,
eine bedeutende Rolle in der internen Kommunikation zukommt.
Kommunikations-Infrastrukturen
im Spannungsfeld elektronischer und soziokultureller Komponenten
Denken
wir retrospektiv, so wurden Wissen und Meinungen über lange
Zeit hinweg im persönlichen Gespräch, im Kontakt der Menschen
zueinander übertragen. Die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg
ermöglichte, Wissenswertes in Büchern zu dokumentieren
und zu verbreiten. Weitere technische Entwicklungen Telefon,
Rundfunk, Fernsehen, PC oder Internet führten zu einem
raschen Zugriff auf demokratisierte Informationen. Die Masse dieser
Informationen brachte wiederum die Nachfrage nach professionellen
Selektionskriterien mit sich.
Die
in heutigen multinationalen Unternehmen etablierten IuK-Technologien
haben nicht nur die externe Kommunikation mit Kunden, Lieferanten
oder Shareholdern, sondern auch die interne mit den eigenen Mitarbeitern
grundlegend verändert. Kommuniziert wird heute per E-Mail,
Inter-/Intranet, Yellow Pages, Groupware, Customer-Management-Systemen,
Video Conferencing, Data Warehousing, Decision-Support-Tools etc.
Elektronische
Kommunikationsmedien haben zur Entstehung von virtuellen Netzwerken
geführt, die eine zielorientierte Nutzung und Entwicklung von
Wissen zur Aufgabe haben. Einige, exemplarisch herausgegriffene
Beispiele haben sich hier als erfolgreich erwiesen:
- die Schaffung von spezifischen Kommunikationsstätten: So genannte Knowledge Fairs, Tech Clubs oder Communities of Practice bieten Möglichkeiten für neue Netzwerke. Mitarbeiter dieser Communities generieren Wissen aus einer bestimmten Branche, eines bestimmten Projektes oder eines bestimmten Prozesses. Sie teilen und verwenden dieses Wissen in der Regel frei. DaimlerChrysler gründete beispielsweise 100 erfolgreiche Tech Clubs, damit Ingenieure in verschiedenen Spezialisierungsebenen ihre Erfahrungen austauschen können [1].
- Corporate Universities im Life-Long-Learning-Credo: Maßgeschneiderte Studienangebote bieten mehr Identifikation des Arbeitnehmers mit seinem Unternehmen und stärken damit die Corporate Identity. Wertvolle Alumni-Netzwerke stellen den Wissensfluss nachhaltig sicher.
- virtuelle Ideenpools und Bewertung dieser Ideen sowie Simulation möglicher Zukunftsszenarien
Die
technischen Möglichkeiten zur leichteren Wissensidentifikation
sind also in den meisten global operierenden Unternehmen bereits
vorhanden. Doch eine professionelle Anwendung der IT-Tools setzt
eine erhebliche Veränderungsbereitschaft beim einzelnen Mitarbeiter
voraus.
So
investierte ein Unternehmen Millionen von Dollar in den Aufbau eines
modernen Intranets, um die gemeinsame interne Kommunikation und
die Nutzung von Wissen zu verbessern. Doch die Mitarbeiter dieses
Unternehmens nutzten das Intranet primär, um den Speiseplan
der Kantine abzurufen; für das Tagesgeschäft wurde das
Intranet kaum genutzt. [2]
Dies
verdeutlicht, dass die Mitarbeiter eine betriebliche Notwendigkeit
für die Nutzung der IuK-Technologien erkennen müssen,
um diese Tools im Tagesgeschäft professionell einzusetzen.
Die Technologie-Entwicklungen haben vielerorts auch dazu geführt,
dass dem Faktor Mensch im kommunikativen Kontext der Wissensgesellschaft
zu wenig Beachtung beigemessen wurde; kulturelle Aspekte wurden
ignoriert, die das grundlegende Verhalten von Menschen gegenüber
Wissen und den Technologien in einem globalen Unternehmen beeinflussen.
Hier finden elektronische Kommunikationsmedien ihre Grenzen. Das
ist auch ein Grund, warum Wissensmanagement in Wissenschaft und
Praxis heute seine Anhänger findet. [3]
Es
besteht die dringende Notwendigkeit zu einer Aktivierung zwischenmenschlicher
Netzwerke, bei der neue Kommunikationstechnologien primär als
Hilfsmittel zur Verbesserung der persönlichen Kommunikation
gesehen werden. Das Web-Know-how ist eine notwendige, aber nicht
hinreichende Bedingung zur Aktivierung dieser Netzwerke.
Beschäftigen
wir uns also zunächst mit dem Begriff Kommunikation und der
Frage, warum interne Kommunikation heute einen kritischen Erfolgsfaktor
für den Unternehmenserfolg darstellt.
Die unterschätzte Bedeutung der
internen Kommunikation
Unter
Kommunikation verstehen wir generell die Übermittlung und den
Austausch von Nachrichten und Informationen. Der Sender beabsichtigt
in der Regel, Einstellungen und Verhalten des Empfängers zu
beeinflussen. Interne Kommunikation umfasst in einer Organisation
alle Maßnahmen, die der Information und Motivation der Mitarbeiter
dienen [4].
Die
Identität eines Unternehmens ist in hohem Maße abhängig
von der Akzeptanz und der Identifikation der Mitarbeiter mit den
Zielen des Unternehmens. Letztendlich kann Identifikation nur dann
entstehen, wenn die Überlegungen des Managements mit allen
Mitarbeitern kommuniziert und debattiert werden. Damit erhält
die interne Kommunikation eine völlig neue und entscheidende
Bedeutung, die über das Verständnis der klassischen Kommunikationspolitik
hinausgeht und letztlich zu einer neuen internen Kommunikationskultur
führt: Kommunikation muss zuerst intern gelebt werden, um sie
nach außen tragen zu können.
Obwohl
der Begriff der Kommunikation per se einen zweikanaligen Austausch
beinhaltet, erfolgt die in der Praxis anzutreffende Unternehmenskommunikation
häufig doch nur einkanalig. Damit fehlt die kommunikative Basis
eines echten, aktiven Dialogs. Jede Art von Unternehmenskommunikation
man denke nur an das klassische betriebliche Vorschlagswesen
wird bei den Angestellten fehlschlagen, wenn diese das Gefühl
haben, dass man ihnen nicht zuhört oder ihre Ideen nicht ankommen
eine Folgerung, die Mitarbeiter dann ziehen, wenn ihre Anregungen
und Vorschläge keine Berücksichtigung finden.
Die
Mitarbeiter wissensbasierter Unternehmen sind ernstzunehmende Multiplikatoren
nach außen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, um die in
der Unternehmensphilosophie festgeschriebenen Wissensgrundsätze
zu realisieren. Ohne die aktive Mitarbeit und Überzeugung der
Mitarbeiter im Unternehmen, die nach innen als Transmissionsriemen
im Sinne einer wissensorientierten Kommunikation zu verstehen sind,
ist eine Ausrichtung auf die qualitativen Erfordernisse modernen
Wissensmanagements nicht möglich.
|
ein Unternehmen mit einer direkten, offenen Kommunikation
Wer
in einer Wissensgesellschaft erfolgreich sein will, braucht eine
zusätzliche, übergreifende qualitative Zielsetzung. In
erster Linie bezieht sich diese Maxime auf das bisher noch nicht
voll ausgeschöpfte Identifikations- und Motivationspotenzial
für Mitarbeiter, die mehr wollen, als nur ihren Job abzuwickeln,
die vielmehr als Unternehmer im Unternehmen mitdenken
und Verantwortung übernehmen wollen.
Aus
den bisherigen Ausführungen wird ersichtlich, dass hier die
interne Kommunikation eine ausschlaggebende Rolle spielt. Dass dabei
der Dialog verstärkt im Mittelpunkt der Kommunikation stehen
wird, ergibt sich aus der neuen Herausforderung. Freie Dialoge mit
allen Beteiligten beschleunigen Prozesse, und Beschleunigung scheint
heute notwendiger denn je. Nur wenn Unternehmen das Vorstellungsvermögen,
die Intelligenz und den Verstand ihrer Mitarbeiter zu nutzen verstehen,
wird eine effektive, dialogfähige Kommunikation möglich
sein.
Doch
die mangelnde Bereitschaft, Informationen an andere weiterzugeben,
ist überwiegend kulturell bedingt. Wir betrachten sowohl Informationen
als auch Wissen als persönliches Eigentum. Dabei
werden uns in der Schule Informationen von externer Seite freiwillig
vermittelt, die wir später auf anderen Gebieten anwenden, um
daraus Nutzen zu erzielen Nutzen für uns als Individuum,
Nutzen für das Unternehmen, in dem wir tätig sind, Nutzen
für unsere Kunden. Wissen wird im Gegensatz zu Informationen
nur dann zum gemeinsam erklärten Produktionsfaktor in einem
Unternehmen, wenn Menschen hierarchieunabhängig ein ehrliches
Interesse bekunden, sich gegenseitig bei der Entwicklung und Realisierung
neuer Handlungskompetenzen zu helfen und dies bedeutet wiederum
die Integration von Lernprozessen [5].
Nur die kontinuierliche Fortentwicklung dieser Lernprozesse forciert
eine Beschleunigung des Kulturwandels von der Holschuld zur Bringschuld.
Für
die Mitarbeiter bedeutet dies im kommunikativen Umfeld:
- den aktiven Dialog suchen und rückkoppelnd in die Tätigkeiten des Unternehmens einfließen lassen
- mögliche Synergiepotenziale im Umgang mit Kollegen nutzen statt Konkurrenzdenken entwickeln
- einen flexibleren Umgang mit der Verschmelzung der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit im Zuge des neuen Wissenszeitalters sowie die Nutzung entstehender Freiräume
- die Einsicht, dass Individualinteressen nicht immer mit denen des Unternehmens vereinbar sind
- die Kommunikationskultur im Unternehmen als einen kontinuierlichen Prozess gestalten und nicht als gegeben betrachten
Das
Management wiederum soll in einem wissensfördernden Kontext:
- klare Visionen im Hinblick auf kontinuierliche Verbesserungsmöglichkeiten vermitteln
- Fairness und Vertrauen im Umgang mit Mitarbeitern sicherstellen
- kritische Reflexionen fördern und Glaubwürdigkeit vermitteln
- Vertrauen und zwanglose Kooperation ausbauen
- Mitarbeiter über Reputations-Management ansprechen, um die emotionale Bindung der Mitarbeiter zu fördern [6]
|
Zweifelsohne
bedarf die professionelle Implementierung von Wissensmanagement
zur Förderung der internen Kommunikation im Unternehmen als
Grundvoraussetzung einer adäquaten technischen Infrastruktur;
die Informationstechnologien allein schaffen aber keine ausreichenden
Rahmenbedingungen. Die Unterschätzung der Tatsache, dass
sich Kultur, Werte und Verhalten der Mitarbeiter nur langsam ändern,
hat in der Vergangenheit oftmals zu Wissensmanagement-Strategien
geführt, die die Erwartungen unzureichend erfüllt haben.
Die
von einer neuen Kommunikationskultur getriebene Entfaltung des
kreativen und intellektuellen Potenzials der Mitarbeiter kann
innerhalb unserer arbeitsteiligen Organisationsmodelle nur in
einer geistig-kulturellen Infrastruktur wachsen, die gekennzeichnet
ist durch Offenheit, Flexibilität, Handlungsspielräume,
Kooperationsfähigkeit sowie offene interne und externe Kommunikationskanäle
bzw. Dialogfäden. Erst eine mitarbeiterzentrierte Organisationsgestaltung
schafft die Rahmenbedingungen für innerbetriebliche Lernprozesse.
Unternehmen haben sich deshalb verstärkt mit den verschiedenen
Mind Sets ihrer Mitarbeiter auseinanderzusetzen, aus denen Nutzen
zu generieren ist; die Vielfalt der kulturellen Zusammensetzung
von Mitarbeitern wird im kommunikativen Kontext der Unternehmensführung
aktiviert werden müssen.
Die
elektronischen Kommunikationskanäle erlauben zur Zeit noch
keine optimale interne Kommunikation und keinen effizienten internen
Know-how-Transfer. Es ist frommes Wunschdenken zu glauben, dass
der Einsatz moderner IuK-Technologien Kommunikationsprobleme löst.
Die Technik kann Hilfestellungen leisten und ist mit wachsender
Unternehmensgröße ein unverzichtbares Tool Einstellungen
und Verhalten als so genannte weiche Erfolgsfaktoren
sind jedoch gerade in global agierenden Unternehmen wesentlich
schwieriger und nur über kontinuierliche und längerfristige
Lernprozesse zu verändern.
[1]
Müller, M./DaimlerChrysler Corporate University: Präsentation
im Rahmen des Praxis-Forums Erfolgsfaktoren
für Knowledge Management in der Praxis in München
am 23.9.1999.
[2]
Donoghue L.P./Harris, J.G./Weitzmann, B.: Wertschöpfende
Knowledge-Management-Strategien. In: Outlook Heft 1 1999.
[3]
Probst, G./Raub, S./Romhardt, K.: Wissen managen. 2. Aufl. Wiesbaden:
Gabler 1998.
[4]
Meffert, H.: Grundlagen des Marketing. Wiesbaden: Gabler 1997.
[5]
Kurtzke, C./ Popp, P.: Das wissensbasierte Unternehmen. München:
Hanser 1999.
[6]
Gloger, A.: Mitarbeiter-Strategie der Zukunft. In: Trendletter
Nr. 12/1999.
[7]
Naisbitt, J.: High Tech High Touch. Wien, Hamburg: Signum
1999.
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